Intelligent investieren
Boom-und-Bust-Zyklen Quelle: Getty Images

Der beste Krisenschutz: Langfristig anlegen

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

In Zeiten, in denen die Boom-und-Bust-Zyklen an Intensität gewinnen, sollte sich eine „Langfristorientierung“ beim Investieren auszahlen. Warum das sowohl für passive wie auch für aktive Investments gilt.

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Der US-Aktienmarkt befindet sich bereits im neunten Hausse-Jahr: Von März 2009 bis heute hat er insgesamt um 407 Prozent zugelegt, im Durchschnitt also etwa 18 Prozent pro Jahr (unter Berücksichtigung von Dividenden). Wie lange kann die Aufwärtsbewegung noch weitergehen? Eine berechtigte, eine drängende Frage: Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte lehrt, dass der langfristige Aufwärtstrend der Aktienmärkte immer wieder durch mitunter sehr heftige Gegenbewegungen unterbrochen wurde.

So bescherte beispielsweise das Platzen des “New-Economy-Boom” den Aktionären von April 2000 bis März 2003 Kursverluste in Höhe von 45 Prozent. In der globalen Kreditkrise belief sich der Verlust von Oktober 2007 bis März 2009 sogar auf 55 Prozent. An Versuchen, die Auslöser von solchen Baisse-Phasen zu benennen, mangelt es nicht. Mal sind es Ungereimtheiten in den Unternehmensbilanzen, mal Spekulationswellen und ungezähmte Gier der Investoren, mal unverantwortliche Praktiken der Kreditmarktakteure.

All diese Phänomene hat es in der Börsengeschichte zwar immer wieder gegeben. Jedoch handelte es sich hier in der Regel letztlich nur um Symptome einer tieferliegenden Ursache, die meist übersehen oder gar geflissentlich übersehen wird: Die Zentralbankpolitik ist die eigentliche Krisenursache. Genauer gesagt: Es ist die Verfassung des heutigen Geldsystems, eines ungedecktes Papiergeldsystems, das sich auch treffend als Fiat-Geldsystem bezeichnen lässt (fiat vom Lateinischen „So sei es“; Fiat-Geld ist also Zwangsgeld).

von Malte Fischer, Bert Losse, Kristina Antonia Schäfer, Cornelius Welp

Die Zentralbanken haben das Monopol für die Fiat-Geldproduktion. Sie weiten – in engster Kooperation mit den Geschäftsbanken – die Geldmenge per Kredit aus dem Nichts aus. Ein solches Vermehren der Kredit- und Geldmengen setzt zwar zunächst einen künstlichen Konjunkturaufschwung („Boom“) in Gang. Doch dieser Boom steht auf tönernen Füßen. Er muss früher oder später in einen Konjunkturabschwung („Bust“) umschlagen. Das liegt daran, dass die Kredit- und Geldschaffung der Zentralbanken für Ungleichgewichte sorgt.

Das neue Geld wird über die Kreditmärkte in die Volkswirtschaften eingespeist. Das zusätzliche Kreditangebot senkt die Marktzinsen künstlich ab. Das Sparen geht zurück, und Konsum und Investitionen, die vor allem auch auf Pump finanziert werden, ziehen an. Die künstlich niedrigen Marktzinsen verleiten die Konsumenten zu „Überkonsum” und die Unternehmer zu “Fehlinvestitionen”. Vor allem letztere bemerken früher oder später, dass die erhofften Investitionserträge ausbleiben.

Boom und Bust

Daraufhin werden angefangene Investitionen liquidiert, und Arbeitsplätze werden gestrichen, und es kommt zur Rezession. Sie bringt, wenn man ihr freien Lauf gibt, die volkswirtschaftliche Produktions- und Beschäftigungsstruktur zwar zurück ins Gleichgewicht. Doch die Begleiterscheinungen – schrumpfende Einkommen und Arbeitslosigkeit – sind politisch unliebsam. Daher werden die Zentralbanken aufgerufen, den drohenden Bust zu „bekämpfen: die Zinsen noch weiter abzusenken und das Kredit- und Geldmengenwachstum in Schwung zu halten.

Nicht selten gelingt der Trick, und die Volkswirtschaften schwenken auf einen neuen Boom ein – was Wirtschaft, Finanzwelt, Politik und Gewerkschaften regelmäßig bejubeln. Übersehen wird dabei jedoch eines: Die Ungleichgewichte, die die Krise ausgelöst haben, werden durch die Geldpolitik nicht aus der Welt geschaffen. Sie werden in erster Linie übertüncht, und meist werden die Probleme dadurch sogar noch größer – so dass der nächste drohende Bust um so dramatischer ausfällt.

Das ist empirisch recht gut beobachtbar. So nahm sich beispielsweise die Asienkrise 1997/1998 und die Russlandkrise 1998 noch vergleichsweise harmlos aus verglichen mit der Krise, die dem Platzen des New-Economy-Booms 2000/2001 nachfolgte. Und Letztere verblasste geradezu gegenüber der furchterregenden Wucht der internationalen Kreditkrise 2008/2009. Diese „Dramatisierung der Krisen“ ist kein Zufall, sie lässt sich vielmehr systematisch zurückführen auf die Dysfunktionen des Fiat-Geldsystems.

Das heißt allerdings nicht, dass sich das zeitliche Umkippen des heutigen Booms in einen Bust – auf wissenschaftlich abgesichertem Wege – prognostizieren ließe. Das ist leider nicht möglich. Auch wenn sich immer wieder Stimmen melden und zum Beispiel verkünden “2019 kommt der große Crash”. Denn es kann durchaus sein, dass ein Boom – angeheizt durch künstlich herbeigeführte Niedrigzinsen und anschwellende Kredit- und Geldmengen – länger andauert, als man vielleicht vermuten könnte.

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