Intelligent investieren

Die blockierte Zinswende

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Bewährte Prinzipien

Der Zins ist daher kein Phänomen des freien Marktes mehr, sondern er ist zu einem „Politikum“ geworden. Und wenn der politische Wunsch, den Zins niedrig zu halten, auf die geldpolitische Macht stößt, den Zins niedrig halten zu können, so ist es sehr wahrscheinlich, dass der Zins niedrig bleibt. Damit kommt es nicht zu einer ungewollten Zinswende – die sich die Volkswirtschaften im Grunde auch gar nicht mehr leisten können. Die Zentralbanken – die machtvollen Monopolproduzenten des Geldes – schleusen den Marktzins auf das politisch gewünschte Niveau.

Die Finanzmarktakteure scheinen darauf zu setzen – und keineswegs unbegründet –, dass die Zentralbanken die Zinsen nicht allzu stark anheben werden; dass sie die Zinsen im Fall der Fälle rasch auf oder unter die Nulllinie zwingen und auch Schulden im großen Stile monetisieren werden. Eine solche Geldpolitik schließt zwar Preisrücksetzer auf den Vermögensmärkten nicht aus, wohl aber ein endgültiges Ende der chronischen Güterpreis- beziehungsweise Vermögenspreisinflation, für die die Zentralbanken in den letzten Jahrzehnten gesorgt haben.

Was heißt das für den Investor? Er ist gut beraten, weiterhin an drei bewährten Prinzipien festzuhalten.

Erstens: Als Investor sollte er sich grundsätzlich auf einen langfristigen Investitionshorizont festlegen (von fünf Jahren und mehr). Angesichts des Auf und Ab der Börsenkurse schützt das vor unüberlegten Handlungen, die einem bekanntlich teuer zu stehen kommen können – indem beispielsweise zu früh verkauft und zu spät gekauft wird.

Zweitens: Weiter unbeirrt in Aktien von „großartigen Unternehmen“ investieren – in Aktien von Unternehmen, die sich durch Wettbewerbsvorteile auszeichnen, und die auch unter schwierigen wirtschaftlichen und monetären Bedingungen nicht aus dem Markt ausscheiden. Sie eröffnen die Möglichkeit, langfristig eine positive Rendite auf das eingesetzte Kapital nach Abzug der Inflation erzielen zu können.

Drittens: Sicherstellen, dass man nicht zu teuer kauft. Denn selbst das beste Unternehmen ist dann keine gute Investition. Der Abstand zwischen dem Wert des Unternehmens (das ist der Barwert aller abgezinsten künftigen Unternehmensgewinne) und dem Preis (Börsenkurs), den man zahlt, muss groß genug ausfallen; die „Sicherheitsmarge“, die das Risiko eines Kapitalverlustes vermindert, muss ausreichend hoch sein.

Niedriger Zins, hohe Bewertungen

An dieser Stelle kommt auch der Zins – und das Szenario der blockierten Zinswende – ins Spiel. Mit ihm werden die künftigen Unternehmensgewinne abdiskontiert, und damit beeinflusst der Zins unmittelbar die Bewertung der Aktien.

Doch welchen Zins soll man verwenden? Antwort: Es kommt auf die Opportunität des Investors an. Wenn er die Alternative hat, sein Geld mit zehn Prozent zu investieren, sollte er sich beim Abzinsen der erwarteten Unternehmensgewinne auch an dieser Rate orientieren.

Der Investor sollte allerdings nicht die gegenwärtige, sondern die künftige, die im Investitionszeitraum zu erwartende Opportunität ins Auge fassen. Wer meint, die Zinsen im Fiat-Geldsystem werden tatsächlich von den Zentralbanken in den kommenden zehn Jahren noch näher in Richtung Nulllinie geschoben, der hätte Grund, mit einem Langfristzins von weniger als 2,6 Prozent – dem Durchschnitt der Jahresrendite für zehnjährige US-Staatsanleihen in der letzten Dekade – zu rechnen.

In einem solchen Fall würden natürlich auch andere Renditemöglichkeiten, die die Opportunitäten des Investor ausmachen, fallen – beziehungsweise auf dem Weg dorthin würden die Preise für zum Beispiel Aktien weiter in die Höhe befördert. Steigende Bewertungsniveaus für Aktien, getrieben durch steigende Kurse, sind also im weltweit entfesselten Fiat-Geldsystem bis auf weiteres ein Szenario, mit dem sich der umsichtige Investor verstärkt auseinandersetzen sollte.

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