Meag-Anlagechef Philipp Waldstein Wartenberg "Aktien könnten besser laufen als gedacht"

Großinvestor Wartenberg verwaltet das Kapitalvermögen von Munich Re und Ergo. Warum er Aktien mag, aber lieber Anleihen von Euro-Schuldenstaaten wie Spanien kauft und warum die vor Zinserhöhungen schützen.

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Im Januar 2013 trat Waldstein Wartenberg als Geschäftsführer in die MEAG ein. Er verantwortet das Ressort Portfoliomanagement Wertpapiere, Geld und Devisen. Damit ist er verantwortlich für die Wertpapieranlagen des rund 230 Milliarden Euro großen Kapitalvermögens der Düsseldorfer Ergo-Versicherung und der Munich Re. Quelle: Presse

WirtschaftsWoche: Herr Waldstein, Sie kümmern sich um Versicherungsgelder und legen langfristig an. Interessiert Sie das tägliche Auf und Ab der Märkte?

Philipp Waldstein Wartenberg: Ja. Allerdings ist der wirkliche Treiber selten die jüngste Schlagzeile, sondern es sind die internationalen Kapitalströme oder der grundlegende Wirtschaftstrend. Die Krim-Krise beschäftigt uns, aber die ausgelöste Korrektur am Aktienmarkt war überfällig. Inzwischen hat die Börse neue Stärke gewonnen, denn die Sanktionen sollten keine größeren Auswirkungen haben. Schon 2013 gab es mit Syrien und Nordkorea politische Krisen. Bleiben sie isoliert, wirken sie sich weniger aus als der Wirtschaftstrend.

Und der ist stark?

Ja, wir gehen von einer Fortsetzung des Aufschwungs in den USA und einem stärkeren Wachstum in Europa aus. Dadurch steigen auch die Gewinne der Unternehmen. Somit sehen wir an den Börsen keine Überhitzung. Viele Investoren haben noch wenig Aktien. Sie sind aber verunsichert, weil sie die Kernfrage nicht beantworten können.

