Carsten Rodbertus, weißes Hemd, braune Samtjacke, helle Jeans, das lange Haar zu einem Zopf geflochten, kaut Kaugummi. Ein zartes Lächeln umspielt seine Lippen, als er von der Menge vor dem Saal des Wiesbadener Hotels Dorint Pallas aufgesogen wird. Andächtig lauschen die Fans seinen Worten zur Energiewende. Dreimal versucht ein Mitarbeiter, ihn aus der Menge herauszubugsieren. „Sie müssen jetzt wirklich rein, Herr Rodbertus.“ Der drückt sich kurz in eine Ecke, lässt sein Kaugummi verschwinden. Die Show kann beginnen.
Um die 300 Fans, viele über 60, waren zu dieser Werbeveranstaltung des Windpark-Betreibers Prokon gekommen. Hunderte Präsentationen hat es in den vergangenen Jahren gegeben, stets nach dem gleichen Muster: Prokon-Chef Rodbertus erklärt in zwei Stunden, wie er mit Windkraft, Pflanzenöl und Paletten jedes Jahr sechs bis acht Prozent Zinsen für Anleger heraushole – und warum eine Investition in Prokon eine sichere Sache sei.
Sätze wie: „Ein Windpark kann kein wirtschaftliches Risiko entwickeln“ oder „bei dem Geschäft kann man so viel nicht falsch machen“ fallen. Viele gutgläubige Ökoidealisten im Publikum nicken – und werfen Rodbertus willig ihr Geld hinterher.
Nun ist die Show vorbei. Alle, die vor zwei Jahren noch eifrig genickt haben, bangen heute um ihr Geld.
Schon lange ist klar: Prokon hat Probleme, schüttet seit Jahren viel mehr Zinsen aus, als Rodbertus mit Windparks verdient. Ein Verlust von 171 Millionen Euro im Jahr 2012, den Prokon kürzlich bekannt gab, ließ viele Inhaber von Genussrechten panisch ihre Verträge kündigen. Weil zu viele Anleger das Weite suchten, setzte Prokon den Inhabern von Genussrechten Mitte Januar die Pistole auf die Brust. Wenn nicht 95 Prozent der Anleger ihr Geld im Unternehmen beließen, drohe die Pleite. Laut Prokon sollen Anleger aber bereits Genussrechte im Wert von fast 105 Millionen Euro gekündigt haben (Stand: 21.01.2014, 15 Uhr). Bei einem Gesamtvolumen von 1,4 Milliarden Euro wären das rund 7,5 Prozent, also mehr als die fünf Prozent, die maximal gekündigt werden dürften.
Nicht nur Prokon-Anleger bangen. Der graue Kapitalmarkt, auf dem skrupellose Finanzvertriebe Anleger in Produkte treiben, für die kaum staatliche Vorschriften existieren, steht vor dem Kollaps. Die Immobilienfonds von S&K (100 Millionen Euro; 10.000 Anleger), Töchter des Dresdner Finanzdienstleisters Infinus (400 Millionen Euro, 25.000 Anleger) sowie der Schiffs- und Immobilienfondsbetreiber Wölbern Invest (620 Millionen Euro; 40.000 Anleger) sind pleite. Investoren realisieren unter Schmerzen, dass außerbörsliche Beteiligungen tatsächlich die „wohl schlechteste Geldanlage der Welt“ sind. Seit Beginn der Finanzkrise zahlen Anleger immer weniger ein (siehe Grafik). Derzeit liegen noch 200 Milliarden Euro in den geschlossenen Fonds. Hinzu kommen Milliarden in Genussscheinen und anderen Vehikeln, die zunehmend die verrufenen Fonds ersetzen.
Und es gibt weitere Kandidaten, die eine Menge Fragen aufwerfen.
