Kreditausfallversicherungen Bankenkrise: Es muss nicht immer Spekulation sein

Sogenannte Credit Default Swaps (CDS) haben eine Rolle bei den jüngsten Kursschwankungen der Deutschen Bank gespielt. Quelle: imago images

Die Prämien für Kreditausfallversicherungen der Deutschen Bank waren zuletzt sprunghaft gestiegen, das hatte den Aktienkurs abstürzen lassen. Aber steckten wirklich Zocker dahinter, wie viele mutmaßten?

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Sie waren die Brandbeschleuniger der globalen Finanzkrise 2008 – nun stehen sie wegen der jüngsten Kursstürze bei der Deutschen Bank einmal mehr im Zentrum des Interesses: Credit Default Swaps (CDS). Mit diesen handelbaren Kreditausfallversicherungen können sich Gläubiger gegen den Konkurs eines Unternehmens, einer Bank oder eines Staates absichern. Eine Gegenpartei verpflichtet sich dazu, gegen eine Risikoprämie die Ausfallrisiken zu übernehmen, wenn der oder die Schuldner tatsächlich bankrottgehen. Bei der Deutschen Bank stand in den vergangenen Tagen indes die Frage im Raum: Haben Spekulanten die Prämien für Kreditausfallversicherungen von Deutschlands größtem Geldhaus in die Höhe getrieben, um den Aktienkurs abstürzen zu lassen?

Die Idee hinter CDS war ursprünglich eine völlig andere. Nämlich: Wer sich verlässlich absichern kann, vergibt eher Kredite, und Schuldner bekommen dadurch besseren Zugang zu Kapital. Die Preisentwicklung von CDS auf einem funktionierenden Markt kann Investoren zudem dabei helfen, die Bonität von Schuldnern besser und schneller einzuschätzen als Ratingagenturen.

Eingeführt wurden die Produkte in den frühen 1990er-Jahren. Der Markt wuchs stetig und erhielt einen Wachstumsschub im Vorfeld der großen Finanzkrise. Zwischen Ende 2006 und Ende 2007 verdoppelte sich das CDS-Volumen nach Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) auf einen Nominalwert von über 61.000 Milliarden Dollar. Diese versicherte Ausfallsumme von Krediten überstieg die damalige Weltwirtschaftsleistung.

Das rasante Wachstum passierte vor allem im nicht regulierten und nicht standardisierten Raum der Finanzmärkte. Eingesetzt wurden CDS vermehrt von Hedgefonds und Banken, für immer größere Spekulationen. Dabei wandelte sich ihr ursprünglicher Charakter: Von einer Versicherung wurden sie zu Wetten auf den Zusammenbruch des Schuldners.

Die letzte große Finanzkrise nahm 2007 ihren Anfang mit heftigen Erschütterungen am spekulativ aufgeblähten US-Immobilienmarkt. Als die Zinssätze stiegen, platzte die Immobilienblase und führte zu einer Welle von Hypothekenausfällen. Dadurch wurden gebündelte Papiere im Wert von vielen Milliarden Dollar plötzlich wertlos. Banken hatten im Vorfeld der Krise mit Hypotheken besicherte Kredite (Mortgage-Backed Securities, MBS) von Schuldner mit schlechter Bonität mit solchen von soliden Schuldnern gebündelt, ein gutes Rating draufpappen lassen und die Bündel am Kapitalmarkt weiterverkauft. Auch für solche MBS-Bündel waren CDS ausgegeben worden.

Die Ausfälle von MBS lösten hohe CDS-Auszahlungen aus und setzten eine Kettereaktion in Gang: Auch Parteien, die für die Schulden geradestehen mussten, standen damals vor der Pleite. Beispielhaft dafür ist der Kollaps des damals weltgrößten Versicherers AIG, der am CDS-Markt ein ganz großes Rad drehte. In der Spitze garantierte AIG Schulden von rund 600 Milliarden Dollar. Das machte den Versicherer zu einer tickenden Zeitbombe, die dann auch explodierte.

Mehr Sicherheiten 

Die Größe des CDS-Marktes und die Rolle, die er in der Finanzkrise spielte, führten zu Forderungen nach mehr Transparenz und Resilienz. Tatsächlich hat der Markt seitdem eine Reihe wichtiger Veränderungen durchlaufen. Schon sein Volumen ist deutlich geschrumpft. Die ausstehenden Nominalwerte verringerten sich laut BIZ von 61.200 Milliarden Dollar Ende 2007 auf 9.300 Milliarden Dollar Mitte 2022.