Wo Anleger auf der Hut sein sollten
Mit der Krisenampel frühzeitig gewappnet sein Die Krisenampel ist ein Frühwarnsystem, um negative Auswirkungen auf die Kapitalanlage zu prognostizieren. Entwickelt wurde das Warnsystem von der Quirin Bank und dem Analysehaus Future Value Group. Rot signalisiert dabei eine akute Krise, grün hingegen steht für eine aktuell entspannte Situation. Gelb zeigt eine möglicheerweise drohende Krise an und sollte als Alarm verstanden werden. Quelle: Handelsblatt Online
Negative RealzinsenDie Zentralbanken halten durch Ihre zwar rückläufigen aber nach wie vor erheblichen Interventionen das Zinsumfeld weiter künstlich niedrig. Gegenüber ihren zwischenzeitlichen Höchstständen zum Jahreswechsel 2013 / 2014 haben sich so die Renditen für Staatsanleihen tendenziell wieder reduziert (so liegt die Rendite z. B. zehnjähriger deutscher Staatsanleihen aktuell nur noch bei 1,66 %, die des US-Pendants weiter deutlich höher aber ebenfalls rückläufig bei 2,74 %). Die Gefahr eines plötzlich stark steigenden Realzinses (also der nominalen Zinsen nach Abzug der Inflation) ergibt sich somit auch weiterhin nicht. Auch die Inflationsraten haben sich stabilisiert (im Februar lag die Inflation in Deutschland fast unverändert bei 1,2 %), so dass auch von dieser Seite kein sprunghafter Anstieg des Realzinsniveaus droht.Ampel: Grün, seit 31.05.2013 Quelle: dpa
WährungskriseDer Kurs des Euro gegenüber dem US-Dollar bleibt weiter überaus fest. Aktuell überschreitet er mit einer Notierung von gut 1,3840 selbst die zwischenzeitlichen Höchststände vom Jahreswechsel. Trotz der nach wie vor ungelösten Euro-Problematik scheint der Kurs der Gemeinschaftswährung nach wie vor deutlich von den Beruhigungstendenzen im gemeinsamen Währungsraum zu profitieren. Selbst Kapitalmarktturbulenzen, wie sie im Februar in Bezug auf die Schwellenländer auftraten, die üblicherweise mit einer US-Dollar-Stärke einhergehen, konnten bislang an dieser trendmäßigen Entwicklung wenig ändern.Ampel: Grün, seit 31.05.2013 Quelle: dpa
StaatsschuldenkriseEin weiteres Mal hat die Wirtschaftspolitik in den USA die sicherlich schmerzhafte Diskussion um eine Absenkung der enormen Staatsverschuldung umgangen und die Schuldenobergrenze für den Bundeshaushalt erneut erhöht. Die in den vergangenen Jahren bereits mehrfach geführte Diskussion um Sparmaßnahmen und Ausgabenkürzungen wird so mindestens bis ins nächste Frühjahr verschoben. Der Stand der US-amerikanischen Staatsverschuldung lag im letzten Jahr den Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) gemäß bei fast 106 % gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP). Für die Euro-Zone insgesamt betrug diese Quote im gleichen Zeitraum knapp 96 %.Ampel: Gelb, seit 31.05.2013 Quelle: dpa
BankenkriseAufgrund der vielfältigen sonstigen wirtschaftspolitischen und auch außenpolitischen Themen – etwa in der Ukraine – richtet sich derzeit kaum Aufmerksamkeit auf den bevorstehenden Banken-Stresstest in Europa. Die EZB beteuert kontinuierlich, in jedem Fall stützend in den europäischen Bankensektor eingreifen zu können. Dies unterstreicht auch, dass die EZB mögliche Verwerfungen nach schlechten Ergebnissen befürchtet. Eine Entwarnung kann deshalb noch nicht gegeben werden. Die Bond-Spread-Indikatoren als Basis für die Krisenampel-Schaltung verharren derzeit weiter im „gelben“ Bereich.Ampel: Gelb, seit 31.05.2013 Quelle: dpa
Versorgungs- und RohstoffpreiseTrotz der fortwährenden Verschärfung der Krim-Krise und ihrer möglichen Implikationen für die Versorgung großer Teile Europas mit Energierohstoffen (s. dazu auch unter „Transport- und Handelskrise“), zeigen sich die entsprechenden Preise an den Spot-Märkten derzeit weitgehend unbeeindruckt. So notierte Rohöl der europäischen Sorte Brent zuletzt mit knapp 108 US-Dollar je Barrel noch deutlich unter den Ständen zum Jahreswechsel (die US-Sorte WTI hat sich hingegen – vermutlich wegen teils enttäuschter Hoffnungen auf die Preiseffekte des sogenannten „Fracking“ – auf zwischenzeitlich fast 105 US-Dollar verteuert).Ampel: Grün, seit 20.12.2013 Quelle: dpa-dpaweb
Verbraucherpreis-InflationDie Nominal- und Reallohnentwicklung in Deutschland ist weiter unterdurchschnittlich. So teilte das Statistische Bundesamt Ende Februar mit, dass die Nominallöhne im Jahr 2013 durchschnittlich um lediglich 1,3 % gestiegen sind. Angesichts einer jahresdurchschnittlichen Inflationsrate von 1,5 % in 2013 sind damit die Reallöhne in Deutschland im Jahr 2013 erstmals seit 2009 wieder gefallen. Eine Nachfrageinflationskrise zeichnet sich daher momentan immer weniger ab.Ampel: Grün, seit 31.05.2013 Quelle: dpa

Und die lautet?

Wo gehen die Zinsen hin?

Wie ist Ihre Antwort?

Wir erwarten allenfalls einen leichten Zinsanstieg. Andere gehen davon aus, dass mit dem Wirtschaftsaufschwung und dem Rückzug der US-Zentralbank aus Anleihekäufen, ab Mitte 2015 die US-Zinsen stark steigen. Der Aufschwung dort ist allerdings schwächer als früher und läuft auch schon fünf Jahre. Wer jetzt nur kurzfristig für zwei bis drei Jahre in Anleihen investiert, weil er Zinserhöhungen erwartet, könnte enttäuscht werden. Aktien hingegen könnten besser laufen als gedacht.

Was kaufen Sie?

Da wir nur einen moderaten Zinsanstieg erwarten, investieren wir auch in Staats- und Unternehmensanleihen sowie etwa Pfandbriefe mit einer langen Laufzeit. Vereinzelt bauen wir den Bestand an Immobilien und Infrastruktur aus und investieren etwa in Gaskraftwerke sowie Wind- und Solarparks, für die langfristige Stromabnahme-Verträge bestehen. Das bringt kalkulierbare Erträge, mit denen Munich Re und Ergo die Zahlungsversprechen decken. 4,5 Prozent der Versicherungsgelder stecken in Aktien.