Die Immobilienresterampe
Der Tübinger Immobilienhändler Fairvesta hat über geschlossene Fonds mehr als 800 Millionen Euro eingesammelt. Mit dem Geld kauft das Unternehmen Privat- und Geschäftshäuser und zahlt dafür nach eigener Angabe 30 bis 50 Prozent weniger, als die wert sind. Gekauft würden nur „Qualitätsimmobilien in guter Lage ohne Reparaturstau“, wird etwa im Prospekt des Fonds Fairvesta 4 behauptet. Nach durchschnittlich drei Jahren sollen die Immobilien mit hohem Gewinn weiterverkauft werden.
In der Leistungsbilanz werden für die Fairvesta-Fonds in 2011 Nettorenditen zwischen 8,4 und 43 Prozent angegeben. Vielen Anlegern dürfte nicht bewusst sein, dass diese zum Teil nur auf dem Papier existieren, weil die dafür erforderlichen Immobilienverkäufe noch gar nicht stattgefunden haben. Die ausgewiesene Rendite errechnet sich unter anderem aus der Differenz aus den Anschaffungskosten und dem Verkehrswert der Häuser. Ob Fairvesta allerdings jemals zum Verkehrswert verkaufen kann, steht in den Sternen.
Den Beweis, dass die Traumquoten im großen Stil realisierbar sind, hat Fairvesta bislang nicht erbracht: So haben die bereits platzierten Kleinanleger-Fonds zwischen 2002 und Dezember 2013 von ihren 194 gekauften Immobilien erst 16,5 Prozent wieder verkauft – allerdings zu sehr guten Preisen. Da die Verkaufsquote sehr niedrig ist, lässt sich daraus allerdings keinesfalls schließen, dass auch der Rest mit hohem Gewinn weitergereicht werden kann.
Glaubt man dem Handlungsbevollmächtigten Otmar Knoll, ist die geringe Zahl an Verkäufen nicht weiter tragisch. Fairvesta erwirtschafte allein mit Mieten eine durchschnittliche Rendite von elf Prozent. Doch auch diese Zahl ist nur auf den ersten Blick traumhaft, weil davon bei den Anlegern wenig ankommen dürfte.
Beim Fonds Mercatus X zum Beispiel nimmt Fairvesta an, über 15 Jahre insgesamt 130,3 Millionen Euro durch Mieten und Zinsen einnehmen zu wollen. Dem stehen laufende Kosten, etwa für Fonds- und Objektverwaltung, von 96,3 Millionen Euro zuzüglich Steuern gegenüber. Hinzu kommen einmalige Fondskosten in Höhe von knapp 22 Millionen Euro. Das sind zusammengerechnet mehr als 90 Prozent der gesamten Mieteinnahmen. Auch wenn die Kosten bei weniger Verkäufen geringer ausfallen können als prognostiziert – wie sich auch bei den aktuell laufenden Fonds zeigt –, wird deutlich, dass das Unternehmen sehr wohl auf hohe Verkaufserlöse angewiesen ist, wenn die ausgewiesenen – meist zweistelligen – Renditen irgendwann auch mal auf den Konten der Anleger ankommen sollen.
Die kanadischen Ölbarone
Dem Berliner Emissionshaus Proven Oil Canada haben etwa 11.000 Anleger mehr als 300 Millionen Euro für Investitionen in Öl- und Gasquellen anvertraut. Die Geschäftsidee ist alt, unverkennbar sind die Parallelen zu früheren Abkassiermodellen von Großpleitier Jürgen Hanne, der in den Siebziger- bis Neunzigerjahren bereits weit mehr als eine Milliarde Mark an Anlegergeldern versenkte.
Schlechte Nachrichten
Seit Mitte 2013 häufen sich auch bei Proven Oil die schlechten Nachrichten. Im Juli teilte Geschäftsführerin Monika Galba den Anlegern zunächst mit, dass eine Umstrukturierung stattfinden solle. Konkret bedeutete das die Verschmelzung fast aller Proven-Oil-Fonds zu einem großen Sammelfonds inklusive neuer Kreditermächtigungen sowie der Erlaubnis, jederzeit Quellen verkaufen zu dürfen. Das sollte unter anderem der „Sicherung der Vorabauszahlungen“ an die Anleger dienen.
