
Es sollte der große Befreiungsschlag werden: Zwei Monate nach Erscheinen eines kritischen Artikels in der WirtschaftsWoche veranstaltete Fairvesta am Mittwoch eine Pressekonferenz und wollte alle Vorwürfe entkräften. Schließlich hatte der Tübinger Anbieter von geschlossenen Immobilienfonds der WirtschaftsWoche unterstellt, keinen Dialog "auf sachlicher Augenhöhe nach Faktenlage" geführt zu haben.
Die versprochene Transparenzoffensive legt nun jedoch zahlreiche Widersprüche offen. Einige betreffen nur Details, die für das Geschäftsmodell der Fonds aber wichtig sind. Vor allem aber lassen die Widersprüche für das Gesamtbild - das wir weiter im Blick behalten - nichts Gutes erahnen.
Ein Überblick:
Alle Fonds sind im Plan, oder auch nicht
Fairvesta hatte mehrere Prüfer beauftragt, die Vorwürfe gegen das Unternehmen zu entkräften. Doch zumindest die Ergebnisse der beauftragten Dextro Group, ein Finanzanalysehaus aus Darmstadt, lassen Zweifel am erfolgreichen Verlauf der verschiedenen Fonds aufkommen. So hat die Dextro Group die Fortführung der Fonds simuliert und dabei auch eine statistische Prognose für die Gesamtauszahlung der Anleger aufgestellt. Die Ergebnisse sind überraschend. So errechnet die Dextro Group für die einzelnen Fonds in drei Szenarien (positiv, neutral (Prognose) und negativ) auf Basis der bisherigen Geschäftsergebnisse Gesamtauszahlungen, die bis auf einen einzigen Fall immer unter der Prospektprognose bleiben.
Nur der erst kürzlich aufgelegte Fonds Mercatus 11 kommt laut Dextro Group im Positiv-Szenario auf Gesamtauszahlungen vier Prozent über Plan. Bei den anderen Fonds bleiben die Gesamtauszahlungen selbst im Positiv-Szenario immer unter der Prospektprognose. Bei Fairvesta 1 würde der Prospekt nur um ein Prozent verfehlt, bei Fairvesta 5 schon um 24, bei Fairvesta 3 um 29 und bei Mercatus 6 zum Beispiel um 43 Prospekt. Wohlgemerkt gelten all diese Zahlen für ein Positiv-Szenario. Im neutralen Szenario, von der Dextro Group als Prognose angesetzt, reichen die Ergebnisse von -20 (Fairvesta 1) bis -53 Prozent (Mercatus 6) unter Plan. Im Negativ-Szenario werden Abweichungen nach unten von 44 Prozent (Fairvesta 1) bis 74 Prozent (Mercatus 11) errechnet.
Welche Ansprüche Anleger bei geschlossenen Fonds haben und wie sie ihr Geld retten können
Geschlossene Fonds müssen die Namen und Anschriften der übrigen Anleger gegenüber Gesellschaftern offenlegen, um einen Informationsaustausch zu gewährleisten. Dies entschied der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen (II ZR 187/09, II ZR 134/11). So können Anleger Mehrheiten für Beschlüsse auch gegen den Willen des Fondsgeschäftsführers organisieren.
Anleger haften bei einem als Kommanditgesellschaft konzipierten Fonds nur mit ihrer Einlage. Eine automatische Nachschusspflicht gibt es nicht. Ausnahme: Schüttet der Fonds unabhängig von Gewinnen aus, kann der Initiator dieses Geld zurückfordern. Dies gilt aber nur, wenn diese Ausschüttungen laut Gesellschaftsvertrag ausdrücklich als Darlehen gewährt werden (Bundesgerichtshof, II ZR 73 11, II ZR 74 11). Ohne diese Klausel, so entschieden die Richter, dürfen die Anleger die Ausschüttungen behalten oder zu Unrecht überwiesenes Geld zurückverlangen. Anders sieht es bei einem Fonds aus, der als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) konstruiert ist. Bei einer GbR haften die Gesellschafter auch mit ihrem gesamten Vermögen.
