Kunstmarkt Der Schatz der Kunsteditionen

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Entheroisierung der Künstler

„Uns ging es um die Demokratisierung des Kunstmarkts und die Entheroisierung des Künstlergenies“, erinnert sich Klaus Staeck, heute Präsident der Berliner Akademie der Künste und mit seiner 1965 gegründeten Edition Staeck einer der Urväter der Auflagenkunst. „Auch Kunstinteressierte mit kleinem Geldbeutel sollten hochwertige Arbeiten bekannter und unbekannter Künstler zu überschaubaren Preisen erwerben können. Über die Jahrzehnte haben Produktion und Vertrieb dieser Multiples eine nie erwartete Bedeutung innerhalb des Kunstgeschehens gewonnen.“

Auch etablierte Künstler warten immer wieder mit bezahlbaren Auflagenarbeiten auf. Einerseits. Andererseits hat auch der Markt für Editionen eine unerwartete Dynamik entwickelt: Der berühmte Schlitten von Joseph Beuys, 1969 50 Mal produziert, kostete damals 300 Mark. 2010 ging ein Exemplar für 366.000 Euro an einen Sammler.

Aber auch Künstler, die nicht ständig im Rampenlicht stehen, setzen auf den Charme der Edition. „Die Idee ist bis heute aktuell“, sagt Staeck. „Auch als originelles Gastgeschenk für wenig Geld.“

Etwa eine Arbeit des arrivierten Media-Künstlers Rudolf Bonvie aus dem Portfolio seiner Galeristin Priska Pasquer, die sonst Raritäten russischer Avantgardisten aus den Zwanzigerjahren oder japanischer Fotografen für mehrere Zehntausend Euro anbietet. Bonvies Motiv, zwei sich berührende Hände, wurde im Internet zum viralen Hit, Pasquer holte es als Edition ins analoge Leben. „Damit“, sagt die Galeristin, „erschließen wir uns junge Zielgruppen.“

Im Editionenwerk Gerhard Richters sind solche Schnäppchen nicht mehr möglich: „Die Leute haben sich darum fast geprügelt“, erinnert sich ein K20-Mitarbeiter an die Ausgabe einer Richter-Edition des Museums anlässlich einer großen Retrospektive des Kunststars 2005. Der Preis: 3000 Euro. Ein komplettes Set der 16-teiligen Aluminium-Edition Cage Grid wurde Mitte Februar für knapp 700 00 Euro versteigert. Der Offsetdruck von „Betty“ – 1991 mit 7000 Pfund vergleichsweise erschwinglich – erzielte 2010 bei Sotheby’s umgerechnet 283.000 Euro. Und selbst für eine von Richter signierte Betty-Postkarte musste man 2011 beim Pariser Auktionshaus Piasa 500 Euro berappen.

Wem auch das noch zu teuer ist, kann sich in den Kölner Dom setzen und dort das von Richter gestaltete Kirchenfenster betrachten – der Eintritt ist frei.

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