Die stimmten zu – und mussten nur vier Monate später die Information verdauen, dass Proven Oil die noch ausstehenden Auszahlungen für 2013 trotzdem auf ein Drittel zusammenstreicht. Wie es ab diesem Jahr mit den avisierten Auszahlungen weitergehen soll, ließ die Geschäftsführung damals offen – und macht auch aktuell auf Anfrage der WirtschaftsWoche keine Angaben dazu.
Der Gemischtwarenladen
Ob S&K oder Fairvesta, ob Wölbern oder Proven Oil: Sie alle tauchten im Angebot von Dima24.de auf, einer Münchner Online-Plattform zum Verkauf geschlossener Fonds. Laut Eigenwerbung betreut Dima24.de 202.000 Anleger mit über 2,3 Milliarden Euro Anlagevermögen.
Die Zahlen mögen sehr hoch gegriffen erscheinen. Das Problem ist aber ohnehin ein anderes: Dima24 verkauft nicht bloß Anteile an Fonds, sondern ist Teil eines Unternehmenskonglomerats. Einige der angebotenen Produkte werden von Schwesterunternehmen selbst aufgelegt. Fonds für Immobilien in Europa zum Beispiel, für Öl, Gas und Gold in Kanada, für Investitionen in Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Karibik.
Als vertriebsstarke Plattform ist Dima24 die millionenschwere Erfolgsgeschichte des Malte Hartwieg. Andererseits aber ist Dima24 auch eine tickende Zeitbombe, deren Sprengkraft schwer abzuschätzen ist. Wie viel Geld über Dima24 in Fonds aus dem Hartwieg-Umfeld geflossen ist, sagt das Unternehmen nicht. Eine entsprechende Anfrage bleibt unbeantwortet. Klar ist allerdings, dass es bei mehreren Fonds Probleme gibt.
Finger weg von Finanzprodukten, wenn...
Renditen von über acht Prozent pro Jahr versprochen werden, gleichzeitig aber ein Drittel der eingeworbenen Summe für Kosten wie Werbung oder Vertrieb draufgeht
der Initiator bislang noch keine erfolgreichen Finanzprodukte aufgelegt hat
der Initiator nicht nachweisen kann, dass er die versprochenen Renditen im Kerngeschäft erwirtschaftet oder mit Vorgängerprodukten bereits erzielt hat
das Objekt, in das investiert werden soll, noch nicht feststeht oder das Anlegergeld als Kredit an andere Gesellschaften weitergereicht wird, der Anleger sich also nicht direkt an einer Immobilie oder einem Schiff beteiligt
Anleger Geld nachschießen müssen, falls das Unternehmen zum Sanierungsfall wird
So beklagen Anleger des Fonds NCI New Capital Invest 16 gegenüber der WirtschaftsWoche, dass sie seit Frühjahr 2013 keine Ausschüttungen mehr erhalten – und auch keine konkreten Informationen, warum das so ist. Beim Selfmade Capital 7, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten investiert hat, ist die Situation noch nebulöser.
Ein Anleger leitete der WirtschaftsWoche ein Schreiben einer Kölner Anwaltskanzlei weiter. Diese teilt mit, dass sie von Malte Hartwieg unter anderem mit der „Ermittlung der tatsächlichen Gegebenheiten“ beauftragt worden sei, nachdem vom örtlichen Manager „keine oder nicht nachvollziehbare Erklärungen zur möglichen Situation“ abgegeben wurden. Der Anleger zürnt: „Es kann nicht sein, dass das Emissionshaus keine Ahnung hat, wo unser investiertes Vermögen geblieben ist, und jetzt eine Kanzlei auf Geldsuche schickt.“ Nachfragen zu den beiden Fonds lässt Dima24 ebenfalls unbeantwortet.
Warnsignale ernst nehmen
Slobodan Cvetkovic führt ein Leben auf der Überholspur. Der 48-Jährige ist Chef der Prosperia AG in Frankfurt am Main und Würzburg, hat Wohnsitze in Deutschland, den USA und der Dominikanischen Republik. Und er ist Miteigentümer von Prosperia Abt Racing – einem Rennstall, der 2013 bestes Team in der ADAC GT Masters-Serie war.
