Krisenmetall Gold bleibt die Währung der letzten Instanz

Gold hat am Montag zwar einen Kurssturz erlitten. Dennoch gilt es als sicherer Hafen, der Preis hat etwa kaum auf die Griechenland-Krise reagiert. Warum der Besitz von Münzen und Barren für Anleger unverzichtbar bleibt.

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Goldbarren Quelle: dpa

In Griechenland machen Banken dicht, Sparern droht der Verlust ihrer Einlagen, Geldautomaten spucken – wenn überhaupt – nur 60 Euro pro Tag aus, Kapital darf das Land nicht verlassen. In China crashen die Börsen, Investoren wird der Verkauf ihrer Aktien verboten. Und in New York legt eine Computerpanne die weltweit größte Börse stundenlang lahm. Diese Fälle, sagt der Investor und Pessimist Marc Faber, seien nur der Vorgeschmack auf das, was eines Tages bei allen Finanzinstituten passieren werde: „Investoren und Sparer werden keinen Zugriff mehr haben auf ihre Vermögenswerte.“ Glücklich könne sich dann schätzen, der eine Liquiditätsreserve außerhalb des Finanzsystems aufgebaut hat, auf die er in der Krise zurückgreifen kann.

Bewährt hat sich eine Reserve aus Goldbarren und -münzen, die Anleger jederzeit verkaufen können. In Griechenland und anderen Krisenregionen verkaufen Menschen Gold, um etwa Medikamente zu kaufen – oder ein Fluchtticket nach Nordeuropa.

Krisenbarometer funktioniert nicht

Meilensteine des Goldpreises

Der Goldpreis ist ein viel beachtetes Krisenbarometer. Dieses Barometer signalisierte in den vergangenen Wochen überraschenderweise keine dramatische Zuspitzung der Krisen, weder einen drohenden Zerfall der Euro-Zone noch das zunehmende Risiko eines harten Aufschlags der chinesischen Volkswirtschaft. Für spekulative Anleger, die Gold gekauft haben, um es rasch mit Gewinn zu verkaufen, lief es zuletzt recht glanzlos. Massive Verkäufe chinesischer Anleger haben Gold am Montag einen Kursrutsch eingebrockt. Der Preis für das Edelmetall fiel um bis zu vier Prozent auf ein Fünf-Jahres-Tief von 1088,05 Dollar (1004,69 Euro) je Feinunze.

Befürchtungen, auch die griechische Zentralbank könnte ihr Tafelsilber verscherbeln und so den Goldpreis drücken, gibt es. Aber ein solcher Schritt ist unwahrscheinlich. Der Wert der griechischen Goldreserven von offiziell 112,5 Tonnen (rund 3,79 Milliarden Euro) deckte nur etwa ein Prozent der griechischen Staatsschulden. Zudem wäre das Gold nach einem Verkauf unwiederbringlich verloren, es fehlte nach einem Grexit zum Aufbau einer neuen Währung.

Goldpreis in Yuan und Aktienkäufe (zum Vergrößern bitte anklicken)

Es gibt Beobachter, die argwöhnen, dass am Goldpreis gedreht wird. Notenbanken und Großbanken haben kein Interesse an einer rasch nach oben schnellenden Fieberkurve des Finanzsystems. Sie könnten versuchen, den Preis in heißen Phasen an den Märkten zu deckeln. Schockartige Goldpreisrückgänge, wie auch unlängst wieder zu beobachten, seien typisch für Markteingriffe, sagt Dimitri Speck, Autor des Bestsellers „Geheime Goldpolitik – Warum die Zentralbanken den Goldpreis steuern“. Er hat aus Millionen Kursen ermittelt, dass Gold an der New Yorker Derivatebörse Comex oft scharf fällt, bevor in London der Richtwert für den physischen Goldhandel weltweit festgelegt wird. Das geschieht seit März zwar nicht mehr in einer geheimen Telefonkonferenz unter fünf Banken (Goldfixing), sondern in einer elektronischen Auktion. Doch auch an der dürfen erst zehn Großbanken teilnehmen.