Initiatoren dürfen nicht eigenmächtig Immobilien oder Schiffe verkaufen – auch nicht bei einem Liquiditätsengpass. Sie brauchen dazu eine Mehrheit der Anleger. Wie groß der Anteil sein muss, steht im Gesellschaftervertrag. Vor einem Beschluss haben die Gesellschafter Anspruch auf Informationen über die aktuelle Geschäftsentwicklung. Zwei bis drei Jahre alte Geschäftsberichte sind keine ausreichende Entscheidungsgrundlage.
Wenn ein geschlossener Fonds kriselt, besteht gegenüber Beratern, Bank oder Fonds unter Umständen ein Anspruch auf Schadensersatz oder die Rückabwicklung des gesamten Geschäfts. Ansprüche können bestehen:
- wenn der Berater Provisionen gar nicht oder nicht detailliert genug offengelegt hat. Selbst wenn der Prospekt die Vergütung und deren Empfänger korrekt angibt, muss der Berater darüber aufklären;
- wenn der Fonds als risikoloses Investment für die Altersvorsorge beworben wurde, obwohl es sich um eine unternehmerische Beteiligung handelt, bei der Anleger ihren Einsatz verlieren können;
- wenn der Initiator zum Nachteil der Anleger Geschäfte mit eigenen Firmen gemacht hat. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Reederei Schiffe überteuert an hauseigene Fonds verkauft, ohne dass dies im Prospekt steht;
Des weiteren können Ansprüche auf Schadensersatz bestehen,
- wenn das Geld zweckentfremdet wurde. So sammelte beispielsweise die Commerzbank Geld für Medienfonds ein, das aber nur zu einem kleinen Teil in die Produktion von Spielfilmen floss;
- wenn der Prospekt falsche Angaben enthält, etwa über die Höhe der Kosten oder über unternehmerische Risiken;
- wenn von der Gesellschafterversammlung beschlossene Änderungen der Geschäftsgrundlagen juristisch angreifbar sind. Dazu gehören beispielsweise der zeitweise Verzicht auf Mieten oder die Verpflichtung, Geld in einen kriselnden Fonds nachzuschießen.
Ansprüche auf Schadensersatz gegen Vermittler, Fonds oder Bank verjähren nach drei Jahren. Die Frist läuft am Ende des Jahres an, in dem Anleger von der Falschberatung oder dem Prospektfehler hätten wissen müssen. Dieser Zeitpunkt kann je nach Einzelfall auch erst viele Jahre nach Vertragsschluss eingetreten sein. Nur wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz.
Anfangsverluste des Fonds lassen sich nur mit Gewinnen aus der geschlossenen Beteiligung verrechnen. Das Finanzamt akzeptiert allerdings nur Verluste bis zur Höhe der Einlage. Zweifelt das Finanzamt an der Gewinnerzielungsabsicht des Fonds, weil dieser nur Verluste produziert, muss der Anleger die Steuervorteile nachträglich zurückerstatten.
Ob solche Ergebnisse die Fairvesta-Anleger unbedingt beruhigen werden, ist eher fraglich. Die Dextro Group selbst schreibt, dass die Abweichungen zu den Prospektprognosen vor allem aus den "relativ optimistischen Annahmen der Anbieterin hinsichtlich der erreichbaren Handelsrenditen in Verbindung mit optimistisch angesetzten Haltedauervorgaben resultieren". Immerhin würde dies "zum Teil durch die konservative Prognose bezüglich der Mietrenditen kompensiert".
Die von der Dextro Group erstellten Prognosen beruhen auf der Annahme, dass die bereits verkauften Immobilien vom Typ her den noch gehaltenen Immobilien ähneln. Sollte Fairvesta in der Vergangenheit vor allem attraktive Immobilien, die eben schneller verkauft werden können, losgeschlagen haben, könnte sich diese Annahme in der Realität wohl kaum halten lassen.