Prosperia hat unter anderem drei „Green Gallon“ getaufte Fonds aufgelegt, die in den USA aus altem Frittenfett Biodiesel erzeugen und damit Geld verdienen wollen. Zudem verwaltete Prosperia ab 2009 die beiden Fonds CSA Capital Sachwert Alliance 4 und 5. Es sind Mischfonds, die von einem anderen Initiator aufgelegt wurden und ihre Anleger schon viel Geld gekostet hatten, bevor Cvetkovic das Fondsmanagement übernahm. Der gebürtige Serbe kam als Hoffnungsträger.
Allerdings gibt es Ungereimtheiten, etwa bei einer Immobilie in Köln. Zwei Grundschuld-Forderungen über insgesamt drei Millionen Euro waren im Grundbuch zugunsten der beiden Fonds CSA 4 und CSA 5 eingetragen. 2012 wurden die Millionenforderungen dann abgetreten – an Fondsmanager Cvetkovic persönlich. Doch welche Gegenleistung erbrachte der dafür? Auf eine entsprechende schriftliche Nachfrage reagiert er nicht.
Anleger, die sich betrogen oder schlecht beraten sehen, sollten...
bei Verbraucherzentralen eine erste Prüfung vornehmen lassen (Kosten ab etwa 60 Euro), auch Kanzleien bieten die zum Pauschalpreis an
prüfen lassen, ob der Wertpapierprospekt fehlerhaft war (Risiken oder Provisionen wurden verschwiegen, die in Aussicht gestellte Rendite war nicht zu erzielen); wenn ja, können sie den Herausgeber des Produkts oder Vorstand und Gesellschafter des Unternehmens verklagen
auf Fristen achten; Ansprüche verjähren oft drei Jahre nach Vertragsabschluss
prüfen lassen, ob der Berater Fehler gemacht hat; hat er etwa Risiken verschwiegen, muss die Bank oder, bei freien Beratern, die Vermögensschadenshaftpflichtpolice zahlen
Sein Sekretariat versucht, einen Anruf abzuwimmeln. Man habe das Fondsmanagement abgegeben und könne zu CSA keine Auskünfte mehr erteilen. Sie verweist auf das neue Management – das zufälligerweise an derselben Adresse sitzt wie zwei der Green-Gallon-Fonds und diese ebenfalls managt. Die neuen Fondsverwalter lassen mitteilen, dass die Forderungen der beiden CSA-Fonds inklusive Zinsen getilgt worden seien. Die Staatsanwaltschaft Würzburg allerdings hat Zweifel an dem Deal: Sie ermittelt gegen Cvetkovic wegen des Verdachts der Untreue, bestätigt der leitende Oberstaatsanwalt. Cvetkovic selbst reagiert auf eine Anfrage der WirtschaftsWoche nicht. Trotz der Ermittlungen gilt bis zu einer etwaigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.
Warnsignale ernst nehmen
Wer in Produkte des grauen Markts investiert hat, sollte Warnsignale ernst nehmen und frühzeitig aussteigen. Auch bei Prokon gab es solche Signale. So verurteilte das Landgericht Itzehoe im März 2011 das Unternehmen wegen irreführender Werbung in Anlageprospekten (5 O 66/10). Das Oberlandesgericht Schleswig bestätigte das Urteil (6 U 14/11). Prokon hatte seine Genussrechte als „grünes Sparbuch“ feilgeboten und dabei einseitig die Vorteile hervorgehoben, ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass Anleger ihr Kapital komplett verlieren können, bemängelten die Gerichte.
Regulierung mit Lücken
Anleger sollten hellhörig werden, wenn:
- Fondsinitiatoren auf Anfragen nach dem Verbleib von investiertem Kapital nur ausweichend oder wenig plausibel antworten;
- sie Adressenlisten der übrigen Gesellschafter nicht rausrücken wollen;
- keine oder nur veraltete Geschäftsberichte herausgegeben werden;
- unklar ist, wofür das eingezahlte Kapital verwendet werden soll;
- nachträglich Finanzierungsmodelle eingeführt werden sollen, nach denen Anlegergelder zu Sanierungszwecken zwischen einzelnen Fonds hin- und hergeschoben werden können.