Ein weiteres Indiz für Manipulationen des alten Fixings am Telefon fanden Andrew Caminschi und Richard Heaney. Die Professoren der Universität Perth haben belegt, dass Goldderivate die Richtung des Fixings verblüffend häufig vorhersagen. Das deutet darauf hin, dass professionelle Marktteilnehmer dessen Ergebnis kannten – oder es beeinflussten. Ob sich dies mit der elektronischen Auktion geändert hat, ist unklar.

China - das goldene Reich

Doch es gibt noch andere gewichtige Gründe, die auf dem Goldpreis lasten: Wenn in China, auf das ein Viertel der globalen Goldnachfrage entfällt, die Wirtschaft abflaut, dann spürt das auch der Goldmarkt: Laut World Gold Council, der Lobbyorganisation der Goldminen, fiel Chinas Goldnachfrage im ersten Quartal um sieben Prozent auf 273 Tonnen. Zwischen Januar und Mai erreichte über Hongkong, dem wichtigsten Umschlagplatz für Gold in Asien, netto 18 Prozent weniger Gold das chinesische Festland als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Gier und Angst dämpfen Nachfrage

Preisdämpfend auch: das Aktienfieber in China. Die Regierung in Peking hatte 2014 eine Aktienrally entfacht. Der Index CSI 300 der Börsen Shanghai und Shenzhen schoss seit Juli 2014 in der Spitze um gut 150 Prozent nach oben. Bei der Gier nach dem schnellen Yuan war Gold weniger gefragt. Unbedarfte Privatanleger, die zu spät auf den Börsenzug aufgesprungen sind und Aktien massiv auf Pump gekauft haben, stehen jetzt finanziell tief unter Wasser.

Zehn kuriose Fakten über Gold
Gold ist essbarEine Bedienung serviert eine Currywurst mit Blattgold und Champagner. Auch Süßspeisen, edle Pralinen oder Gebäck werden gern mit Blattgold verziert. Einen Eigengeschmack hat Gold nicht.Quelle: Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung Quelle: dpa/dpaweb
Gold ist sehr gut formbarVon allen bekannten Metallen ist Gold dasjenige, das am besten dehn- und formbar ist - zugleich ist es sehr stabil. So kann aus nur einem Gramm Gold ein mehr als drei Kilometer langer Draht hergestellt werden, der dünner als ein menschliches Haar ist. Quelle: REUTERS
Früher waren Olympia-Medaillen aus GoldDie deutsche Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch posiert mit zwei Medaillen, die sie bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 gewann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Goldmedaillen noch aus massivem Gold. Heute sind sie nur noch vergoldet. Schuld sind die seit dem Jahr 1900 stark gestiegenen Goldpreise. Bei einem aktuellen Goldpreis von etwa 1172 Dollar wäre die 500 Gramm schwere Medaille rund 18.840 Dollar wert. Quelle: dpa
Deutsche sind Gold-FansDie Deutschen setzen auf Gold: Laut einer Studie, die der Edelmetallkonzern Heraeus bei der Berliner Steinbeis-Hochschule in Auftrag gegeben hatte, haben die Deutschen im Herbst 2014 mehr Gold in ihrem Privatbesitz als die US-Notenbank Fed eingelagert hat. Es sind etwa 8200 Tonnen. Quelle: dpa
Gold als HeilmittelSeit Jahrtausenden wird Gold in der Naturheilkunde eine heilende Wirkung zugeschrieben. Auch heute noch werden Gold-Spritzen oder -Tabletten zum Beispiel gegen Rheuma angeboten. Die Therapie kann aber zahlreiche Nebenwirkungen haben und erfordert eine intensive ärztliche Betreuung. Quelle: dpa
Das größte GoldnuggetHier ist das "Butte Nugget" zu sehen, eines der größten Goldnuggets, die je gefunden wurden. Noch größer war aber das Nugget "Welcome Stranger", das zwei Australier im Jahr 1869 fanden. Es maß zehn mal fünfundzwanzig Zentimeter. Quelle: AP
Warum ist Gold kein offizielles Zahlungsmittel mehr?Der damalige US-Präsident Richard M. Nixon verkündete am 15. August 1971, dass der US-Dollar nicht mehr in Gold eintauschbar sei. Von da an verwandelten sich die Währungen der Welt in nicht einlösbares Papiergeld, Gold war keine Währungsdeckung mehr. Die Schweiz war lange eine Ausnahme: Bis das Alpenland 1999 in den IWF eintrat, waren noch 40 Prozent jedes Schweizer Frankens durch Gold gedeckt. Quelle: AP

