30.000-Dollar-Marke gerissen Bitcoin im freien Fall: Endet jetzt die Ära der Kryptowährungen?

Massiver Kurssrutsch am Kryptomarkt: Bitcoin und Co. haben seit Jahresbeginn gut ein Drittel an Wert verloren. Quelle: REUTERS

Die Unsicherheiten an den Märkten treffen auch Kryptowährungen mit voller Wucht. Die Kurse von Bitcoin und Co. geben immer weiter nach. Anleger müssen sich auf schwierige Zeiten einstellen.

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Im Vergleich zum Bitcoin können sich Dax-Anleger mit ihren Verlusten seit Jahresbeginn noch glücklich schätzen. Bei Kryptowährungen setzt sich der Ausverkauf vom Wochenbeginn fort. Seit Anfang Januar verlor die älteste und wichtigste Kryptowährung gut ein Drittel ihres Wertes. Zuletzt notierte der Bitcoin bei 26.650 Dollar. Das ist der niedrigste Stand seit Dezember 2020. Die zweitgrößte Kryptowährung Ether rutschte auf unter 2000 Dollar (etwa 1800 Dollar).

Bei anderen Digitalwährungen sieht es keinesfalls besser aus. Die Analyseplattform Coinmarketcap beziffert den Börsenwert aller Kryptowährungen auf zuletzt 1,15 Billionen Euro. Damit büßte der Sektor seit November vergangenen Jahres, als der Bitcoin sein bisheriges Rekordhoch bei fast 69.000 Dollar erreichte, deutlich mehr als die Hälfte an Wert ein. Daten des Analysehauses Glassnode zeigen, dass fast 40 Prozent der Krypto-Anleger mit Bitcoin und Co. derzeit im Minus liegen.

„Es herrscht die absolute Ausverkaufsstimmung am Markt. Es droht weiterhin ein gnadenloser Abverkauf“, sagt Timo Emden vom gleichnamigen Research-Institut Emden Research. Anleger stünden nun vor der schwierigen Entscheidung, ihre Verluste auszusitzen oder in letzter Sekunde ihre Buchgewinne mitzunehmen.

Krypto-Anleger sind heftige Kursschwankungen durchaus gewohnt. Jetzt bricht an den Finanzmärkten aber eine Phase an, die für Bitcoin und Co. neu ist. Anleger müssen sich auf schwierige Zeiten einstellen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum stürzen Kryptowährungen gerade so stark ab?

An den Finanzmärkten herrscht derzeit allgemein große Verunsicherung. Das liegt vor allen an der beginnenden Zinswende. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte bereits im Januar ihren Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik angekündigt.

Anfang Mai hob die Fed den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte an., auf 0,75 bis 1 Prozent. Das war die stärkste Anhebung seit 22 Jahren. Mit der Zinserhöhung will die Fed die hohe Inflation dämpfen. Der Krieg in der Ukraine hat wichtige Rohstoffe weiter verknappt und zu deutlichen Preisanstiegen geführt.

Was hat der Zinsanstieg mit Kryptowährungen zu tun?

Wenn die Zinsen steigen, schichten Anleger ihr Kapital um. Sie trennen sich nach und nach von risikoreichen Assets wie Kryptowährungen und setzen vermehrt auf sicherere Anlagen wie beispielsweise Anleihen. Schon im Januar, als die Fed erste Signale für die bevorstehende Zinswende abgab, brach der Kryptomarkt massiv ein. In den Folgewochen erholten sich die Kurse zwar leicht, konnten wegen der anhaltenden Zinssorgen aber dieses Niveau nicht halten.

Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt

Befürworter von Kryptowährungen argumentieren, dass Bitcoin das digitale Pendant zu Gold sei. Tatsächlich gibt es einige Gemeinsamkeiten. Beide Assets produzieren nichts und werfen weder Zinsen noch Dividenden ab. Außerdem verbindet sie das Prinzip der Knappheit, von dem sich Anleger Kurssteigerungen erhoffen. Das Goldangebot ist qua physischem Vorkommen begrenzt, die Coin-Menge ist mittels Bitcoin-Code limitiert.

Dennoch: Die noch junge Historie von Kryptowährungen hat gezeigt, dass ihre Wertentwicklung in Wirklichkeit mit der Performance von Techaktien korreliert. Sinken die Kurse von Techaktien, sinkt auch der Bitcoin-Kurs.

Trifft es alle Kryptowährungen gleichermaßen?

Die allermeisten Kryptowährungen haben innerhalb der vergangenen sieben Tage etwa ein Fünftel an Wert verloren. Besonders hohe Verluste verbuchte der Terra-Coin LUNA. Er büßte in dem Zeitraum sogar fast 95 Prozent an Wert ein. Hintergrund ist der zeitweise Zusammenbruch des Stablecoins TerraUSD (UST), der zum Terra-Ökoystem gehört. Zwischenzeitlich hatten Kryptobörsen wie Binance den Handel mit Terra und TerraUSD ausgesetzt.

