Kryptowährungen „Attacke gegen den Krypto-Space“: Wie die Regulierungswut der EU Bitcoin und Co. zusetzt

Die Regulierungspläne der EU beunruhigen die Krypto-Branche. Quelle: REUTERS

Die EU will Kryptowährungen mit scharfen Regeln in die Mangel nehmen. Die Branche sorgt sich um die Krypto-Zukunft Europas – und wirft der Brüsseler Politik Unwissenheit vor.

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So richtig besorgt sehen sie hier nicht aus, die Stimmung gleicht eher der eines Klassentreffens. Seit Montag feiert die Blockchain-Gemeinde ihr Branchentreffen, die Crypto Asset Conference, an der Frankfurt School of Finance & Management – endlich wieder ganz analog, nicht nur in der allen hier wohlvertrauten virtuellen Welt oder gar im Metaversum. Nicht mal die Krypto-Kursverluste der vergangenen Monate drücken die Stimmung. Im Gegenteil: Viele bezweifeln, dass es sich tatsächlich schon um einen Bärenmarkt handelt und nicht nur um einen vorübergehenden Rücksetzer.

Aber ein Thema belastet das gemütliche Beisammensein der Kryptobranche doch. Und der Schuldige ist schnell ausgemacht: die Brüsseler Politik. In der vergangenen Woche stimmte das Europäische Parlament für eine deutlich strengere Regulierung bestimmter Kryptowallets.

Die Entscheidung ist in der Tech-Branche höchst umstritten. Der Digitalverband Bitkom fürchtet gar, Europa könnte damit „seine Zukunft als Innovationstreiber im Kryptosektor verspielen“. Auch viele Konferenzteilnehmer sind beunruhigt, wie schnell die Brüsseler Politik die Kryptobranche an die kurze Leine nimmt. Viele in Brüssel hätten gar nicht richtig verstanden, worüber sie da abstimmten, konstatiert Konferenz-Gastgeber Philipp Sandner, der das Blockchain Center der Frankfurt School leitet. Doch worum geht es genau?

Schärfer reguliert werden sollen die sogenannten „unhosted wallets“. Wallets sind so etwas wie Kryptoportemonnaies, in denen die digitalen Schlüssel und damit der Zugang zu den eigenen Coins aufbewahrt werden. „Unhosted“ sind diese, wenn sie nicht von einem Dienstleister verwahrt werden, zum Beispiel einer Börse wie Coinbase oder Binance. Stattdessen sind es Wallets, die der Nutzer selber hält, zum Beispiel in Form eines USB-Sticks, auf dem eben die Schlüssel zu den eigenen Bitcoins gespeichert sind.

„Krypto-Wallachei statt Krypto-Valley“

Wer eine solche private Wallet hat, kann Transaktionen abwickeln, ohne dass ein Intermediär wie eine Börse oder ein Zahlungsabwickler dazwischengeschaltet ist. Die Transaktion ist also weitaus anonymer als über eine Wallet, die von einem Kryptohandelsplatz verwaltet wird – so, wie es sich die dezentrale Finanzwelt eigentlich erträumt. An den regulierten Handelsplätzen müssen sich Nutzer längst bei der Anmeldung identifizieren, ähnlich wie beim Eröffnen eines Bankkontos.

Ziel des Regulierungsmanövers ist es unter anderem, Geldwäsche mittels anonymer Kryptotransaktionen zu verhindern. Noch ist das Verbot nicht komplett durchgesetzt. In einem Trialog aus Rat, Parlament und Kommission müssen die EU-Institutionen dem noch zustimmen.

In einem sind sich die Teilnehmer in Frankfurt einig: Es fehle Politikern und Regulatoren an Wissen über Kryptowährungen und die Blockchain. So würden sich dann Fehleinschätzungen durchsetzen. Etwa, dass Kryptowährungen wie der Bitcoin vor allem für Betrügereien und Geldwäsche genutzt würden. „Die Entscheidung ist ein Symptom für einen Mangel an Wissen“, sagt Katharina Gehra, Mitgründerin des Blockchain-Analyseunternehmens Immutable Insight. Es sei der falsche Weg, kritisiert Andrew Robinson, der bei der Kryptobörse Coinbase das Geschäft mit Institutionellen verantwortet, Regulierungsansätze aus der analogen Welt der Fiatwährungen einfach zu kopieren und auf die Kryptowelt zu übertragen.

Auch in Teilen der Politik stoßen die Brüsseler Umtriebe auf Unverständnis. Frank Schäffler, FDP-Bundestagsabgeordneter und Experte in Sachen Blockchain, sieht in dem Vorgehen des EU-Parlaments die Grundphilosophie der Digitalwährungen gefährdet. Mit gravierenden Folgen für Europa als Kryptostandort: „Die europäische Bürokratie gibt sich alle Mühe, Europa zur Krypto-Wallachei statt zum Krypto-Valley zu machen.“ Das Verbot von privaten Wallets ist für Schäffler die „nächste Attacke gegen den Krypto-Space“.

Kurscharts sind das größere Problem

Erst vor wenigen Wochen hatte ein Entwurf des EU-Wirtschaftsausschusses ECON für Unruhe gesorgt. Konkret ging es darum, Handelsplattformen Dienstleistungen mit Kryptowährungen zu verbieten, die auf dem Proof-of-Work-Ansatz beruhen – wegen des immensen Energieverbrauchs. Das hätte ein faktisches Verbot des Bitcoins bedeutet. Letztlich stimmte der Ausschuss gegen das Vorhaben von Sozialdemokraten, Linken und Grünen – mit nur knapper Mehrheit.

Dass der Markt reguliert werden muss, da widersprechen selbst auf der Krypto-Konferenz die wenigsten. Coinbase wurde im vergangenen Jahr als erste Kryptobörse von der deutschen Finanzaufsicht BaFin zugelassen. Robinson räumt deshalb auch ein, dass die neuen EU-Regeln zu „unhosted Wallets“ für regulierte Unternehmen kaum etwas ändern, da sie ihre Kunden ohnehin bereits identifizieren müssen.

Christoph Kreiterling, der sich bei der BaFin um den Bereich Finanzinnovationen kümmert, verweist darauf, dass auf den raschen Aufstieg der Kryptomärkte auch ein Plus an Regulierung folgen müsse: „Der Job eines Regulators ist es ja nicht, von allen geliebt zu werden.“ Ein sicherer Rahmen für alle Akteure sei wichtig für weiteres Wachstum.

Trotzdem zeigt die Entscheidung der EU, dass beim Thema Blockchain noch Erklärungsbedarf besteht. „Anders als bei traditionellen Finanzströmen ermöglicht es die nicht veränderbare Blockchain, betrügerisches Verhalten aufzuspüren, etwa mit Hilfe sogenannter Chain-Analyse-Tools“, sagt Kevin Hackl, Bereichsleiter Digital Banking & Financial Services beim Branchenverband Bitkom.

Ein echtes Drama sieht allerdings, trotz der Aufregung, kaum ein Konferenzteilnehmer in der Entscheidung des EU-Parlaments. Für diese Einschätzung reicht vielen ein Blick auf die Kurscharts der vergangenen Woche. Denn Bitcoin, Ether und Co. haben kaum auf das Brüsseler Ansinnen reagiert. „Den Märkten sind die Regulierungspläne mancher EU-Politiker ziemlich egal“, sagt Gastgeber Sandner.

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