Würden Sie Ihr Geld dem Kassierer im Supermarkt anvertrauen, damit er es auf Ihr Konto einzahlt? Ein Start-up macht es möglich: Statt Bankberater am Schalter wickeln nun Kassierer im Supermarkt die wichtigsten Dienstleistungen für uns ab. Probieren Sie in unserer Multimedia-Infografik aus, wie das funktioniert: Kaufen Sie ein paar Äpfel - und zahlen Sie gleichzeitig per App auf dem Smartphone an der Supermarktkasse Geld ein:
An solche Beispiele müssen wir uns wohl gewöhnen. Denn seit die Europäische Zentralbank (EZB) für die Einlagen der Banken einen Strafzins von 0,4 Prozent verlangt, steht unser Geldsystem Kopf - und wir müssen unseren Umgang mit Geld verändern Sicher: Noch treffen die Negativzinsen für Banken die Einlagen der Privatkunden nicht. Der Leitzins der EZB, und der ist entscheidend, liegt bei 0,0 Prozent. Aber ein Beispiel zeigt, dass auch Finanz-Start-ups keine Lösung haben, um dem Gebührendruck Herr zu werden.
Henning Jakob könnte man als digitalen Vorreiter bezeichnen. Der 31-Jährige lebt in Berlin, berät Unternehmen, wie sie ihr Geschäftsmodell in eine digitale Zukunft übertragen können - und probiert auch privat jedes neue Angebot gleich aus. Wie das Onlinekonto von Number26, dem prominentesten Finanz-Start-up Deutschlands. Großer Vorteil: die Konten von Number26 sind kostenlos, Jakob erhält sogar eine (Prepaid-)Kreditkarte kostenlos obendrauf.
Für ihn entscheidend: Dass das Konto über einer App auf seinem Smartphone funktionierte. „Keine andere Bank bietet bislang so eine tolle Nutzerführung in der App wie Number26“, sagt er. Ärgerlich nur, dass ihm die Bank nun sein Konto gekündigt hat, weil er es zu oft nutzte.
Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen
In Deutschland beliebte Sparformen wie Tages- und Festgeld werfen kaum noch etwas ab. Die niedrige Inflation gleiche die negativen Effekte der niedrigen Zinsen allerdings aus, betont EZB-Präsident Mario Draghi. Derzeit liege die Verzinsung minus Inflation höher als im Durchschnitt der 1990er Jahre. „Zu der Zeit hatten Sie höhere Zinsen auf dem Sparbuch, aber zugleich meist Inflation, die weit darüber lag und alles auffraß“, sagte Draghi jüngst in einem Interview. Im Mai lagen die Verbraucherpreise in Deutschland nach vorläufigen Berechnungen gerade einmal um 0,1 Prozent über dem Vorjahresniveau.
Stand: 07.06.2016
Finanzinstitute müssen Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Für den durchschnittlichen Privatkunden sind Strafzinsen bislang kein Thema. Man werde „alles tun, um die privaten Sparer vor Negativzinsen zu schützen - in Teilen auch zu Lasten der eigenen Ertragslage“, sagte jüngst der Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon. Wenn die aktuelle Niedrigzinsphase aber lange andauere, würden die Sparkassen die Kunden letztlich nicht davor bewahren können. Zudem könnten Geldhäuser nach Angaben des Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, gezwungen sein, an der Gebührenschraube zu drehen: „Jeder muss in seiner Bank überlegen, wie er über Konditionen-Gestaltung gegen die Ertragsverluste anarbeitet, die ohne Zweifel da sind.“
Lebensversicherern fällt es immer schwerer, die hohen Zusagen der Vergangenheit zu erwirtschaften. Die Folge: Die Verzinsung des Altersvorsorge-Klassikers sinkt seit geraumer Zeit. Auch Betriebsrenten leiden, Firmen müssen wegen der Zinsschmelze immer mehr Geld für die Pensionsverbindlichkeiten zurücklegen. Viele Unternehmen versprechen bei Neueinstellungen daher keine konkreten Leistungen mehr, sondern sagen lediglich zu, einen bestimmten Betrag pro Monat in Vorsorgekassen einzuzahlen. Das Zinsrisiko tragen die künftigen Pensionäre.
Klingt verrückt? Natürlich. Willkommen in der neuen Welt der Negativzinsen, in der Sparer fast schon bestraft werden - und Banken sich das Geschäft mit dem Geld der Kunden kaum noch leisten können.
Eine Analyse der Berater der Boston Consulting Group zeigt, dass die Erträge der Banken aus dem Privatkundengeschäft seit 2006 um 15 Prozent geschrumpft sind. Tendenz steigend.
Nicht nur Sparkassen und Volksbanken erhöhten seit Jahresanfang also die Gebühren für ihre Konten, auch Direktbankkunden bekommen nicht mehr alle Leistungen kostenfrei. Die DKB etwa erstattet Kunden keine Gebühren mehr, die zum Beispiel in den USA beim Geldabheben am Automaten anfallen können. DKB, Commerzbank und ING-Diba bieten aber weiterhin kostenfreie Onlinekonten an.
Was hat nun dazu geführt, dass Henning Jakobs Konto gekündigt wurde? Er überwies jeden Monat etwas Geld von seinem Gehaltskonto bei einer Direktbank auf das Onlinekonto von Number26 – und hob mit seiner Karte stets kostenlos an allen verfügbaren Geldautomaten Bargeld ab. Bequem für ihn. Teuer für die Bank.
Im Schnitt zahlen Banken 1,74 Euro für jede Bargeldtransaktion ihrer Kunden bei einer fremden Bank. Jakob hob etwa elf Mal in jedem Monat in diesem Frühjahr Bargeld ab, nutzte das Konto von Number26 darüber hinaus nicht. Das war Number26 zu viel – und kündigte Jakob unvorbereitet sein Konto zu Anfang August.