Ein solches Modell (Cash-Pool) versuchte auch die heute insolvente Wölbern Invest durchzudrücken. Viele Anleger wehrten sich, weil sie mit ihrer finanziell gesunden Beteiligung nicht in den Strudel angeschlagener Fonds geraten wollten.
Pistole auf der Brust
In der Krise wird der Umgangston gegenüber den Anlegern rauer. Prokons Drohung mit der Insolvenz ist ein im Graumarkt schon weitverbreiteter Schachzug, um Anleger bei der Stange zu halten. So verschickte der Hamburger Schiffsfondsanbieter Ownership Treuhand am 8. Januar ein Schreiben an Anleger des Schiffs-Dachfonds Ownership IV: „Achtung. Bei Scheitern des Finanzierungskonzepts besteht die konkrete Gefahr des Verlustes aller Schiffe sowie des Einzugs der bestehenden Haftungsforderungen durch den Insolvenzverwalter.“ Ownership machte Druck, weil bis Anfang Januar nur 6,25 Prozent der Anlegergelder überwiesen waren, die laut Anbieter nötig wären, um den Fonds zu retten.
Aussicht auf Schadenersatz oder einen Vergleich besteht, wenn...
verschwiegen oder nicht detailliert genug offengelegt haben. Dies gilt auch, wenn der Prospekt die Höhe der Vergütung und deren Empfänger korrekt angibt.
Investment beworben wurde, obwohl es sich um eine unternehmerische Beteiligung handelt, oder sie zum Beispiel einem älteren Sparer zur Altersvorsorge empfohlen wurde.
mit sich selbst zum Nachteil der Anleger gemacht hat. Beispielsweise verkauft eine Reederei Schiffe überteuert an hauseigene Fonds, ohne dass dies im Prospekt steht.
zweckentfremdet wird. So warb beispielsweise die Commerzbank Geld für Filmfonds ein, das aber nur zu einem Bruchteil in die Filmproduktion floss.
falsche Angaben enthält, beispielsweise über die Höhe der Kosten oder unternehmerische Risiken.
beschlossenen Änderungen der Geschäftsgrundlagen juristisch angreifbar sind. Dazu gehören etwa der zeitweise Verzicht auf Mieten oder die Verpflichtung, Geld in einen kriselnden Fonds nachzuschießen.
Besonders dreist ging die EST Elbe Schiffstreuhand vor. Im Herbst 2013 warnte sie die Anleger des Schiffsfonds MS Uranus: „Wir müssen Sie darauf hinweisen, dass Sie als Folge Ihrer Nichteinzahlung der ausstehenden Einlage möglicherweise von dritter Seite ein persönliches Mitverschulden von Ihnen an einer verschleppten Insolvenz trifft.“ Die Anleger sollten auch hier Geld nachschießen.
„Das Schreiben bewegt sich an der Grenze zur Nötigung und ist juristisch fragwürdig konstruiert“, sagt der Münchner Anwalt Jürgen Klass.
Das gerade eingeführte Kapitalanlagegesetzbuch soll geschlossene Beteiligungen stärker regulieren. Fonds dürfen jetzt nur noch maximal 60 Prozent ihrer Anlagen auf Kredit kaufen. Ändern sie ihre Anlagebedingungen, müssen 75 Prozent der Anleger zustimmen, und die Gesamtkosten müssen im Prospekt angegeben werden.