Vergleichen lässt sich die aktuelle Situation in China mit der Finanzkrise von 2008. Damals drohte dem gesamten Finanzsystem nach dem Aus von Lehman Brothers die Liquidität auszugehen. Auch damals geriet der Goldpreis zeitweise unter Druck, weil Liquidität beschafft werden musste. Wenn jetzt viele Anleger im Land des weltweit größten Goldkäufers in der Liquiditätsklemme sitzen, fehlt das Geld zum Goldkauf. Anleger kommen nicht an ihre Aktien und können nicht verkaufen, oder sie müssen zwangsweise Aktien verkaufen, um ihre Börsenkredite zu bedienen. Einige unglückliche Spekulanten könnten jetzt gezwungen sein, ihre Goldreserve zu verkaufen.

China geht den Weg des Westens

Sollte die aktuelle Liquiditätsklemme aber irgendwann behoben sein, dann wird der Druck auf den Goldpreis wieder nachlassen – eine kräftige Erholung ist gar wahrscheinlich. China könnte den Weg des Westens einschlagen und ebenfalls versuchen, über den Ankauf von Wertpapieren die Vermögenspreise wieder nach oben zu drücken und die eigene Währung zu schwächen. „An einem gewissen Punkt wird China seine Währung gegenüber dem Dollar abwerten“, prophezeit der Starinvestor Bill Gross. Noch zaudert Peking, weil der Renminbi aufgebaut werden soll zu einer globalen Reservewährung. Aber der deflationäre Druck droht noch stärker zu werden im Reich der Mitte. Die People’s Bank of China dürfte dann denselben Weg einschlagen wie zuvor schon die Federal Reserve, die Bank of England, die Bank of Japan – und als letzte große Notenbank die Europäische Zentralbank (EZB).

Bilanzsumme des Euro-Systems und des Geldpreises

„Unser Ziel ist, die Größe unserer Bilanzsumme dorthin zu bewegen, wo sie Anfang 2012 war“, kündigte deren Präsident Mario Draghi im August 2014 an. Rückblick: Im März 2012 überstieg die Bilanzsumme des Euro-Systems zeitweise 3000 Milliarden Euro. Ihren Rekordstand erreichte sie wenige Monate später bei 3102 Milliarden Euro. Mehr Euro-Angebot bei nahezu konstanter Goldmenge – diese Relation schob damals den Goldpreis an. In Euro kostete die Feinunze im Oktober 2012 in der Spitze 1386,51 Euro. Für den steilen Anstieg der Bilanzsumme des Euro-Systems – und des Goldpreises in Euro – gesorgt hatte Draghi mit zwei je 500 Milliarden Euro schweren dreijährigen Liquiditätsprogrammen, die den Banken im Dezember 2011 und März 2012 verabreicht wurden. Die Banken begannen im Sommer 2012 mit der Rückzahlung. Entsprechend schrumpfte die Bilanzsumme wieder, im Tief auf 1988 Milliarden Euro. Nahezu parallel dazu fiel auch der Goldpreis in Euro auf das Preisniveau der Zeit vor der Liquiditätsflut zurück.

