Insolvenz angemeldet Der Traum der Prokon-Anleger ist zerplatzt

Die Befürchtungen vieler Anleger sind wahr geworden, Prokon musste Insolvenz anmelden. Der Insolvenzverwalter will den Geschäftsbetrieb aber zunächst fortführen. Was als nächstes passiert, welche Rechte Anleger haben.

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Das Logo des Itzehoer Unternehmens. Quelle: Marcel Stahn

Worüber in den vergangenen Tagen nur spekuliert wurde, ist nun Gewissheit. Das umstrittene Windanlage-Unternehmen Prokon hat Insolvenz angemeldet. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte das zuständige Insolvenzgericht in Itzehoe heute den erfahrenen Verwalter Dietmar Penzlin, Namenspartner der Hamburger Kanzlei Schmidt-Jortzig Petersen Penzlin. Das geht aus den Insolvenzbekanntmachungen der Justizbehörden hervor, berichtet die WirtschaftsWoche.

In einer ersten Erklärung kündigte Penzlin an, den Geschäftsbetrieb zunächst fortzuführen und in einem Gutachten die Frage zu klären, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Zuletzt wurde diskutiert, ob Anlegerforderungen insolvenzrechtlich überhaupt relevant sind. Explizit weist Penzlin darauf hin, dass es je nach Ausgang seiner Prüfung auch möglich sei, dass das Verfahren nicht eröffnet wird.

Die Ausgabe neue Genussscheine legt der Verwalter jedoch vorerst auf Eis. Die Anleger sollen laut Penzlin demnächst „in einem Rundbrief über den Status des Insolvenzeröffnungsverfahrens unterrichtet werden. Rückzahlungen von Genussscheinkapital oder Zinsen sind insolvenzbedingt derzeit nicht möglich“.

Auch Prokon selber räumt auf seiner Internetseite ein, den Insolvenzantrag gestellt zu haben. "Das bedeutet allerdings keineswegs das Aus für PROKON", schreibt das Unternehmen. Der Antrag müsse zunächst auf seine Zulässigkeit geprüft werden, was einige Monate dauern könne. Kurz nachdem die Nachricht der Insolvenz bekannt wurde, war die Prokon-Homepage aufgrund des großen Ansturms nicht mehr erreichbar.

Der Ökospezialist aus Itzehoe hat bei 74.832 Anlegern knapp 1,4 Milliarden Euro in Form von Genussrechten eingesammelt, die er unter anderem in Windparks investiert. Die Zeichner erhielten hierfür in den vergangenen Jahren bis zu acht Prozent Zinsen, obwohl Prokon mit seinen Unternehmen operativ so viel gar nicht erwirtschaftet hat. Die WirtschaftsWoche hatte Anlegern deshalb davon abgeraten, in die Genussrechte des Unternehmens zu investieren. Interne Dokumente legten nah, dass Prokon die Zinsen der Anleger nicht aus dem Ergebnis, sondern aus frisch aufgenommenem Kapital bezahlte.

In den letzten Wochen war die Luft für Prokon immer dünner geworden. Viele Anleger wurden unruhig, als Prokon kürzlich bekannt gab, 2012 einen satten Verlust von 171 Millionen Euro eingefahren zu haben. Daraufhin kündigten viele Inhaber der Genussrechte panisch ihre Verträge. Weil zu viele Anleger das Weite suchten, setzte Prokon den Inhabern von Genussrechten Mitte Januar die Pistole auf die Brust. Wenn nicht 95 Prozent der Anleger ihr Geld im Unternehmen beließen, drohe die Pleite. Zuletzt hatten Anleger laut Prokon aber bereits Genussrechte im Wert von fast 110 Millionen Euro gekündigt. Bei einem Gesamtvolumen von 1,4 Milliarden Euro waren das rund 7,8 Prozent, also mehr als die fünf Prozent, die maximal gekündigt werden dürften. Die Itzehoer sahen sich offensichtlich dazu gezwungen, den Antrag auf Insolvenz zu stellen.