Das ist extrem wenig.

Es liegt aber nicht daran, dass wir fallende Kurse erwarten. Wir müssen bei der Kapitalanlage gewährleisten, dass die Versicherungsgarantien durch Erträge der Anlagen gedeckt sind. Aktien sind durch ihre Kursschwankungen dafür wenig geeignet. Deshalb verlangt auch die Versicherungsaufsicht, dass wir für Aktien Eigenkapital zurückstellen. Bei Staatsanleihen müssen wir das nicht.

"Bei Schwellenländern sind wir vorsichtiger"

Die Investment-Lieblinge der Deutschen
Platz 20: SAPEuropas größter Softwarehersteller SAP befindet sich gerade in einer Umbauphase. Cloudcomputing und die Smartphone-Ära zwingen den Konzern ihre Programme an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen. So eine Restrukturierung ist natürlich nicht umsonst. Das erkennt man auch am Aktienkurs. SAP musste in den vergangenen zwölf Monaten ein Minus von knapp neun Prozent verkraften. Insgesamt kommen die gehandelten Zertifikate mit dem Basiswert SAP im Februar im Hinblick auf das Gesamtvolumen der Kundenorder mit einem Handelsvolumen von 11,5 Millionen Euro auf den 20. Platz. Bei den derivativen Produkten überwogen dabei die Discount-Papiere.Lesen Sie in unserem Ratgeber alles Wichtige rund ums Thema Geldanlage: Wie viel Risiko sollte ich gehen? Welche Chancen habe ich? Wann lohnt ein Kauf? Und wann steige ich besser aus? 111 Seiten mit Tipps und Tricks, erhältlich als eBook im Kaufhaus der Weltwirtschaft. Quelle: rtr
Platz 19: SilberDer Überhitzung des Silbermarktes liegt nun knapp drei Jahre zurück. Damals schoss der Silberpreis auf über 45 Dollar. Danach beruhigte sich die Lage wieder, die Kursschwankungen nahmen ab. Gemessen am gesamten Handelsvolumen derivativer Produkte wurden im Februar Kundenorder im Wert von 12,4 Millionen Euro getätigt. Es lohnt sich allerdings auch ein Blick auf die spekulativen Produkte. Silber-Hebelpapiere kamen im vergangenen Monat auf ein ähnliches Volumen. Rund 12,2 Millionen Euro flossen durch Optionsscheine und Knock-Out-Papiere. Letztere, riskantere, Anlagemöglichkeit machte im spekulativen Bereich sogar den Löwenanteil aus. Quelle: dpa
Platz 18: BMWDer Münchener Autokonzern hatte jüngst zuversichtlich stimmende Bilanzen vorgelegt. Im Premiumbereich gehört BMW zu den führenden Marken. Auf dem Genfer Autosalon präsentierte man sich selbstbewusst. Ein Blick auf den Chart der BMW-Aktie rechtfertigt dieses Selbstbewusstsein. Der Kurs konnte in der wirtschaftlich schwierigen Zeit innerhalb der vergangenen zwölf Monaten über 15 Prozent zulegen. Im Februar machten vor allem Discount-Papiere einen Großteil der getätigten Kundenorder aus. Insgesamt wurden im vergangenen Monat derivative Anlageprodukte in Höhe von 13,1 Millionen Euro ge- und verkauft. Quelle: dpa
Platz 17: Münchener RückHagel in Deutschland, Kälteeinbruch in den USA und Überschwemmung in Osteuropa – auch wenn sich die Liste endlos lang weiterführen ließe. 2013 kam die Münchener Rück vergleichsweise glimpflich davon. Die Naturkatastrophen schlugen sich nicht so stark wie erwartet in den Bilanzen wider. Die Aktionäre zeigten sich erleichtert. Der Rückversicherer gehört im Dax zu den eher weniger volatilen Papiere. Deswegen verwundert es auch nicht, dass Anleger im Februar kaum Hebelprodukte der Münchener Rück investiert haben. Zu den beliebtesten Anlageprodukten gehörte das Discount-Papier. Insgesamt wurden im Februar Kundenorder im Volumen von 13,7 Millionen Euro getätigt. Quelle: dpa
Platz 16: BayerDie Aktien des Chemiekonzerns hinken im laufenden Jahr etwas hinterher. Bayer büßte seit Jahresanfang knapp zwei Prozent seines Wertes ein. Insgesamt haben die Anleger an der Börse Stuttgart im Februar Zertifikate auf den Basiswert im Volumen von über 14 Millionen Euro umgesetzt. Neben Discount-Papieren waren Aktienanleihen von Bayer besonders beliebt bei den Aktionären. Quelle: dpa
Platz 15: AdidasDer deutsche Sportartikelhersteller setzt auf Bewährtes. Zuletzt wurde der Vertrag mit dem jetzigen Adidas-Vorstand Herbert Hainer bis 2017 verlängert. Der 59-jährige ist schon jetzt mit seinen 13 Jahren bei Adidas der am längsten amtierende Vorstand eines Dax-Konzerns. Der Erfolg gibt ihm recht. Langfristig befindet sich der Sportkonzern auf der Gewinnstraße. In Stuttgart wurden im Februar überwiegend Discount-Zertifikate gehandelt. Insgesamt betrug das Handelsvolumen 14,9 Millionen Euro. Quelle: dpa
Platz 14: SiemensDie Korruptionsaffäre hat am Image des Unternehmensriesen Siemens genagt. Zwar spricht der Vorstand bereits schon von einem Kulturwandel, doch dass dieser innerhalb von nicht einmal einem Jahr abgeschlossen sein soll, ist mehr als zu bezweifeln. In Stuttgart wurden im Februar Siemens-Papiere im Wert von insgesamt 15,3 Millionen Euro gehandelt. Besonders beliebt waren Discount-Papiere, gefolgt von Anleihen und Bonus-Zertifikaten. Quelle: REUTERS

