MiFID II Wie eine Direktive Fonds transparent machen sollte – und scheiterte

Genau rechnen: Die genauen Kosten beim Fondskauf und -verkauf zu bestimmen ist aufwändig. Quelle: Fotolia

Lange waren die Gesamtkosten beim Fondskauf kaum vorhersagbar. Neue Vorschriften seit Jahresbeginn sollen das ändern. Aber eine Stichprobe zeigt, dass es bis zur Kostentransparenz noch ein weiter Weg ist.

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Fonds- oder Aktienanleger kennen das: Wenn die Rechnung für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren ins Haus flattert, sind dort mitunter unerwartete Kosten aufgeführt. Wenn es nach dem Sinn und den Buchstaben der neuen MiFID II-Regulierung geht, ist damit jetzt Schluss.

Welche Auswirkungen die Kosten eines Investments in einen Aktienfonds etwa auf die Gesamtrendite haben, war bislang für viele Investoren ein Buch mit sieben Siegeln und ließ sich – wenn überhaupt – erst mithilfe der Jahresübersicht zur Geldanlage mehr oder weniger mühsam ermitteln. Denn neben dem Kurs des Wertpapiers fallen häufig Ausgabeaufschlag, Depotentgelt, Handelsgebühren, laufende Produktkosten, Bankgebühren, Handelsgebühren oder rückerstattete Vertriebsgebühren, Rabatte und eine Kursdifferenz bei Kauf- und Verkaufspreisen an. Und selbst da blieben für die meisten Privatanleger noch zahlreiche Fragen offen. Der Unmut und die Komplexität sind sicher gute Argumente für die Zurückhaltung der Deutschen bei Wertpapiergeschäften. 

MiFID II – alles soll anders werden

Die EU will Anlegern nun mehr Durchblick verschaffen. Bei der Finanzmarktrichtlinie MiFID II („Markets in Financial Instruments Directive“) handelt sich um ein Bündel von neuen Vorschriften, die den Wertpapierhandel fairer und transparenter machen sollen. MiFID II ist seit Anfang des Jahres in Kraft und ihre für Anleger positiven Auswirkungen treten erst jetzt nach und nach zu Tage. Die Einhaltung der neuen Vorschriften überwacht in Deutschland das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).

Kaum ein Anleger konnte bislang vollumfänglich erfassen, was in der etwa 7000 Seiten langen neuen Finanzmarktrichtlinie steht. In ihrer jüngsten Broschüre „MiFID II – die wichtigsten Änderungen für Anleger“ stellt die Bafin jedoch anschaulich dar, was Kostentransparenz im Sinne von MiFID II bedeutet.   

Auszug aus der BaFin-Broschüre

Banken und andere Anbieter im Wertpapierhandel stehen vor neuen Herausforderungen

Banken und Finanzdienstleister stehen nun in der Pflicht, ihren Kunden bereits vor dem Handel eine detaillierte Aufstellung der Kosten und deren Auswirkung auf die Gesamtrendite jedes einzelnen angebotenen Papiers zur Verfügung zu stellen. Sollte dies nicht oder nicht vollständig möglich sein, ist der jeweilige Anbieter laut Bafin nicht befugt, das jeweilige Wertpapier zu handeln und muss dieses aus seiner Produktpalette entfernen.

So radikal diese Anforderung klingt, so sorglos, zögerlich oder auch wenig sorgfältig scheinen manche Geldinstitute und Finanzdienstleister mit den neuen Herausforderungen umzugehen. Und selbst wenn sie bemüht sind, den MiFID-Vorschriften gerecht zu werden, ist die neue Transparenz für den Anleger nicht gerade leicht verständlich. Dies jedenfalls hat eine exemplarische, stichprobenartige Umfrage der WirtschaftsWoche ergeben.     

Die Frage an einige Banken und Online-Broker lautete, wie viel genau der Kauf und spätere Verkauf von Fondsanteilen des DWS Aktien Strategie Deutschland (WKN 976986) für 10.000 Euro kosten würde und wie stark sich das auf die mögliche Rendite der Geldanlage auswirkt. Explizit haben wir nach sämtlichen Kosten, also allen Gebühren und Provisionen vom Ausgabeaufschlag bis zur Depotbankgebühr, anfallenden Transaktionskosten und mehr gefragt, die innerhalb des ersten Jahres beziehungsweise beim Verkauf nach einem Jahr anfallen würden.