Zudem müssen Anbieter geschlossener Fonds bis 21. Juli 2014 eine Zulassung bei der Finanzaufsicht BaFin beantragen. Nur wenn ihre Geschäftsführer nachweisen können, dass sie zuverlässig und fachlich geeignet sind, sollen die Aufseher einen Stempel auf die Lizenz drücken. Doch die Regulierung hat Lücken. So brauchen Fondsanbieter, die unter 100 Millionen Euro verwalten, keine Zulassung. Sie müssen sich nur registrieren lassen. Es gibt auch keine Vorgaben für Gesellschafterverträge von geschlossenen Beteiligungen. Anbieter können per Klausel den Einfluss von Anlegern minimieren. Weiter unreguliert bleiben Beteiligungen, die nicht als Fonds organisiert sind. Dazu zählen auch die Genussrechte von Prokon ebenso wie partiarische Darlehen, bei denen Anleger dem Anbieter Geld leihen und statt Zinsen Anteile am Gewinn des Investments kassieren – ein Modell, das auch S&K nutzen wollte.
Chancen auf Rettung
Zweifelhafte Produktanbieter können dem Gesetz entkommen, wenn sie sich das richtige Anlagevehikel ausgesucht haben. Laut Strafgesetzbuch liegt Kapitalanlagebetrug vor, wenn etwa ein Produktanbieter in Prospekten falsche Angaben macht oder Umstände, die sich für den Anleger negativ auswirken, verschweigt.
Bedient ein Anbieter etwa Zinsen der Altanleger aus neuen Anlegergeldern, obwohl das Geld in erneuerbare Energien gesteckt werden sollte, wäre dies aber trotzdem kein Kapitalanlagebetrug. Denn den kann es nur mit Wertpapieren wie Aktien oder Anleihen und Unternehmensbeteiligungen wie geschlossenen Fonds geben.
Angesichts des Prokon-Skandals verteilen Politiker jetzt Beruhigungspillen. „Wo Verbraucher sich nicht selbst schützen können oder überfordert sind, muss der Staat Schutz und Vorsorge bieten“, lässt sich etwa Bundesjustizminister Heiko Maas zitieren. Es sei „ein wichtiger Schritt, dass die BaFin den kollektiven Schutz der Verbraucher als wichtiges Ziel ihrer Aufsichtstätigkeit erhält“.
Dumm nur, dass Anleger auf der Internet-Seite der BaFin nicht einen einzigen Hinweis auf Prokon finden. Wer die Bundesanstalt besser kennt als Minister Maas, der weiß, dass die BaFin Kapitalanlagen und deren Anbieter nur auf formale gesetzliche Kriterien hin prüfen darf. Da es keine erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte betreibt, untersteht Prokon nicht der Aufsicht.
Es führt eben kein Weg daran vorbei: Die Verantwortung für sein Investment kann und will dem Anleger niemand abnehmen.
Staatsanwälte stoppen zweifelhafte Anbieter häufig erst, wenn es zu spät ist – so wie Stephan Schäfer und Jonas Köller von S&K. Sie sollen laut Staatsanwaltschaft mit einem Teil der Anlegergelder ihren aufwendigen Lebensstil bestritten haben. Bei Partys ließen die beiden es gern krachen.
Welche Ansprüche Anleger bei geschlossenen Fonds haben und wie sie ihr Geld retten können
Geschlossene Fonds müssen die Namen und Anschriften der übrigen Anleger gegenüber Gesellschaftern offenlegen, um einen Informationsaustausch zu gewährleisten. Dies entschied der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen (II ZR 187/09, II ZR 134/11). So können Anleger Mehrheiten für Beschlüsse auch gegen den Willen des Fondsgeschäftsführers organisieren.
Anleger haften bei einem als Kommanditgesellschaft konzipierten Fonds nur mit ihrer Einlage. Eine automatische Nachschusspflicht gibt es nicht. Ausnahme: Schüttet der Fonds unabhängig von Gewinnen aus, kann der Initiator dieses Geld zurückfordern. Dies gilt aber nur, wenn diese Ausschüttungen laut Gesellschaftsvertrag ausdrücklich als Darlehen gewährt werden (Bundesgerichtshof, II ZR 73 11, II ZR 74 11). Ohne diese Klausel, so entschieden die Richter, dürfen die Anleger die Ausschüttungen behalten oder zu Unrecht überwiesenes Geld zurückverlangen. Anders sieht es bei einem Fonds aus, der als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) konstruiert ist. Bei einer GbR haften die Gesellschafter auch mit ihrem gesamten Vermögen.
