Die vor gut einem Jahr eingeführte Mietpreisbremse geht offensichtlich weitgehend ins Leere. Denn die Mieter in den von rasanten Mietsteigerungen getroffenen Boomstädten Deutschlands nutzen nur ganz vereinzelt das Klagerecht, das ihnen das Gesetz gegen ihre Vermieter einräumt.
Lediglich in Berlin ist bislang eine einzige einschlägige Entscheidung des Amtsgerichts Berlin Lichtenberg bekannt - eine Mieterin erhält dort zu viel gezahlte Miete zurück. Insgesamt sind bei den Amtsgerichten in der Bundeshauptstadt bislang sechs einschlägige Klagen eingegangen. In Hamburg, München, Frankfurt am Main und Stuttgart gibt es bislang nach Angaben der dortigen Amtsgerichte keine Klagen von Mietern in Sachen Mietpreisbremse, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben hat.
Das Gesetz schreibt vor, dass die Miete in Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten bei Neuvermietungen die „ortsübliche Vergleichsmiete“ um nicht mehr als zehn Prozent übersteigen soll. Justizminister Heiko Maas (SPD) wertete die Berliner Entscheidung in der vergangenen Woche prompt als Zeichen für einen Erfolg der Mietpreisbremse: Diese sei ein „Paradigmenwechsel, der jetzt beginnt, seine Wirkung zu entfalten“. Maas steht mit seiner Einschätzung allerdings ziemlich allein da. Der Deutsche Mieterbund hat die Mietpreisbremse bereits als wirkungslos kritisiert und fordert eine „Nachschärfung“.
Die neuen Regelungen bei der Mietpreisbremse
Die Mietpreisbremse greift bei neuen Mietverträgen in Städten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“. In welchen Städten, entscheiden die Bundesländer. Sie läuft bis zu fünf Jahre und soll im ersten Halbjahr 2015 in Kraft treten.
Mieten für neu gebaute und umfassend sanierte Wohnungen in Neubauten dürfen auch mehr als zehn Prozent über dem Mietspiegel-Niveau liegen.
Mieten dürfen maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen. Was ortsüblich ist, gibt der Mietspiegel vor. Die zehn Prozent gelten auch für Verträge, die schrittweise Mieterhöhungen vorgeben (Staffelmieten).
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln will noch kein Urteil über die Mietpreisbremse fällen, doch zweifelt Immobilienexperte Michael Voigtländer ebenfalls an der Wirksamkeit - seine Einschätzung deckt sich mit den Angaben der Amtsgerichte: „Ich habe den Eindruck, dass sowohl Vermieter als auch Mieter die Mietpreisbremse weitgehend ignorieren.“
Nicht nur in sogenannten „A-Städten“, wie die beliebten und teuren Metropolen im Jargon der Immobilienbranche heißen, verzichten die Mieter auf ihre Klagerechte. Auch in kleineren Städten mit hohen Zuzugsraten und hohen Mietsteigerungen wie Ingolstadt oder Heidelberg sind keine einschlägigen Klagen eingegangen, wie Sprecher der dortigen Amtsgerichte berichten.
In München, der für Mieter teuersten Großstadt Deutschlands, ist bislang lediglich eine skurrile Klage in Sachen Mietpreisbremse bekannt, die in die entgegengesetzte Richtung zielte: Ein Vermieter reichte Räumungsklage „wegen arglistiger Täuschung“ gegen seine Mieter ein - weil sie ihm bei Abschluss des Mietvertrags nicht mitgeteilt hätten, dass sie sich auf die Vorschriften der Mietpreisbremse berufen wollten. „Die Anfechtung ging nicht durch, die Klage wurde abgewiesen“, sagt Gerichtssprecherin Monika Andreß.
Was Mieter und Vermieter noch dürfen
- Aktuell gilt: Vermieter müssen eine Mieterhöhung drei Monate vorher ankündigen. Mieter können zustimmen oder ablehnen.
- Stimmt der Mieter innerhalb von zwei Monaten nicht zu, kann der Vermieter innerhalb von drei weiteren Monaten auf Zahlung der erhöhten Miete klagen.
- Mieter können innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Mieterhöhung außerordentlich kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt dann zwei Monate. Kündigt der Mieter in dieser Frist, bleibt die Miete bis Vertragsende unverändert.
- Vermieter können die Miete nur alle 15 Monate anheben.
- Binnen drei Jahren darf die Mieterhöhung bei bestehenden Verträgen insgesamt nicht mehr als 20 Prozent betragen.
Bei bestehenden Mietverträgen darf der Vermieter schon heute die Miete nur bis zum ortsüblichen Niveau anheben, das sich aus dem Mietspiegel der Kommune ergibt. Zudem begrenzen die Bundesländer in bestimmten Städten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ die Mieterhöhung bei bestehenden Verträgen auf 15 Prozent in drei Jahren. Bei neuen Mietverträgen gelten 20 Prozent über dem ortsüblichem Niveau als Obergrenze. Tatsächlich liegen die Mieten in begehrten Lagen teilweise 30 bis 40 Prozent über den im Mietspiegel vorgegebenen Mieten, weil sich solche Verträge in der Praxis nur schwer anfechten lassen und Mieter Rechtsstreitigkeiten scheuen.