Die Rechte der Anleger

Wo Anleger am grauen Kapitalmarkt investierten
Ab aufs RevierInfinusDie sogar von der BaFin kontrollierte Infinus vertickte über Töchter Hochzinsanleihen. Nach der Razzia in Dresden kamen die Insolvenzen. Quelle: dpa
Windparks in NotProkon75.298 Anleger haben Geld bei Prokon investiert. Knapp acht Prozent von ihnen haben bisher gekündigt. 1.400 Millionen stehen jetzt auf dem Spiel. Wenden sich die Anleger ab, droht ein Notverkauf der Windräder. Quelle: dpa
Diese Jungs lassen's krachenS&KFonds sollen von den partywütigen S&K-Chefs Schäfer und Köller geplündert worden sein. Sie sitzen in U-Haft, Immobilienfonds sind pleite. Quelle: dpa
Unappetitliche InvestmentsDima24Dima24-Macher Malte Hartwieg (rechts) hat ein Vertriebs- und Fondskonglomerat aufgebaut, doch es gibt bei mehreren Fonds Probleme. Quelle: dpa Picture-Alliance
Häuslich eingerichtetFairvestaImmobilienhändler Fairvesta (Foto: Zentrale in Tübingen) kauft mit Anlegergeld Häuser, angeblich zu Schnäppchenpreisen. Quelle: Jörg Jäger für WirtschaftsWoche
Immer VollgasProsperia AGSlobodan Cvetkovic ist Chef des Fondsanbieters Prosperia AG und Miteigentümer des Autorennstalls Prosperia Abt Racing. Quelle: Screenshot
Schmieriges GeschäftProven Oil CanadaProven Oil Canada hat von 11.000 Anlegern 300 Millionen Euro für Ölinvestitionen eingesammelt, zahlt aber nicht mehr wie geplant aus. Quelle: dpa

Die Genussrechte, in die Anleger bei Prokon investiert haben, sind ein Mix aus Aktien und Anleihen - eine Finanzierungsform am grauen Kapitalmarkt. Im Gegensatz zu Börsen ist der nicht reguliert, dass heißt Anleger haben in der Regel kaum Rechte gegenüber dem ausgebenden Unternehmen. Auch Genussscheine gelten als intransparent und hochriskant. Schon vor bekanntwerden der Pleite forderten Politiker mehr Aufsicht in diesem Bereich. „Wo Verbraucher sich nicht selbst schützen können oder überfordert sind, muss der Staat Schutz und Vorsorge bieten“, lässt sich etwa Bundesjustizminister Heiko Maas zitieren. Es sei „ein wichtiger Schritt, dass die BaFin den kollektiven Schutz der Verbraucher als wichtiges Ziel ihrer Aufsichtstätigkeit erhält“.

Ob Anleger im Fall Prokon mit Geld rechnen können, hängt von vielen Faktoren ab, die Chancen halten sich aber in Grenzen. Möglicherweise wird wichtig sein, zu welchen Preisen die von Prokon gebauten Windräder verkauft werden können. Zudem stehen Inhaber von Genussrechten in der Gläubigerschlange hinter Banken oder Sozialkassen.

Retten, was zu retten ist

Angesichts Prokons Drohung an die Anleger befürchten Anwälte leere Kassen. Umso mehr wird es auf die Arbeit von Insolvenzverwalter Penzlin ankommen. Seine Aufgabe ist es nun, für die Gläubiger des Unternehmens zu retten, was zu retten ist – eine gewaltige Aufgabe. Die mehr als 75.000 Anleger müssen nun informiert werden, Penzlin muss die vorhandenen Unternehmenswerte bewerten und anschließend vermutlich veräußern. Ob die Anleger davon etwas sehen werden, ist indes fraglich.

Eine der Kernfragen, die Penzlin zunächst prüfen muss, ist, inwieweit die Genussrechtsforderungen nachrangig sind, also Anlegerforderungen erst dann bedient werden, wenn alle anderen Gläubiger ihr Geld bekommen haben.  In der Insolvenzszene gilt Penzlin zwar als „profilierter Verwalter im Norden“, ist bislang aber nicht mit der Abwicklung bundesweit prominenter Großverfahren in Erscheinung getreten. Penzlin hatte die Kanzlei gemeinsam mit seinen Partnern Mitte 2007 gegründet. Als Berater unterstützt der ehemalige Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig die Sozietät.

Zuvor arbeitete Penzlin in der Insolvenzabteilung der Großkanzlei White & Case mit renommierten Verwaltern wie Sven-Holger Undritz zusammen.

Zu den größeren Fällen, die Penzlin zuletzt betreut hat, gehört etwa die Insolvenz der Hamburger Firma Navelar, Betreiberin des Hotel-Vermittlungsportal clever-hotels.com. Auch bei einer weiteren Insolvenz in der Windenergiebranche ist Penzlin im Einsatz – wenn auch in anderer Funktion. Bei der N.prior energy, vormals Prokon Nord, ist Penzlin Vertreter der Anleihegläubiger. Das Unternehmen war zuvor unter dem Namen Prokon Nord Energiesysteme bekannt und wurde vom ehemaligen Prokon-Gesellschafter Ingo de Buhr gegründet. Insolvenzverwalter von N.Prior ist der Jurist Stefan Denkhaus von der Hamburger Kanzlei BRL Boege Rohde Lübbehuesen. Die Kooperation im N.Prior-Verfahren lief offenbar reibungslos: Auch bei Prokon soll Penzlin inzwischen eng mit einem BRL-Team um Denkhaus zusammen arbeiten.

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