Miese Zahlungsmoral Wenn Handwerker ein halbes Jahr auf ihr Geld warten müssen

Hurra, ein Staatsauftrag? Von wegen. Ausgerechnet der Bund hat eine extrem schlechte Zahlungsmoral Quelle: imago images

Deutsche Firmen und Konsumenten sind zahlungswillig – meistens. Die schlechteste Zahlungsmoral Deutschlands hat ausgerechnet der Auftraggeber mit der höchsten Bonität.

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Preisfrage: Wer hat in Deutschland die schlechteste Zahlungsmoral? Viele denken jetzt vielleicht, es sind die privaten Konsumenten, die durch die vielen Rabatte und Null-Prozent-Finanzierungen ständigen Verlockungen ausgesetzt sind und sich dabei finanziell übernehmen. Tatsächlich ist es aber der genau jener Käufer beziehungsweise Auftraggeber mit der allerhöchsten Bonität: der deutsche Staat. Bei keinem Schuldner ist die Zahlungsmoral mieser, sagt der Bundesverband deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU).

Demnach verharrt das Zahlungsverhalten öffentlicher Auftraggeber auf sehr schlechtem Niveau. 89 Prozent der befragten Inkassounternehmen bestätigten das, der BDIU zählt 550 Mitglieder. BDIU-Präsidentin Kerstin Pedd kann die schwache Zahlungsmoral der Behörden nicht nachvollziehen: „Die Einnahmen durch Steuern und Abgaben sind gut, das Geld ist also da. Teilweise fehlt schlicht das Personal in den Behörden, um Aufträge abzunehmen und Rechnungen freizugeben.“ Es könne nicht angehen, dass beispielsweise Handwerker oder Baubetriebe ein halbes Jahr oder länger auf das Geld aus öffentlichen Aufträgen warten müssten, die Finanzämter jedoch sofort die Vorsteuer aus den Verträgen verlangten. „Manchen Auftragnehmer treibt diese Verhalten der öffentlichen Hand sogar in die Insolvenz. Das ist ein Skandal“, echauffiert sich die Verbandschefin.

Ansonsten hat der Verband eigentlich wenig am generellen Zahlungsverhalten auszusetzen, denn trotz der schwachen Konjunktur sei es weiterhin gut. Mehr als die Hälfte der befragten Inkasso-Unternehmen hält die Zahlungsmoral für ebenso gut wie im Vorjahr. Bei den privaten Verbrauchern habe sie sich sogar leicht verbessert, bestätigte knapp ein Viertel. Problematisch seien primär Schuldner zwischen 18 und 24 Jahren, die häufig Schulden bei Online-Händlern und Mobilfunk-Anbietern hätten. Nach dem Online-Handel hätten vor allem Energieversorger, Vermieter, Handwerk und Fitnessstudios Probleme mit säumigen Rechnungen ihrer Kunden. Die Gründe dafür liegen dabei nicht mehr wie vor Jahren in einer hohen Arbeitslosigkeit, sondern vor allem in unüberlegten Käufen und Vertragsabschlüssen.

Die Inkassounternehmen sind natürlich Profiteure schlechter Zahlungsmoral, schließlich verdienen sie ihr Geld mit den unbezahlten Rechnungen. Daher ist verständlich, dass ihnen eine Gesetzesinitiative von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ein Dorn im Auge ist: Der Vorschlag sieht vor, die vom Schuldner zu tragenden Inkassokosten um fast die Hälfte zu reduzieren. Genauer: Bei Forderungen bis zu einer Höhe von 500 Euro soll die Gebühr von mehr als 70 Euro auf dann nur noch 37,80 Euro sinken. Das Ministerium hält die bisherigen Gebühren für überhöht, insbesondere weil es sich in 80 Prozent der Forderungen um geringe Beträge und überwiegend um zahlungswillige Kunden handeln würde, die für die Inkassounternehmen nur mit geringen Aufwänden verbunden seien.

Der Inkassoverband hält das für ökonomisch schwierig und für ein falsches Signal an die Schuldner. Allein 2018 hätte die Inkassodienstleister 5,8 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf zurückgeholt. Ihre Auftraggeber müssten dann künftig länger auf ihr Geld warten, ein Halbierung der Inkassokosten sei eine Bedrohung für die Wirtschaft. Pedd kritisiert insbesondere auch das „Rasenmäherprinzip“, dass nicht zwischen verschiedenen Schuldnertypen differenziere. „Damit würde sowohl der Schuldner bessergestellt, der eine Rechnung einfach nur vergessen hat, als auch derjenige, der eine Forderung verursacht hat, obwohl er nie vorhatte, sie zu bezahlen.“ Das Vorhaben ginge zulasten der Gläubiger. Gegenüber dem „Handelsblatt“ hatte die Geldeintreiber-Zunft allerdings auch eingeräumt, dass ihre Branche mit einem Umsatzrückgang um 30 Prozent rechnen müsse, wenn das Gesetz wie geplant den Bundestag passieren würde.

Kritisch sieht die Inkassobranche auch die vom Lambrecht geplante Verkürzung der Privatinsolvenzverfahren von sechs auf drei Jahre. Schon heute sei jeder zehnte Erwachsene als überschuldet, die Schuldnerberatungen kämen mit der Arbeit nicht nach. Jetzt würden viele Überschuldete mit der Beantragung einer Privatinsolvenz warten, weil sie auf das neue Gesetz hoffen. „Gläubiger werden viel Geld verlieren. Denn in den Jahren vier bis sechs fließen rund 70 Prozent der Rückzahlungen“, sagt BDIU-Chefin Pedd. Das schaffe falsche Anreize, für das kommende rechne sie daher mit einem Anstieg der Privatinsolvenzen von 66.000 in 2019 auf 70.000.

Das Vorhaben einer Bündelung der Aufsicht über die Inkassounternehmen, wie sie auch Verbraucherschützer fordern, unterstützt der BDIU hingegen. Diese solle beim Bundesjustizministerium liegen, außerdem arbeite der Verband an Verhaltensrichtlinien für die eigene Branche.

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