Wer in diesem Jahr an der Börse eingestiegen ist, hat wahrscheinlich Geld verloren. Der Weltaktienindex MSCI World sackte um gut zehn Prozent ab. Die Hoffnungsträger der Coronazeit sind abgeschmiert. Und Bitcoin und Co. ringen mehr denn je um ihre Daseinsberechtigung. 2022 war es für Privatanleger beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, an den Finanzmärkten Geld zu verdienen – oder es wenigstens nicht zu verlieren.
Für viele Anleger ist das eine vollkommen neue Situation. Die Generation Aktie erlebt gerade ihren ersten Börsencrash. All jene Neuanleger, die von der Pandemie zu Smartphonebrokern wie Trade Republic und Scalable getrieben wurden und die zeitweise hohe Gewinne verzeichneten, werden nun mit Kursverlusten konfrontiert.
Die tiefrote Bilanz dieses Börsenjahres nährt die Sorge, dass sich viele Junganleger vom Aktienmarkt wieder zurückziehen, frei nach dem Motto: „Das Girokonto ist zwar unsexy, aber sicher.“ Zumindest vor Abzug der Inflation mag das korrekt sein.
Wer dem zustimmt, vergisst aber seine Rente. Die Rentenlücke wächst von Jahr zu Jahr, die viel diskutierte Aktienrente soll im kommenden Jahr erst einmal mit einem Kleckerbetrag starten. Ohne privates Zutun wird es für junge Beitragszahler schwierig, auf eine auskömmliche Rente zu kommen. Aktien sind deshalb für die Altersvorsorge das Gebot der Stunde.
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Langfristige Aktienanlagen zahlen sich aus: Wer als Mittzwanziger beginnt, jeden Monat 100 Euro in einen ETF-Sparplan zu stecken, kommt nach 40 Jahren auf ein Vermögen von knapp 149.000 Euro – bei einer jährlichen Rendite von durchschnittlich fünf Prozent. Ein gutes Drittel davon wären Kapitalerträge. Es würde reichen, um sich 25 Jahre lang eine Zusatzrente von fast 850 Euro pro Monat auszuzahlen. Denn über den Auszahlungszeitraum hinweg wächst das Vermögen natürlich weiter.
Börsencrashs bergen die Gefahr, dass eine ganze Generation zu Aktienmuffeln wird. Nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes kurz nach der Jahrtausendwende schmähten viele Deutsche die Börse als reine Zockerbude. Vorbehalte, die bis heute währen. Doch vieles spricht dafür, dass sich die Aktienkultur gerade grundlegend ändert.
Die junge Anlegerkohorte erhebt nicht ein einzelnes Wertpapier zur „Volksaktie“, wie es ihre Eltern mit der T-Aktie taten. Stattdessen setzt die Mehrzahl der Anleger auf breit aufgestellte Indexfonds. Klumpenrisiko? Fehlanzeige.
Und wenn man den Zahlen von Neobrokern Glauben schenkt, trotzen ihre Kunden dem veränderten Marktumfeld und investieren weiter. Wackelbörsen und Inflation erschüttern die Sparmoral bisher nicht. Weiter so, Leute!
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