Initiatoren dürfen nicht eigenmächtig Immobilien oder Schiffe verkaufen – auch nicht bei einem Liquiditätsengpass. Sie brauchen dazu eine Mehrheit der Anleger. Wie groß der Anteil sein muss, steht im Gesellschaftervertrag. Vor einem Beschluss haben die Gesellschafter Anspruch auf Informationen über die aktuelle Geschäftsentwicklung. Zwei bis drei Jahre alte Geschäftsberichte sind keine ausreichende Entscheidungsgrundlage.
Wenn ein geschlossener Fonds kriselt, besteht gegenüber Beratern, Bank oder Fonds unter Umständen ein Anspruch auf Schadensersatz oder die Rückabwicklung des gesamten Geschäfts. Ansprüche können bestehen:
- wenn der Berater Provisionen gar nicht oder nicht detailliert genug offengelegt hat. Selbst wenn der Prospekt die Vergütung und deren Empfänger korrekt angibt, muss der Berater darüber aufklären;
- wenn der Fonds als risikoloses Investment für die Altersvorsorge beworben wurde, obwohl es sich um eine unternehmerische Beteiligung handelt, bei der Anleger ihren Einsatz verlieren können;
- wenn der Initiator zum Nachteil der Anleger Geschäfte mit eigenen Firmen gemacht hat. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Reederei Schiffe überteuert an hauseigene Fonds verkauft, ohne dass dies im Prospekt steht;
Des weiteren können Ansprüche auf Schadensersatz bestehen,
- wenn das Geld zweckentfremdet wurde. So sammelte beispielsweise die Commerzbank Geld für Medienfonds ein, das aber nur zu einem kleinen Teil in die Produktion von Spielfilmen floss;
- wenn der Prospekt falsche Angaben enthält, etwa über die Höhe der Kosten oder über unternehmerische Risiken;
- wenn von der Gesellschafterversammlung beschlossene Änderungen der Geschäftsgrundlagen juristisch angreifbar sind. Dazu gehören beispielsweise der zeitweise Verzicht auf Mieten oder die Verpflichtung, Geld in einen kriselnden Fonds nachzuschießen.
Ansprüche auf Schadensersatz gegen Vermittler, Fonds oder Bank verjähren nach drei Jahren. Die Frist läuft am Ende des Jahres an, in dem Anleger von der Falschberatung oder dem Prospektfehler hätten wissen müssen. Dieser Zeitpunkt kann je nach Einzelfall auch erst viele Jahre nach Vertragsschluss eingetreten sein. Nur wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz.
Anfangsverluste des Fonds lassen sich nur mit Gewinnen aus der geschlossenen Beteiligung verrechnen. Das Finanzamt akzeptiert allerdings nur Verluste bis zur Höhe der Einlage. Zweifelt das Finanzamt an der Gewinnerzielungsabsicht des Fonds, weil dieser nur Verluste produziert, muss der Anleger die Steuervorteile nachträglich zurückerstatten.
Seit März 2013 sitzen sie wegen mutmaßlichen Anlagebetrugs in U-Haft. Der Prozess wird aber wohl erst 2015 stattfinden, heißt es in der Staatsanwaltschaft. Die hat sich offenbar übernommen: 1.200 Polizisten haben an 130 Orten Tonnen von Unterlagen beschlagnahmt. Die werden seit einem Jahr ausgewertet.
Ganz hinten in der Schlange
Auch wenn ein Anbieter bereits in Schieflage geraten ist, haben Anleger Chancen, ihr Geld zumindest teilweise zu retten. Wie groß die sind, hängt davon ab,
- wie das Investment rechtlich gestrickt ist, also welche Kündigungs- und Haltefristen vorgesehen sind sowie welchen Rang der Anleger als Gläubiger hat;
- ob Sachwerte vorhanden sind, die sich im Insolvenzfall verwerten lassen;
- wie viel Kredite in dem Konstrukt stecken, weil Banken in der Regel den ersten Zugriff haben;
- wer den Anleger beraten hat, weil der Berater bei einer Schadensersatzklage unter Umständen auch dann haften muss, wenn der Anbieter schon insolvent ist.