Stablecoins sind Kryptowährungen, die eins zu eins mit einer klassischen Währung wie dem Dollar gesichert sind. Das soll Wertschwankungen wie beim Bitcoin verhindern. TerraUSD jedoch verlor im Zuge des Krypto-Ausverkaufs seine Bindung an den Dollar. Zuletzt notierte er bei 0,31 Dollar.

Sind Kryptowährungen nur eine riesige Spekulation?

Es kommt drauf an, wen man fragt. Starinvestor Warren Buffett beispielsweise hält nichts vom Bitcoin. Der Wert der Digitalwährung steige nur, weil jemand anders bereit ist, mehr dafür auszugeben, sagt er. Bitcoin und Co. produzieren schließlich nichts und schaffen selbst keine Werte.

von Martin Gerth, Matthias Hohensee

Anleger hingegen schreiben dem Bitcoin vor allem die Funktion des Geldspeichers zu. Besonders Kryptowährungen der zweiten und dritten Reihe aber haben einen realen Verwendungszweck. Ether ist die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Damit lassen sich nicht nur Vermögenswerte transferieren, sondern auch weitere Applikationen nutzen, die auf sogenannten Smart Contracts beruhen. Auch die Solana- und Cardano-Blockchain werden für Smart Contracts genutzt.

Das sind digitale Verträge, die unter bestimmten, zuvor definierten Kritikern selbstständig ausgeführt werden. Smart Contracts finden vor allem in der Finanzbranche Anwendung. Banken beispielsweise können so ihre Geschäftsprozesse beschleunigen.

Ist das der Anfang vom Ende der Kryptowährungen?

Bitcoin und Co. befinden sich in einer Schwächephase. Wenn die Zinsen langfristig steigen – wovon auszugehen ist – wird es für Kryptowährungen ungemütlicher. Ein steigendes Zinsniveau ist für sie eine völlig neue Situation.

Aktuell taumelt der Bitcoin um die Marke von 30.000 Dollar. Diese Marke ist eine wichtige Unterstützung für den Kurs. Außerdem haben sich viele Anleger dort eine Stop-Loss-Order gesetzt. Fällt der Kurs unter diesen Stand, reduzieren sie ihre Position, um Verluste zu begrenzen. Ob es weiter bergab steht, kann niemand mit Sicherheit sagen.

Auch wenn die Rahmenbedingungen neu für den Bitcoin sind: Das Ende der Kryptowährungen wird sicher nicht eintreten. Kryptowährungen haben sich im Mainstream der Geldanlage etabliert. Auch institutionelle Investoren setzen auf Digitalwährungen.



In der Vergangenheit hat der Bitcoin schon mehrmals massiv an Wert verloren: 2018 beispielsweise rutschte der Kurs von etwa 19.000 Dollar auf unter 10.000 Dollar ab. Bei Bitcoin-Jüngern ist diese Periode als Krypto-Winter in Erinnerung geblieben. Es dauerte drei Jahre, bis der Bitcoin nach dem Corona-Crash letztlich zu einer fulminanten Rally ansetzte.

Wo stehen die Kurse von Bitcoin und Ether zum Jahresende?

Das weiß niemand. Immer wieder geben zwar Analysten und vermeintliche Krypto-Experten Einschätzungen, wie sich der Kurs demnächst entwickelt. Die US-Großbank Goldman Sachs prognostizierte im Januar noch, dass der Bitcoin im Jahresverlauf auf 100.000 Dollar steigen wird. Bislang liegen die Analysten mit der optimistischen Einschätzung ziemlich daneben. Seriöse Prognosen über die Entwicklung der Krypto-Kurse kann schlicht niemand geben.

Bieten Kryptowährungen Schutz vor Inflation?

Nicht wirklich. Krypto-Anhänger haben den Bitcoin zwar stets als Inflationsschutz stilisiert. Begründet haben sie das mit dem deflationären Charakter des Bitcoin, wegen des strikt limitierten Angebots an Coins. Doch wirkliche Inflationserfahrung sammelt er erst jetzt – und zeigt, dass er nicht als Krisenwährung taugt.

Die Inflationsrate im Euroraum lag zuletzt bei 7,4 Prozent, in den USA bei 8,5 Prozent. Gold (in Euro) konnte die Teuerung mit einem Preisplus von 8,5 Prozent seit Jahresbeginn kompensieren. Zuletzt notierte der Preis für das Edelmetall bei 1745 Euro pro Feinunze (31,1 Gramm). Der Bitcoin hingegen taugte im gleichen Zeitraum nicht zum Erhalt der Kaufkraft.

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