EZB will den Kaufkurs halten

Draghi ließ seinen Worten Taten folgen. Vor allem die im März 2015 gestarteten Staatsanleihekäufe erhöhten die Bilanzsumme des Euro-Systems wieder, auf aktuell 2497 Milliarden Euro. Der Goldpreis in Euro hatte das zeitlich vorweggenommen und konsolidiert gerade den Anstieg vom Januar, als das Programm vom EZB-Rat beschlossen wurde. Draghi will auf Kaufkurs bleiben. Macht ihm dabei die Politik keinen Strich durch die Rechnung, sollte auch Gold in Euro bald wieder spürbar zulegen.

Chinesen sehen Gold nach wie vor als wichtigen Baustein zur Vermögenssicherung. Der Börsencrash könnte wieder für eine Rückkehr in den sicheren Hafen Gold sorgen. Das gedrückte Goldpreisniveau reizt zumindest. Die Hongkonger Statistikbehörde meldete, dass das Festland im Mai wieder netto 70,8 Tonnen Gold aus Hongkong importiert hat. Das waren 36 Prozent mehr als im Vormonat und 35 Prozent mehr als im Vorjahr und die höchsten Netto-Importe seit vier Monaten. Eine wieder stärkere chinesische Goldnachfrage sollte den Goldpreis im Jahresverlauf zusätzlich unterstützen, sagt Eugen Weinberg, Leiter des Rohstoffresearch der Commerzbank.

So schmieren die Aktien der Goldminen-Betreiber ab

Angriff auf Bargeld und Gold

Einen vergleichbaren Run auf Gold wie an die Börsen dürften die chinesischen Behörden aber verhindern. Die komplette Flucht aus dem Finanzsystem ist unerwünscht. Dirigistische Maßnahmen bis hin zu einem Goldbesitzverbot sind denkbar.

Auf Einschnitte in ihre finanzielle Freiheit sollten sich auch Anleger in Europa einstellen. Bis zum 1. Januar 2016 müssen alle EU-Staaten die Bail-in-Regelung umgesetzt haben: Nicht mehr Steuerzahler, sondern Eigentümer und Gläubiger sollen dann geradestehen, wenn eine Bank Pleite macht. Bankeinlagen bis 100.000 Euro sind von der Regelung zwar ausgenommen. Dennoch dürften Bürger tendenziell mehr Bargeld horten oder das Bankensystem ganz meiden, etwa durch den Kauf von physischem Gold.

Dem Bargeld haben Ökonomen bereits den Kampf angesagt. So fordert der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, Bargeld aus dem Verkehr zu ziehen und alle Zahlungen elektronisch abzuwickeln. So ließen sich Kosten senken und die Kriminalität eindämmen. Im Kampf gegen Schwarzarbeit plädiert Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans für ein Limit für Bargeld-Abhebungen. US-Ökonom Kenneth Rogoff sagt, Zentralbanken könnten in einer bargeldlosen Welt leichter Negativzinsen durchsetzen und so die Bürger zwingen, via Konsum die Konjunktur anzukurbeln.

Bei Gold wäre eine von Brüssel aus betriebene Wiedereinführung einer europaweiten Mehrwertsteuer denkbar. Auch könnten Zugewinne mit Barren und Münzen, die nach einem Jahr Haltefrist steuerfrei bleiben, künftig mit Abgeltungsteuer belegt werden. Auch Gold könnte als Geldwäsche- und Steuerhinterziehungsmittel sowie als Finanzierungsmittel des internationalen Terrorismus diskreditiert werden.

Anleger sollten Gold daher möglichst anonym kaufen, also unterhalb der gesetzlichen Meldesumme von 15.000 Euro – und es dort aufbewahren, wo es am wenigsten wahrscheinlich ist, dass es ihnen irgendwann weggenommen wird.

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