"Maul zu, Frau #Merkel" Frankreich reagiert auf Kritik der Bundesregierung

Auf dem CDU-Parteitag forderte Angela Merkel mehr Engagement von Frankreich und Italien. Das kam nicht gut an. Politiker der beiden Länder schossen verbal zurück. Die Bundesregierung ist um Aussöhnung bemüht.

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Angela Merkel vor dem CDU-Bundesparteitag. Quelle: dpa

Die Bundesregierung hat den Vorwurf mangelnder Wertschätzung für die Wirtschaftsreformen in Frankreich und Italien zurückgewiesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe wiederholt großen Respekt für die Reformanstrengungen in den beiden Ländern geäußert, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Da fehlt es nicht an Anerkennung durch die Bundesregierung.“ In einem Interview der „Welt am Sonntag“ hatte Merkel stärkere Reformanstrengungen in Italien und Frankreich angemahnt. Sie schließe sich entsprechenden Bedenken der EU-Kommission an.

Die EU-Kommission habe deutlich gemacht, dass die von beiden Ländern angestrebten Reformen noch nicht ausreichend seien, sagte Merkel der "Welt am Sonntag". "Dem schließe ich mich an."

Das sah bei weitem nicht jeder so. Der französische Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon – 2012 Präsidentschaftskandidat – twitterte gestern: „Maul zu, Frau #Merkel ! Frankreich ist frei.“ Er riet Merkel auf Französisch, sich um die Armen und die ruinierte Infrastruktur in Deutschland zu kümmern.

Auch der französische Finanzminister Michel Sapin war nicht erpicht von Merkels Forderungen. Die französische Regierung setze ihre Reformen für Frankreich um – „nicht, um diesem oder jenem europäischen Politiker eine Freude zu machen.“

Was deutsche Unternehmen an Frankreich nervt
Die Deutsch-Französische Industrie- und Handelskammer und EY haben 181 deutschen Unternehmen in Frankreich nach ihrer Zufriedenheit befragt. Das Ergebnis ist gar nicht rosig: 2014 beurteilen 73 Prozent der befragten Unternehmen die wirtschaftliche Situation auf dem französischen Markt als schlecht, neun Prozent sogar als sehr schlecht. Vor zwei Jahren sahen 57 und sechs Prozent die Aussichten ähnlich finster. Für das kommende Jahr rechnen 33 Prozent der Befragten mit einer weiterhin schlechten Wirtschaftslage. Heißt: Die Mehrheit sieht ein Licht am Ende des Tunnels. "Zwei Drittel der befragten Unternehmen bekräftigen, dass ihre Muttergesellschaft wieder in Frankreich investieren würde", sagt Nicola Lohrey, Executive Director bei der Rechtsanwaltsgesellschaft EY. Quelle: dpa
58 Prozent der befragten Unternehmen stören sich daran, dass der Arbeitsmarkt nicht flexibel genug ist (2012: 50 Prozent). Quelle: dpa
Auf die Frage, welche Faktoren am meisten Einfluss auf ihre Geschäftslage ausüben, nannten 43 Prozent die Lohnkosten und 35 Prozent Steuern und Abgaben. Letztere halten 56 Prozent der befragten Unternehmen für zu hoch. 2012 waren es noch 60 Prozent. Quelle: dpa
Auch das Arbeitsrecht wird als zu rigide empfunden. 47 Prozent halten die arbeitsrechtlichen Normen für zu kompliziert (2012: 50 Prozent). Die Unternehmen würden sich folglich mehr Flexibilität in diesem Bereich wünschen. Dasselbe gilt für die Komplexität und andauernde Zunahme gesetzlicher Reglementierungen. Quelle: dpa
Die Steuern auf das Arbeitseinkommen in Frankreich halten 37 Prozent der befragten Unternehmer für zu hoch. Quelle: dapd
23 Prozent empfinden die französischen Steuerregelungen allgemein als zu kompliziert. Im Jahr 2012 sagten das noch 35 Prozent. Quelle: dpa
Im Bereich der Politik wünschen sich die befragten deutschen Unternehmer Strukturreformen, die zwar häufig angekündigt, aber nicht immer umgesetzt werden. Sie wünschen sich langfristige Berechenbarkeit und eine klare Linie, an der sie sich orientieren können. "Die Unternehmen brauchen eine Vision auf lange Sicht, die ihnen die französische Politik derzeit nur unzureichend vermittelt", sagt Damien Schirrer, Geschäftsführer von Orbis, der in der Studie zitiert wird. Quelle: AP

Nicht nur aus Frankreich kam Kritik. Italiens Europastaatssekretär, Sandro Gozi, wies die Kritik Merkels zurück. "Es ist bedauerlich, dass die unter Ministerpräsident (Matteo) Renzi eingeleiteten Reformen von Bundeskanzlerin Merkel als nicht ausreichend betrachtet werden", sagte er.

Von anderen Seiten wie US-Präsident Barack Obama und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) seien die Maßnahmen dagegen gewürdigt worden. Merkel solle sich lieber auf Deutschland und seinen Mangel an Investitionen konzentrieren. Europa warte schon seit langem darauf, dass Berlin diesen Schritt mache. Dies sei bislang nicht geschehen.

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