„Kauft Wärmepumpen-Aktien!“
Eine Wärmepumpe der Firma Vaillant. Quelle: dpa

Warum Schlachtrufe eines Wärmepumpen-Booms für Anleger trügerisch sind

Wenn jeder über einen Trend spricht, ist der Börsenzug in der Regel längst abgefahren. Warum das auch beim Hype um die Wärmepumpe so ist – und worauf Anleger stattdessen achten sollten, beschriebt Christian Röhl in seiner neuen Kolumne.

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Während alle Welt über ChatGPT und Künstliche Intelligenz spricht, wird Deutschland im wahrsten Wortsinn elektrisiert von einem umgekehrten Kühlschrank, der die grüne Heizung und das Mega-Business der Zukunft sein soll. Und die Frage ist nicht nur, ob Deutschland sich mal wieder einseitig auf eine Technologie stürzt, wie zuvor beim Gas. Die Frage ist auch, wie man sich nicht nur als Hausbesitzer, sondern als Anleger darauf einstellt. Der Markt ist seit dem Verkauf des Heizungsbauers Viessmann an den US-Klimatechnikkonzern Carrier ja mächtig in Bewegung.

Vorab: Mir geht der Wärmepumpen-Wahn auf den Geist. Ich bin sicher kein Heizungsexperte, aber eine einzige Technologie dermaßen zum Allheilmittel für alle Klima-Energie-Probleme zu stilisieren – das widerstrebt meinem Hang zur Streuung, zur Diversifikation. Mal ganz abgesehen davon, dass die Politik es wieder einmal nicht schafft, das Thema „Heizungsmodernisierung“ mit einem glaubwürdigen Narrativ zu unterlegen, das breite Teile der Bevölkerung „mitnimmt“.

Wärmepumpen-Aktien sind kein Geheimtipp

Was mich vor allem stört, sind Artikel und Videos vom Schlage „Mit diesen Aktien profitieren Sie vom Wärmepumpen-Boom“. Als wenn das jetzt der ultimative Geheimtipp wäre, noch schnell Aktien von Wärmepumpenherstellern zu kaufen, bevor Robert Habeck das große Förderfüllhorn ausgepackt und wir alle unsere Öl- und Gasheizungen gegen Wärmepumpen austauschen. Das ist eine Regel für Anleger: Wenn jeder über einen Boom spricht, dann ist der Börsenzug längst abgefahren. Man sollte sich von solchen Schlachtrufen nicht hinreißen lassen, und jeden Markt – ob er nun von einer alten oder neuen Technologie beherrscht oder disruptiert wird, mit kühlem Kopf anschauen. Bloß nicht einem Trend hinterherjagen.

Über den Autor

Drei Punkte sind aus meiner Sicht mit Blick auf den Markt der Wärmepumpen wichtig:

Erstens: Klar ist, dass Wärmepumpen– nicht nur in Deutschland, sondern international – ein Zukunfts- und Wachstumsmarkt. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors. In allen globalen Referenzstudien, unter dem Netto-Null-Szenario der Internationalen Energieagentur, stehen Wärmepumpen im Zentrum. Die Menschheit installiert derzeit etwa 1,5 Millionen Wärmepumpen pro Monat in einzelne Gebäude, bis 2030 müssen es laut dem Szenario fünf Millionen sein.



Das heißt: Auch andere Länder installieren massenweise Wärmepumpen. Sie stellen sich aber nicht so kompliziert an wie Deutschland.

Wichtig aber ist eines zu wissen: Wir reden nicht über eine Hochtechnologie, keine Rocket Science. Der Markt hängt im Gegensatz zur Elektromobilität oder der Photovoltaik nicht von umkämpften Rohstoffen ab. Der „Burggraben“ erscheint mir gering. Schon jetzt bauen Unternehmen ihre Produktionskapazitäten auf und aus, so dass irgendwann ausreichend Geräte vorhanden sind und die Margen sinken könnten. Abgesehen vom Bottleneck der Installation – wir brauchen Fachkräfte, um diese Wärmepumpen zu installieren– bleibt die Frage, inwieweit der Nachfrageboom unterm Strich in den Bilanzen der Hersteller ankommt.

Zweitens: Die Wärmepumpe ist nur ein Teil eines größeren Themas, nämlich der Klimatechnik allgemein. Sowohl extremere Wetterverhältnisse – heißere Sommer, kältere Winter – als auch die grüne Transformation sorgen für strukturelle Nachfrage nach Wärme- und Kältetechnik. Oder wie man es in den USA formuliert: HVAC (Heating, Ventilation, Air Conditioning). Wer dieses Segment im Portfolio breit abdecken will, hat zwei Möglichkeiten.

