Mit einem Streit um Zuständigkeit und Besetzung der Wirtschaftskammer hat vor dem Dresdner Landgericht der Prozess um den Betrugsskandal beim Finanzkonzern Infinus begonnen. Sechs Ex-Manager der größtenteils insolventen Firmengruppe müssen sich seit Montag wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs im besonders schweren Fall und Kapitalanlagebetrugs verantworten. Gegen einen von ihnen wird nur wegen Beihilfe verhandelt. Es geht um das Geld von knapp 22.000 Anlegern mit einem Anlagevolumen von rund 312 Millionen Euro. Laut Anklage haben die Finanzmanager mit ihrem weit verzweigten Firmengeflecht ein Schneeballsystem betrieben. Die Verteidigung von fünf der Beschuldigten wies den Vorwurf zurück.
Die sechs Angeklagten waren Anfang November 2013 nach monatelangen Ermittlungen festgenommen worden. Ein heute 48-Jähriger war nach umfangreicher Aussage bei der Staatsanwaltschaft bereits Anfang 2014 aus der Untersuchungshaft freigekommen.
Chronik des Infinus-Skandals
Einst warb die Dresdner Infinus-Finanzgruppe mit hohen Renditen und großer Seriosität das Geld Zehntausender Anleger ein. Die Konzernmutter Future Business KGaA (Fubus) wurde 2000 von einem Dresdner Unternehmer gegründet. Zunächst konzentriert sich das Geschäft auf den Erwerb und die Verwertung von Kapitallebensversicherungen. Später wurden über 20 Beteiligungen vorgenommen und Tochterfirmen gegründet.
Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) geben der Dresdner Staatsanwaltschaft einen Hinweis auf Unregelmäßigkeiten. Die Ermittlungen beginnen.
Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Dresden kommt es bundesweit zu Durchsuchungen wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs, des Betruges und der Bilanzfälschung. Sechs Manager werden festgenommen, darunter der damals 52-jährige Konzerngründer. Vermögenswerte werden sichergestellt.
Eine Sprecherin des Amtsgerichts Dresden bestätigt, dass vier Unternehmen aus dem Infinus-Firmengeflecht Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens gestellt haben, darunter auch der Fubus-Mutterkonzern.
Das Insolvenzverfahren gegen die Fubus wird eröffnet. Zunächst geht der Insolvenzverwalter von Gläubigerforderungen in Höhe von einer Milliarde Euro aus. Rund 40.000 Anleger sollen betroffen sein. Inzwischen vermutet die Staatsanwaltschaft sogar, dass seit 2001 insgesamt rund 54.000 Anleger etwa 2,1 Milliarden Euro bei Infinus investierten.
Vor dem Landgericht Leipzig beginnt ein erster Schadenersatzprozess. Ein Anleger, der Schuldverschreibungen für 75.000 Euro gezeichnet hatte, verlangt Schadenersatz.
Vor dem Dresdner Landgericht beginnt der Strafprozess gegen den Firmengründer und weitere Manager. Laut Anklage haben sie ein sogenanntes Schneeballsystem betrieben. Im Prozess geht es zunächst um etwa 22.000 Anleger, die sich um rund 312 Millionen Euro betrogen sehen.
Schon vor Verlesung der Anklage stellte die Verteidigung Anträge auf Rügen wegen der Zusammensetzung des Gerichts. Sie wurden vom Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats allerdings zunächst nicht zugelassen. Weder die Übernahme des Falls durch die 5. Strafkammer noch die Zuteilung eines beisitzenden sowie eines Ergänzungsrichters zu der Kammer genügten den gesetzlichen Anforderungen, führte Verteidiger Ulf Israel nach Verlesung der Anklage aus. Er vertritt den hauptbeschuldigten Gründer des Infinus-Mutterkonzerns Future Business (Fubus), einen 54 Jahre alten Dresdner.
Der Fall sei der Kammer erst durch eine Vielzahl von Änderungen des sogenannten Geschäftsverteilungsplans zugespielt worden. Auch die Zuweisung des beisitzenden Richters Alex Theile sei „willkürlich und manipulativ“ erfolgt, so Israel weiter. Desweiteren hätte der Ersatzrichter, der frühere AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Dreher, der Kammer nicht zugeteilt werden dürfen.
Die Staatsanwaltschaft bezeichnete die Vorwürfe als unbegründet. Nach mehreren Verhandlungsunterbrechungen wies der Vorsitzende Schlüter-Staats den Antrag am Abend schließlich ab.
Über einen Antrag der Verteidiger des nur der Beihilfe Beschuldigten auf Aussetzung des Verfahrens wurde zunächst noch nicht entschieden. Sie hatten geltend gemacht, dass das umfangreich beschlagnahmte Datenmaterial noch nicht ausreichend ausgewertet sei. Deshalb sei zu erwarten, dass weitere Beweismittel erst im Laufe der Hauptverhandlung eingebracht würden. Ein faires Verfahren sei so nicht möglich.
In der Anklage wird den Beschuldigten vorgeworfen, Anlegern bei sogenannten Orderschuldverschreibungen und Nachrangdarlehen hohe Renditeversprechen gegeben zu haben. Um diese bedienen zu können, seien Erlöse vorgegeben worden, die auf Luftgeschäften innerhalb des Konzerns basierten. So seien etwa großvolumige Versicherungen abgeschlossen worden, nur um Provisionen zu kassieren.
Dies sei den Angeklagten spätestens seit 2011 auch klar gewesen. „Auch war allen Angeklagten bewusst, dass sich diese Spirale immer weiterdrehen muss“, sagte Staatsanwalt Arnulf Berner. Den Anlegern sei allein im von der Klage betrachteten Zeitraum zwischen Januar 2011 und November 2013 ein Mindestschaden in Höhe von fast 156 Millionen Euro entstanden.
Insgesamt dürfte der Schaden erheblich höher liegen. Laut dem Insolvenzverwalter der Fubus, Bruno Kübler, wurden Gläubigerforderungen in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro angemeldet.
Die Verteidiger sprachen dagegen von einem „tragfähigen Geschäftsmodell“ der Infinus-Gruppe und kündigten an, den Vorwurf des Schneeballsystems im Prozess zu widerlegen. Die Insolvenz der Unternehmen sei erst mit den Durchsuchungen und der Inhaftierung der Manager durch die Staatsanwaltschaft herbeigeführt worden.