Konsumentenkredite Das Kreditproblem der Kellner und Selbstständigen

Quelle: IMAGO

Viele Verbraucher können sich einen Fernseher oder eine Küche nur mithilfe eines Kredits leisten. Doch in der Coronakrise kommen ohnehin gebeutelte Deutsche kaum an Geld – und ärgern sich über teure Zusatzprodukte.

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Manchmal sind es nur wenige Sätze, die die Relevanz einer Branche verdeutlichen. So ist das auch bei Belgin Rudack: Sie leitet die Stuttgarter Creditplus Bank, die eher der Eingeweihte als der Durchschnittsdeutsche kennt – obwohl Rudacks Institut ein Massengeschäft betreibt. Die Creditplus ist auf Konsumentenkredite spezialisiert: Sie verleiht Geld, mit dem sich Kunden den Kauf eines Fernsehers, einer Küche und anderer Dinge finanzieren.

In der Coronapandemie haben sich die Regeln für die Kreditvergabe geändert – manchmal fundamental. Ausgerechnet die, die die Krise ohnehin besonders stark getroffen hat, werden noch einmal zusätzlich belastet. Berufsgruppen wie Kellner und Köche oder Unternehmen wie Gastronomiebetriebe hätten „teilweise“ kein Geld mehr erhalten, sagte Rudack im „Chefgespräch“-Podcast der WirtschaftsWoche. Das Geldhaus habe seine „Parameter angepasst“, das Geschäft in „neuralgischen Bereichen zurückgefahren“.

Das Vorgehen der Creditplus Bank, die zur französischen Großbank Credit Agricole gehört, zeigt, wie wichtig Konsumfinanzierer inzwischen sind: Der Markt ist in Deutschland zuletzt auf 235 Milliarden Euro gestiegen, zeigen Daten des Bankenfachverbandes. Entsprechend weit verbreitet sind solche Darlehen: So haben 15 Prozent der Verbraucher einen Konsumentenkredit abgeschlossen, wie die Auskunftei Schufa in ihren Büchern auflistet.

Belgin Rudack ist die Vorstandsvorsitzende der Creditplus. Im Podcast erzählt sie, wie ihr Vater sie von der Schwärmerei für den Kommunismus heilte und wie sie sich als Frau in einer Männer-Domäne durchsetzt.
von Beat Balzli

Aus Verbrauchersicht hatte die Pandemie teils fatale Folgen. Nicht nur, dass einige Konsumenten schwerer einen Kredit erhielten. Kunden, die noch Geld bekamen, riskierten zudem, wegen des neuen Fernsehers oder der neuen Küche schneller in eine Schuldenfalle zu geraten.

Creditplus ist nicht die einzige Bank, bei der sich einige Privatleute kein Geld mehr besorgen konnten. Florian Reichert leitet beim Vergleichsportal Check24 das Kreditgeschäft, er hat festgestellt: Kunden aus der Gastronomie, der Event- oder Messebranche hätten zwischenzeitlich „entweder sehr schwer oder gar keinen Kredit mehr“ erhalten, sagt er. Diesen Eindruck bestätigt Oliver Maier, Chef der Finanzvergleichsparte des Onlineportals Verivox. Er ergänzt, dass es auch „Selbstständige und Freiberufler zeitweise deutlicher schwerer“ gehabt hätten, einen Kredit zu bekommen.

Ein Sprecher der ebenfalls auf Konsumentenkredite spezialisierten Targobank beschreibt, dass sein Haus ebenfalls restriktiver Kredite vergebe. Sein Institut habe „bestimmte Berufsgruppen“ zwar nicht prinzipiell abgelehnt. Allerdings könnte wegen der weiter instabilen Wirtschaftslage bei Verbrauchern die „Kapitaldienstfähigkeit gefährdet“ sein, die in besonders hart getroffenen Branchen arbeiteten. Das heißt: Die Bank dürfte weniger Kredite etwa an Köche, Kellner oder Messebauer vergeben haben, weil sie nicht wusste, ob die das Darlehen zurückzahlen können. Auch Creditplus-Chefin Rudack erklärt im WirtschaftsWoche-Podcast, ihr Haus habe nicht mehr so viel Geld an Angestellte solcher Branchen verliehen, um Kreditausfälle auszuschließen. „Insbesondere die erste Phase der Pandemie im Frühjahr 2020“ sei für viele Banken von „großer Unsicherheit geprägt“ gewesen, bestätigt Verivox-Mann Maier. 

Und heute? Die Zeiten haben sich inzwischen etwas geändert. Check24-Experte Reichert sagt: „Seit zwei, drei Monaten erkennen wir eine positive Wende bei der Vergabe von Raten- und Konsumentenkrediten“ für Branchen, die die Coronapandemie besonders stark getroffen hat. „Wir bewegen uns wieder auf dem Vor-Corona-Niveau“, sagt Reichert.