Bei neuen Mietverträgen darf die Miete nur noch auf maximal zehn Prozent über das ortsübliche Niveau gehoben werden. Dies gilt für die angespannten Wohnungsmärkte, die die Bundesländer festlegen. Mieten, die gegen die neuen Vorschriften verstoßen, sind unwirksam. Verstöße muss der Mieter nach Eingang der Mieterhöhung gegenüber dem Vermieter rügen.
Vermieter können auch Staffeln vereinbaren, nach denen die Miete in Stufen um einen festen Betrag steigt. Alternativ können Eigentümer eine Indexmiete fordern, die mit dem Index für die allgemeine Lebenshaltung steigt.
Die Staffeln müssen sich am Mietspiegel orientieren. Sie dürfen maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen. Einmal erreichte Stufen genießen Bestandsschutz. Folge: Staffelmietverträge werden unattraktiv, wenn der Mietspiegel der aktuellen Entwicklung am Wohnungsmarkt hinterherhinkt. Bei Indexmietverträgen muss sich nur der Ausgangspunkt am ortsüblichen Niveau orientieren, danach steigt die Miete automatisch mit den Verbraucherpreisen, unabhängig vom Mietspiegel.
Vermieter, die Wohnungen modernisieren, können derzeit elf Prozent der Kosten pro Jahr auf die Mieter umlegen. Eine Deckelung durch den Mietpreisspiegel gibt es nicht. Mieterhöhungen nach Modernisierungen sind nicht an die Frist von 15 Monaten gebunden, können also auch zwischen regulären Mietanpassungen durchgeführt werden. Nicht zur Modernisierung zählen Instandhaltungsmaßnahmen. Bei einer Modernisierung muss der Mietwert der Wohnung nachhaltig erhöht werden, etwa durch Dämmen der Außenwände oder den Anbau eines Balkons.
Will ein Vermieter nach Mieterwechsel die Miete wegen Modernisierung über das ortsübliche Niveau heben, darf die Modernisierung nicht mehr als drei Jahre zurückliegen. Die elf Prozent darf der Vermieter nur auf die ortsübliche Miete aufschlagen, die sich ohne Modernisierung ergeben hätte. Liegt die Miete schon vorher über dem Wert aus dem Mietspiegel, geht dies zulasten des Vermieters.
Ausgenommen von der Mietpreisbremse sind umfassende Modernisierungen, die laufen, wenn die Wohnung leer steht. Laut Gesetzentwurf sind Modernisierungen dann umfassend, wenn sie mindestens ein Drittel dessen kostet, was ein Neubau kosten würde (ohne Grundstückspreis).
Über die Ursache der ausbleibenden Klagen herrscht weitgehende Einigkeit sowohl bei Befürwortern als auch bei Kritikern. „Das Gesetz der Mietpreisbremse krankt daran, dass es keine rechtssichere Möglichkeit gibt, die ortsübliche Vergleichsmiete zu bestimmen“, sagt Andreas Ibel, der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID). „Nur die wenigsten Gemeinden besitzen einen qualifizierten Mietspiegel, und die sind nicht nach einheitlichen Grundsätzen erstellt.“
Risiken der Mietpreisbremse
Weil die Mietpreisbremse vor allem zulasten der Eigentümer geht, werden sie dem Gesetz ausweichen. Neben der Luxussanierung gibt es noch weitere Varianten:
Weil Vermieter die Kosten für Instandhaltung nicht auf die Mieter umlegen können, müssen sie Rücklagen bilden. Werden Mieterhöhungen gedeckelt, bleibt dafür weniger Geld. Mieter wohnen dann zwar billiger, aber eben auch in weniger gepflegten Häusern.
Angesichts der stark gestiegenen Kaufpreise lohnt sich Verkaufen für die Eigentümer oft mehr als Vermieten. Eingesessene Vermieter werden sich infolge der Staatseingriffe zurückziehen und an aggressive Investoren verkaufen. Diese teilen das Haus in viele kleine Wohnungen auf, die sie dann teurer an Anleger vermitteln. Die müssen dann auf Teufel komm raus die Mieter schröpfen, um ihr Investment zu refinanzieren.
Vollständig eingerichtete Wohnungen lassen sich teurer vermieten. Dabei geht es in der Regel nur um befristete Mietverträge.
Vor allem in touristisch interessanten Metropolen werden Wohnquartiere zu Touristenwohnungen, soweit die Städte dies zulassen. Die Mietpreisbremse wird diesen Trend verstärken. Städte steuern mit neuen Regeln dagegen, es droht eine Spirale von Regulierung und Ausweichreaktionen.
Viele Gemeinden - darunter auch solche, in denen die Mietpreisbremse gilt - haben gar keinen Mietspiegel. Und dort, wo es einen gibt, wird dieser oft von der Realität überholt. IW-Experte Voigtländer meint: „Die Mietspiegel basieren oft auf veralteten Daten und liegen zum Teil deutlich unter den Marktmieten.“
An den Gerichten ist ein weiterer Grund für die verschwindend geringe Zahl der Klagen zu hören: „Die Leute sind froh, wenn sie eine Wohnung gefunden haben“, sagt eine Zivilrichterin. „Da ist die Neigung gering, gleich nach der Unterschrift unter den Mietvertrag eine Klage gegen den Vermieter einzureichen.“