Klagen lohnen sich nicht
Anleger verlieren Vertrauen in Prokon
Im Fall Prokon stehen die Chancen der Anleger, ihren kompletten Einsatz wiederzubekommen, schlecht. Zu welchen Preisen die von Prokon gebauten Windräder verkauft werden können, weiß niemand so recht. Als Inhaber von Genussrechten stehen Anleger in der Gläubigerschlange zudem hinter Banken oder Sozialkassen.
Es ist zu befürchten, dass es zu einem Windhundrennen unter den Anlegern kommen wird. „Dass Prokon angekündigt hat, 95 Prozent der Genussrechteinhaber müssten auf eine Kündigung verzichten oder sie rückgängig machen, um eine Insolvenz zu verhindern, spricht dafür, dass das Unternehmen über wenig liquide Mittel verfügt“, sagt Anwalt Thorsten Krause von der Münchner KAP Rechtsanwälte.
Anleger, die kurzfristig kündigen können, werden versuchen, ihr Geld abzuziehen. Wenn Prokon die Forderungen dieser Anleger nicht bedienen kann, ist die Insolvenz unausweichlich.
Worauf Anleger achten sollten
Einspeisevergütungen könnten gekappt werden - wie zuletzt in Spanien. Anleger sollten nachhaken, was Rückgänge für die Rendite bedeuten würden.
Windstärken sind schwer vorherzusagen. Fonds sollten mehrere Gutachten eingeholt und mit der niedrigsten Windprognose kalkuliert haben.
Eine Gefahr sind steigende Preise für Materialien wie Holz oder Mais. Anleger sollten die Kalkulation prüfen, indem sie die prognostizierten Einkaufspreise mit den aktuellen Preisen vergleichen.
Wer sich per Genussrecht an Projekten beteiligt, wird im Pleitefall erst nach den Gläubigern bedient. Dies relativiert die üppigen Zinsversprechen in der Werbung.
Klagen lohnen sich nicht
Eine Klage auf Schadensersatz gegen Prokon wäre nur sinnvoll, wenn das Unternehmen zahlungsfähig wäre. „Anleger sollten genau prüfen, ob sie dem Geld, das sie durch die Beteiligung verloren haben, noch weiteres über unnötige Rechtskosten nachwerfen wollen“, sagt der Berliner Anwalt Dietmar Kälberer. Bei anderen Pleiten von Graumarkt-Emittenten konnten sich Anleger bisweilen Geld zurückholen – wenn sie von einer Bank beraten worden waren. In folgenden Fällen haften Banken oder Vermittler:
- Der Berater hat Provisionen nicht oder nicht detailliert genug offengelegt. Selbst wenn der Wertpapierprospekt Provisionen und deren Empfänger korrekt angibt, muss der Berater darüber aufklären.
- Der Fonds wurde als risikoloses Investment für die Altersvorsorge beworben, obwohl es sich um eine unternehmerische Beteiligung handelt, bei der Anleger ihren Einsatz verlieren können.
Ansprüche auf Schadensersatz gegen Vermittler und Banken verjähren nach drei Jahren. Die Frist läuft am Ende des Jahres an, in dem Anleger von der Falschberatung hätten wissen müssen.
Im Fall Prokon nutzt dies aber alles nichts: Anleger haben fast alle ihre Genussrechte direkt bei Prokon gekauft.
Anders läge der Fall, wenn die Prokon-Geschäftsführer wegen Betrugs oder eines anderen Delikts persönlich haften müssten. Dann könnten die Anleger ihr Geld bei denen einklagen. Bisher gibt es aber keine Belege für Anlagebetrug. Die Staatsanwaltschaft Lübeck geht gerade mehreren Strafanzeigen gegen Prokon-Manager nach.
Aktualisierung vom 22. Januar 18:10 Uhr: Nach tagelangem Kampf um die Anleger hat Prokon heute am Amtsgericht Itzehoe Insolvenzantrag gestellt. Einen aktuellen Bericht dazu finden Sie hier.