Marc Breyer, Ratenkredit-Spezialist beim Darlehensvermittler Dr. Klein, beurteilt die Lage zwar nicht ganz so positiv: „Es gibt Banken, die weiterhin einigen Berufsgruppen und auch Selbstständigen und Freiberuflern keine Kredite anbieten“. Deren Auswahl an Banken sei „eher eingeschränkt, weil immer noch nicht klar ist, wie sich die wirtschaftliche Situation mittelfristig entwickelt“, sagt er. Immerhin findet auch der Dr.-Klein-Experte: Die Lage „entspannt sich mittlerweile wieder“. Breyer: „Teilweise öffnen sich Kreditinstitute sogar“ dafür, Geld an Angestellte zu verleihen, deren Unternehmen sie in Kurzarbeit geschickt haben. 

Der Grund für diese neue Offenheit könnte sein, dass das Geschäft für die Banken äußerst lukrativ ist. So erwirtschaftete die Targobank 2019 mehr als eine halbe Milliarde Euro Gewinn, wie die zuletzt im Bundesanzeiger veröffentlichte Bilanz zeigt. Die Eigenkapitalrendite des Instituts – der Goldstandard der Geldzunft, um die Profitabilität zu messen – betrug mehr als 20 Prozent. Zwar sind die Werte nicht eins zu eins vergleichbar, aber um die Targobank-Zahl grob einzuordnen hilft eine Studie der Berater von McKinsey: Demnach betrug die durchschnittliche Eigenkapitalrendite deutscher Banken zwischen 2015 und 2019 nur 2,9 Prozent.

Das Ratenkreditgeschäft ist so profitabel, weil die Banken hohe Zinsen verlangen können. So zahlen Kunden für eines der Darlehen schon mal zwölf Prozent Zinsen im Jahr, berichten Verbraucherschützer. Hinzu kommt ein weiterer Grund, weshalb die Konsumkredite Bankenlieblinge sind: Die Institute verkaufen ihren Kunden zusätzlich zum Kredit sogenannte Restschuldversicherungen. Deren Prinzip ist simpel: Die Policen springen ein, wenn Verbraucher ihren Kredit wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit nicht mehr abbezahlen können. Doch die scheinbar so nützliche Versicherung birgt ein Problem, das in der Pandemie besonders oft zum Tragen kommt.

Michael Herte arbeitet als Finanzexperte der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein: „Ich beobachte, dass Banken seit Beginn der Coronapandemie stärker als zuvor Restschuldversicherungen verkaufen“. Das liege vermutlich daran, dass die Wirtschaftslage immer noch unsicher sei. „Die Banken wollen sich so absichern“, sagt Herte. Und daran verdienen – unter Umständen zum Nachteil ihrer Kunden.

Der Verbraucherschützer warnt: „Restschuldversicherungen sind extrem teuer. Durch sie können sich die jährlichen Kosten für einen Kredit verdoppeln“. Zahlt ein Kunde für ein Darlehen 8 Prozent Zinsen, können die Gesamtkosten wegen der Police auf 16 Prozent der geliehenen Summe steigen, rechnet Herte vor. Er rät deshalb nur in bestimmten Fällen dazu, eine Versicherung abzuschließen. „Das kann sinnvoll sein, wenn Verbraucher einen sehr unsicheren Job ausüben“, sagt er.

Kunden sollten die Versicherung nicht bei der Bank abschließen, die ihnen das Geld geliehen hat, rät Herte. Andere Anbieter böten solche Policen unter Namen wie Einkommensschutzversicherung ebenfalls an. „Das ist oftmals günstiger“, sagt der Verbraucherschützer.

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Derzeit macht es besonders viel Sinn, Anbieter zu vergleichen: Weil Banken auch mal Policen verkaufen, die Verbrauchern nichts bringen. Er habe einige Fälle von Verbrauchern bearbeiten müssen, denen Banken eine Restschuldversicherung verkauft hätten, obwohl die Kunden nicht die Bedingungen erfüllt hätten, damit die Police hilft. „Die Verbraucher waren in der Probezeit, in der eine Restschuldpolice nicht zahlt“, sagt Herte. „Solche Fälle hatte ich vor der Pandemie nicht“.

Die Not macht manche Bank offenbar erfinderisch.

Mehr zum Thema: Belgin Rudack ist die Vorstandsvorsitzende der Creditplus. Im Podcast erzählt sie, wie ihr Vater sie von der Schwärmerei für den Kommunismus heilte und wie sie sich als Frau in einer Männer-Domäne durchsetzt.

Dieser Artikel erschien erstmals im August 2021.

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