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Zu den wichtigsten Reformen nach der Krise gehörten die vermehrte Standardisierung von Verträgen, erweiterte Meldepflichten und die Abrechnung und Abwicklung über zentrale Stellen mit Einschusspflichten für Marktteilnehmer. Kreditversicherungen werden heute oft nicht mehr bilateral ausgestaltet und abgeschlossen, sondern über eine Clearingstelle. Würde ein Marktteilnehmer umkippen, stünde die Clearingstelle in diesem Fall für die offenen Forderungen parat – mit dem Geld, das sie zuvor an Sicherheiten eingesammelt hat. Der Wert einer Versicherung wäre schließlich null, wenn sie im Schadensfall nicht zahlen kann.

Der Anteil der Geschäfte, die über zentrale Gegenparteien abgewickelt werden, liegt inzwischen bei knapp zwei Dritteln des Gesamtvolumens. Das hat das so genannte Kontrahentenrisiko deutlich verringert. Die zentrale Abwicklung verhindert allerdings nur, dass der Markt kollabiert, falls ein großer Verkäufer von Kreditversicherungen wie damals AIG in die Knie geht.

Wer mit CDS auf die die Pleite eines Schuldners spekulieren will, kann das weiterhin. Und es gibt weiterhin einen Markt, auf dem bilaterale Verträge geschlossen werden, die nicht die für die zentrale Abwicklung nötigen Standards erfüllen. Trotzdem lief der Markt in den vergangenen Jahren in ruhigen Bahnen – bis es zum Beben bei US-Regionalbanken und der Zwangsehe der Credit Suisse mit der UBS kam. Nun geht es plötzlich wieder um CDS und um die Rolle, die sie in den jüngsten Turbulenzen spielen.

In den Fokus geriet hier vor allem die Deutsche Bank: Deren Versicherungsprämien gegen einen Zahlungsausfall stiegen sprunghaft an. Dieser Anstieg löste einen Kursrutsch aus, bei Aktien der Deutschen Bank, aber auch bei anderen europäischen Bankentiteln.

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Die jährliche Prämie für Versicherungen gegen einen Zahlungsausfall nachrangiger Anleihen der Deutschen Bank stieg steil an und erreichte in der Spitze über 800 Basispunkte. Binnen weniger Tage hatte sich dieser CDS-Preis verachtfacht. Um zehn Millionen Euro abzusichern, mussten Versicherungsnehmer eine Prämie von über 800.000 Euro zahlen. Andrea Enria, Leiter der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB), betrachtet das als besorgniserregendes Zeichen dafür, wie leicht Anleger verschreckt werden können. Mit wenigen Millionen Euro Einsatz in CDS ließen sich Milliarden bewegen.

Zu Recht stellt Enria fest, dass ein zentrales Clearing für CDS die Transparenz verbessern würde. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre gehen in diese Richtung und bestätigen Enrias Einschätzung. Aber: Vielleicht spürten die Gläubiger der Deutschen Bank und anderen Kreditinstituten tatsächlich einen höheren Absicherungsbedarf.

Die von den Schweizer Behörden orchestrierte Übernahme der Credit Suisse durch die UBS war alternativlos. Trotzdem gab es einen Punkt bei diesem Deal, der Investoren beunruhigte und möglicherweise der Auslöser war für den Sturm, der inzwischen wieder abgeflaut ist: Aktionäre der Credit Suisse erhalten zwar nur Rappenbeträge für ihre Anteile, aber sie gehen nicht leer aus. Die Inhaber von bedingten Pflichtwandelanleihen der Schweizer Bank hingegen, bekannt als CoCo-Bonds oder AT1-Anleihen, schauen in die Röhre. Sie verlieren mehr als 16 Milliarden Franken. 

Normalerweise stehen selbst ungesicherte Gläubiger in der Kapitalstruktur eines Unternehmens über den Aktionären. Jetzt stellen sich die Inhaber von AT1-Bonds natürlich die Frage nach dem tatsächlichen Wert ihres Investments. Wenn sich das Risikoprofil einer Anlage verschlechtert, erhöht sich logischerweise der Absicherungsbedarf. Es geht immerhin um einen Markt mit einem Volumen von schätzungsweise 260 Milliarden Dollar.

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Auch die Deutsche Bank hat AT1-Bonds in Milliardenhöhe emittiert. Der AT1-Markt ist durch die Rettung der Credit Suisse angeschlagen. Investoren stellen sich die Frage, wie Banken in Zukunft ihr Eigenkapital stärken können, ohne die Anteile ihrer Aktionäre massiv zu verwässern. Auch das wäre eine Erklärung für steigende CDS-Prämien und fallende Aktienkurse bei Banken. Es muss nicht immer Spekulation sein.

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