Was ist besser: eine Lebensversicherung abschließen oder in Investmentfonds investieren?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Publikumsfonds haben allerdings bei der Anlage mehr Freiheiten. In unsere Mischfonds etwa können wir mehr Aktien packen als in die Versicherungsportfolios. In einem langfristigen Börsenaufschwung ist die Rendite höher.

Welche Anleihen lohnen?

Anleihen der Euro-Schuldenländer wie Irland, Italien, Spanien, Portugal sind interessant. Die Sanierung der Haushalte über den niedrigen Zins statt die Währung scheint zu funktionieren. Ich bin überzeugt, dass die angestoßenen Reformen langsam wirken.

Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln

Die Zinsen sind kaum höher als die deutscher Staatsanleihen.

Bei Spanien stimmt das. Eine fünfjährige spanische Anleihe rentiert nur noch mit 1,7 Prozent, seit die Europäische Zentralbank über Anleihekäufe nachdenkt. Sie wirft damit so viel ab wie US-Anleihen. Allerdings gibt es bei Spanien auch kein Währungsrisiko.

Ist die neue Griechenland-Anleihe mit 4,95 Prozent Rendite für Sie interessant?

Nein. Griechenland ist eine Nische und politisch beladen. Aber die große Linie stimmt in der Peripherie. Anleihen der Euro-Schuldenstaaten bieten einen gewissen Schutz vor Zinserhöhungen. Läuft die Konjunktur im Euro-Land besser, würden die Zinsen erhöht. Die Risikoaufschläge zu deutschen Bundesanleihen könnten sinken, weil sich die wirtschaftliche Lage und die Zahlungsfähigkeit verbessern würden.

Haben Sie niedrige Kurse bei Schwellenländer-Anleihen zum Kauf genutzt?

Nein. Wir halten sie bereits, sind jetzt aber vorsichtiger. Viele Länder bauen Defizite auf, während die Euro-Peripherie sich entschuldet. Spanien hat einen Leistungsbilanzüberschuss, und Anleger kaufen spanische Anleihen, dafür ziehen sie Geld etwa aus Brasilien ab.

Hat die Europäische Zentralbank ein gutes Händchen?

Ja. Das Zinsniveau bleibt niedrig, und die Peripherie entwickelt sich. Aber die EZB und die US-Notenbank müssen aus dem außerordentlichen Modus herauskommen, bevor es eine neue Rezession gibt. Sonst haben sie ihr Pulver verschossen, wenn sie es brauchen. Außerdem steigt die Gefahr, dass eine überbordende Geldversorgung am Aktien- und Immobilienmarkt Blasen aufpumpt.

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