KfW prüft Negativzinsen Bekommen Schuldner bald Geld von der Bank?

Die staatliche Förderbank KfW lässt eine Bombe platzen: Sie will sich darauf vorbereiten, Kredite mit negativen Zinsen ausgeben zu können. Das würde die Spar- und Schuldenkultur in Deutschland auf den Kopf stellen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Zentrale der KfW-Bankengruppe Quelle: dpa

Die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist um eine groteske Nebenwirkung reicher. So will die staatliche Förderbank KfW ihre Buchhaltung und IT-Systeme auf ein Szenario negativer Schuldzinsen vorbereiten. Das kündigte KfW-Chef Ulrich Schröder auf der heutigen Pressekonferenz zum Jahresergebnis 2014 an.

Im Klartext heißt das: Wer sich über Geschäftsbanken mit öffentlich subventionierten KfW-Krediten etwa für die energieeffiziente Sanierung seines Eigenheims eindeckt, könnte dafür zur Belohnung bald Zinsen kassieren. Eine verkehrte Welt in einem Wirtschaftssystem, in dem es schon immer als selbstverständlich galt, dass Gläubiger von ihren Schuldnern eine Gegenleistung für das geliehene Geld verlangen.

KfW-Chef Schröder begründet die ungewöhnliche Überlegung unter anderem mit der Niedrig- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Diese führt dazu, dass Anleger und Investoren mittlerweile eine Gebühr dafür zahlen, ihr Geld in sicheren Häfen anlegen zu können. Einer dieser Häfen ist die Notenbank selbst, die unbegrenzt Geld schöpfen und daher nie technisch pleitegehen kann. Die EZB berechnet mittlerweile auch schon negative Einlagezinsen, wenn Geschäftsbanken Geld bei ihr parken.

Computersysteme können nicht mit Negativzinsen arbeiten

Weitere sichere Häfen für Investoren sind Staaten mit guter Bonität, etwa Deutschland, oder öffentliche Institutionen, die sich einer Garantie durch bonitätsstarke Regierungen erfreuen können. Das trifft auf die KfW zu, für die der deutsche Staat und letztlich die Steuerzahler bürgen. Wegen der öffentlichen Garantie drängen Investoren der KfW das Geld regelrecht auf. Wegen des Überangebots kann das Förderinstitut von seinen Gläubigern eine Art Aufbewahrungsgebühr verlangen, also negative Zinsen erheben. Eine verkehrte Welt.

Gibt die KfW den Vorteil aus dem Negativzins nun an Bürger und Unternehmer weiter? Zumindest will sie sich technisch und juristisch in die Lage versetzen, diesen Vorteil irgendwann einmal weiter geben zu können. Denn noch kommen die Computersysteme der Bank nicht mit negativen Zinsen für das Darlehensgeschäft klar. Sie wurden einfach nicht für die verkehrte Spar- und Schuldenwelt programmiert. Gleiches gilt für die Geschäftsbanken, mit denen die KfW kooperiert und über die das Förderinstitut seine subventionierten Kredite etwa für den Wohnungsbau an die Endkunden weiter gibt. Noch ist also gar nicht klar, ob die private Bankenwelt mitziehen kann.

Technische, Juristische und buchhalterische Probleme

Wie grotesk ein Szenario negativer Schuldzinsen wirkt, zeigt sich an der Frage von Vorfälligkeitsentschädigungen. Hier haben KfW-Juristen die Frage aufgeworfen, ob Schuldner eine Entschädigung kassieren sollen, wenn sie ihren Kredit vorzeitig zurückzahlen und damit auf die Einnahme negativer Zinsen verzichten. Auch die Wirtschaftsprüfer ziehen die Stirn in Falten bei der Frage, ob ein Darlehen, mit dem die Bank planmäßig Geld verliert, überhaupt ein Aktivposten sein kann.

Banken brauchen die Zinsen vom Kunden

Selbst wenn sich technische, juristische und buchhalterische Probleme lösen lassen, dürfte die Diskussion über negative Kreditzinsen die private Bankenwelt zutiefst erschüttern. Schließlich müssen die Geschäftsbanken – anders als staatliche Förderinstitute wie die KfW – Geld mit ihrem Kreditgeschäft verdienen und brauchen den Zins vom Kunden, um zumindest die Kosten für Filialen, Mitarbeiter und Aufsicht wieder einzuspielen. Ein Überspringen des Konzepts negativer Darlehenszinsen vom Sektor der staatsgestützten Förderbanken auf den privaten Bankensektor würde das Geschäftsmodell der Finanzbranche in Frage stellen.

Der KfW ist durchaus klar, dass sie mit der Debatte einen Wasserfall auslöst. Sie aber will dem Vorwurf entgegenwirken, den aus der Staatsgarantie entstehenden Finanzierungsvorteil für sich zu behalten, statt die Kunden davon profitieren zu lassen. Schließlich vergeben auch Geschäftsbanken derzeit Bau- oder Firmenkredite zu historisch niedrigen Zinsen, wodurch der Vorteil eines günstigen KfW-Kredits relativiert wird. Die KfW leitet dabei Fördersummen schon jetzt immer öfter zinslos an Retailbanken weiter, die dann ihre Kosten- und Vertriebsmarge draufschlagen, wenn sie das Geld an Endkunden verleihen.

In Berlin ist man sich der Sprengkraft negativer Kreditzinsen für die deutsche Spar- und Schuldenkultur durchaus bewusst. Finanzminister Wolfgang Schäuble soll bei der Diskussion über den KfW-Vorstoß die Frage gestellt haben, ob allen Beteiligten klar sei, was sie damit anrichten könnten. Die Frage ist berechtigt, schließlich weiß keiner, wie ein Wirtschaftssystem funktionieren soll, in dem Gläubiger bestraft und Schuldner belohnt werden.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%