
Wenn Mario Draghi „den Finger am Abzug hat“, wie Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann das nennt, dann droht zwar kein Krieg. Aber auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) führt einen Feldzug: gegen Preisverfall, Reformmüdigkeit, Schulden. Und wie in jedem Krieg gibt es Kollateralschäden: Draghi trifft das Geld der Sparer, ihre Altersvorsorge.
Aussagen von Notenbankern, ihre Entscheidungen, selbst Untätigkeit bewegen Anleihen, Aktien und Gold und sind auch maßgeblich für den Sparbuch- und Tagesgeldzins. Noch nie wurden Anleger so stark von der Politik der Notenbanken getrieben, noch nie war so wichtig, was nach den geheimbündlerisch anmutenden Sitzungen der US-Notenbank Fed in Washington öffentlich gesagt, der EZB in Frankfurt nicht gesagt oder bei der Bank of Japan in Tokio denn so beschlossen wird.
Kurzfristanlagen fressen Kapital
Ziemlich sicher ist: Auf üblichen Sparkonten wird es nach jüngsten spektakulären Notenbank-Beschlüssen auch 2015 kaum Zins geben; Strafzinsen belasten jetzt schon Fondsanleger. Trotzdem halten deutsche Anleger in Treue an ihren Nullzinsanlagen fest.
So sieht die Geldanlage der Deutschen aus
35 Prozent der Deutschen haben eine Lebensversicherung abgeschlossen.
Fast ebenso viele, nämlich 32 Prozent, besitzen einen Bausparvertrag oder Bausparplan.
In Deutschland besitzen 29 Prozent der Bürger ein Tagesgeldkonto.
Ebenso viele, nämlich 29 Prozent, sehen ihre Immobilie als Geldanlage an.
20 Prozent besitzen Fondsanteile, 17 Prozent Festgeld/Termingeld und 12 Prozent Aktien.
Deutlich geringer ist dagegen der Anteil der Edelmetallbesitzer: sieben Prozent haben in Goldbarren oder -münzen investiert und vier Prozent zählen Silberbarren oder -münzen zu ihrem Besitz.
Sechs Prozent sehen ihre Antiquitäten (z. B. einen sehr alten Schrank) als Geldanlage und vier Prozent besitzen wertvolle Kunstgegenstände.
Jeweils zwei Prozent haben Geld in Anleihen bzw. Zertifikate angelegt.
Das Sparbuch ist laut einer aktuellen Umfrage der Nürnberger GfK für knapp die Hälfte der Deutschen die beliebteste Anlageform. Mehr als 2000 Milliarden Euro bunkern deutsche Sparer in der Zinswüste der Sparbücher, Tagesgeld- und Festgeldkonten, den Großteil davon schon seit Jahren. Fatal. Denn nachdem die EZB im September den Leitzins auf nur noch 0,05 Prozent senkte, rutschten vor allem die Sparzinsen noch einmal näher an die Nulllinie, nach Abzug der Inflation steht ein Verlust an Kaufkraft. Wer ein Sparbuch mit einem Guthaben über 10 000 Euro hält, bekommt aktuell alle zwölf Monate vielleicht 0,2 Prozent gutgeschrieben, erst 20 Euro, dann ein paar Cent mehr. Es geht also stetig nach oben – auf dem Papier. Denn selbst eine geringe Inflation von zuletzt hierzulande 0,8 Prozent knabbert am Vermögen: Abzüglich Preissteigerung sind 10 020 Euro real nur noch 9939,84 Euro wert. Wer sich nicht in die Tasche lügt, sollte wissen, dass klassische Kurzfristanlagen sukzessive Kapital wegfressen. Schwankungen gibt es auch da keine: Es geht nur nach unten.
Die Notenbanker weisen den Ausweg
Anleger sollten deshalb in die Wirtschaft investieren, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank in Frankfurt. Dazu müssten sie bereit sein, breit zu streuen „in Aktien, in Unternehmensanleihen oder auch eventuell in offene Immobilienfonds“.
Denn die Politik der Notenbanker weist auch den Ausweg, über Ankäufe von Wertpapieren treiben sie die Aktienkurse (siehe Grafik). Weil sich das Angebot an Festzinsanleihen verknappt, steigen deren Kurse. Gegenläufig sinken die Renditen, die sich als Zinskupon durch Kurs errechnen. Aktien werden gegenüber Festzinspapieren deshalb immer attraktiver.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Die Summen an Kapital, die mit diesen Käufen in die Bilanzen der Notenbanken gesogen werden, sind enorm gewachsen: Auf das 4,5-Fache oder annähernd 4500 Milliarden Dollar hat die US-Notenbank ihre Bilanzsumme aufgepumpt seit dem Fall von Lehman Brothers im September 2008. Seither legte der wichtigste Börsenindex der Welt, der amerikanische S&P 500, inklusive Dividenden um 85 Prozent zu; wer den S&P-500-Panik-Tiefstand im Januar 2009 erwischte, gewann bis dato sogar 270 Prozent. Zum Vergleich: Tagesgeld bei einer durchschnittlichen Sparkasse hat seither rund fünf Prozent Zuwachs gebracht.