Daikin: Das japanische Unternehmen ist Weltmarktführer bei Klimaanlagen und die Nummer 1 bei Wärmepumpen in Europa. Ein Vorteil ist die hohe Fertigungstiefe. Der Jahresumsatz liegt bei umgerechnet 28 Milliarden Dollar und zeigte schon in der Vergangenheit ein beachtliches Wachstum: Der Umsatz wuchs zuletzt um 8,5 Prozent pro Jahr, der Gewinn je Aktie um gut 16 Prozent – und das für ein Industrieunternehmen mit beeindruckender Stetigkeit, die natürlich ihren Preis hat. Bei 27.000 Yen fehlen nach fast dreijähriger Seitwärtsphase nur noch wenige Prozent zu einem neuen Allzeithoch. Selbst auf Basis der Erwartungen für das laufende (am 1. April begonnene) Geschäftsjahr ist die Aktie mit dem 25-fachen bezahlt. Aber das Wachstum rechtfertigt diese Bewertung, auch wegen der gesunden Bilanz (Debt-to-EBITDA 1,4).

In der ersten Folge des neuen Vermögens-Podcasts sprechen Horst von Buttlar und Christian W. Röhl nicht nur über das Allzeithoch des Dax, sondern auch über die unvermeidliche Wärmepumpe und die Lage der Deutschen Börse.
von Horst von Buttlar, Christian W. Röhl

Carrier: Der US-amerikanische Marktführer ist erst seit 2020 börsennotiert (als Spin-off aus der Fusion von United Technologies und Raytheon). Die Aktie hat sich zeitweise verfünffacht, aber langfristige Daten zur Umsatz- und Gewinnentwicklung fehlen. Carrier ist bislang ein klassischer Klimatechnikanbieter, der erst mit der Übernahme von Viessmann wirklich ins Wärmepumpengeschäft und nach Europa vorstößt. Bisher macht Carrier 60 Prozent seines Umsatzes in den USA. Der Vorstoß fordert indes einen immensen Preis. Die 13 Milliarden Dollar, die die Amerikaner für Viessmann ausgibt, entsprechen mehr als dem Dreifachen des Ebitda des Jahres 2022 – zusätzlich zu den 2,4-fachen des Ebitda, die man schon als Schulden hat. Wegen dieser Unsicherheit ist die Aktie schon für das 15-fache zu haben.

Es gibt daneben andere Wärmepumpen-Aktien, die der eine oder andere sowieso schon im Depot hat, eventuell aus ganz anderen Motiven. NIBE Industrier aus Schweden beispielsweise gehört zu den nicht allzu zahlreichen europäischen Firmen, die ihre Dividende seit über 25 Jahren nicht gesenkt haben. Aber die Aktie ist bei allem technologischen Vorsprung mit einem KGV von 40 schlichtweg zu teuer. Dann gibt es da noch die italienische Ariston, die im vergangenen Jahr das Klimatechnikgeschäft der deutschen Centrotec erworben hat – mit so bekannten Marken wie Wolf und Brink.



Drittens: Wenn immer mehr Wärmepumpen installiert werden, muss das Stromnetz mitwachsen. Da geht es um Stromtrassen, aber auch um IT-Themen wie die Zuweisung von Strom innerhalb der Verteilernetze. Anleger könnten sich Unternehmen wie PSI anschauen, ein Berliner Softwareunternehmen und Systemhaus, das die Hälfte seiner Umsätze mit Energieversorgern macht – wobei Deutschland ein Schwerpunkt ist. Aktuell macht PSI einen Umsatz von 250 Millionen Euro, bei einem Börsenwert von 500 Millionen Euro und hat ein zweistelliges Gewinnwachstum – das ist mit einem Faktor 25 nicht heillos überbewertet, aber doch ambitioniert bezahlt ist.

Deshalb auch hier meine Regel: Nicht einfach kaufen, weil „Energiewende“ oder draufsteht, sondern das Thema allenfalls als Anregung nehmen, um sich ein Unternehmen näher anzuschauen, was gerade bei einem Nebenwert sehr relevant ist.

Jetzt reinhören: Gemeinsam mit WiWo-Chefredakteur Horst von Buttlar spricht der Autor dieses Textes, Christian Röhl, im neuen Podcast „Leben mit Aktien“, nicht nur über das Allzeithoch des Dax, sondern auch über die unvermeidliche Wärmepumpe und die Lage der Deutschen Börse.

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