Kompliziert und schwer verständlich

Nur wenige Geldinstitute oder Finanzdienstleister waren innerhalb einer Woche in der Lage, der Anfrage entsprechend den Anforderungen der Bafin nachzukommen. Das war kaum überraschend, denn über Jahrzehnte hinweg konnten diese ihre Kostenstrukturen komplett frei und unabhängig festlegen. Das hat dazu geführt, dass dabei äußerst komplexe und hochgradig vernetzte Konstrukte entstanden sind, die heute kaum jemand bis ins letzte Detail zu erfassen oder darzustellen vermag. Das gilt sowohl für Außenstehende (Kunden oder außenstehende Berater) als auch für Manager (außerhalb des unmittelbar damit befassten Produktmanagements) des eigenen Finanzdienstleisters.

Detaillierte Kostenaufstellungen bekamen wir von Deutscher Bank und Commerzbank, die zwar ausführlich, aber dennoch sehr kompliziert und schwer verständlich sind (siehe Tabelle unten zum PDF-Download). Auf Nachfrage, was sich genau hinter einzelnen Punkten der Aufstellung verbirgt, hat die Commerzbank ihre Aufstellung zudem im Detail erläutert und mit Beispielen unterlegt (siehe interaktive Grafiken in der Tabelle). Die Beispiele zeigen, dass selbst sehr transparente Kostenübersichten recht undurchsichtig sein können. Bei der Consorsbank hingegen fiel die Antwort per E-Mail recht knapp aus: "Da wir den Fonds mit einem Rabatt von 100 Prozent auf den Ausgabeaufschlag anbieten und die Konto- und Depotführung kostenlos ist, würden tatsächlich die kompletten 10.000 Euro in Fondsanteile investiert", schrieb der Leiter der Unternehmenskommunikation. Das leicht verständlich und transparent, aber renditeorientierte Anleger mögen sich fragen, warum die Consorsbank das so macht und wie sie mit ihren Depotkunden Geld verdient.

Die Vergleichbarkeit scheitert schon an der Sprache

Die Forderung der Bafin nach vollständiger Transparenz ist selbstverständlich berechtigt und deren Erfüllung für Anleger längst überfällig. Ob dies allerdings in der angemahnten Form überhaupt im Bereich des Möglichen sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Selbst wenn alle Banken so differenzierte und wohl auch höchst arbeitsaufwändige Ergebnisse liefern wie die Commerzbank oder die Deutsche Bank, dürften selbst gewiefte Finanzexperten ins Schlingern geraten.

Bei einem Kostenvergleich zwischen der Bank A, B und C sowie den Finanzdienstleistern D und E nämlich ist es nicht damit getan, die Kostenstruktur nur des einen Geldinstituts zu verstehen. Natürlich muss auch auf die Unterschiede der diversen Angebote geachtet werden. Das scheitert aber schon daran, dass die Anbieter von Wertpapieren keine einheitliche Sprachregelung verwenden. In ihrer eigenen Terminologie verwenden sie nicht nur unterschiedliche Begriffe für ein und dasselbe (Beispiel: Laufende Kosten, Verwaltungsgebühr, Produktkosten usw.), sondern definieren auch manchmal gleiche Deklarierungen auf verschiedene Art und Weise.

Verwirrende Begriffe, unterschiedliche Definitionen

Darüber hinaus mangelt es auch an einer einheitlichen Darstellung in Umfang und Form der Angebote der verschiedenen Finanzdienstleister. Allein unsere drei Beispiele von Deutscher Bank, Commerzbank und Consorsbank offenbaren große Unterschiede in der Interpretation der Transparenzforderungen nach MIFiD II und der schier unlösbaren Aufgabe, den Ansprüchen der Bafin gerecht zu werden.        

Das ist nicht die alleinige Schuld der Banken. Vor allem nicht in der alleinigen Verantwortung derer, die sich in den Geldinstituten mit den Kosten-Monstern herumschlagen müssen, die teilweise bereits vor etlichen Jahrzehnten kreiert worden sind. Hier wäre auch die Bafin in der Pflicht, mit den Finanzdienstleistern zunächst einmal eine einheitliche Definition der Begriffe auszuarbeiten. Wenn die Banken allerdings bei der Darstellung ihrer Fondskosten ihren Rechtsabteilungen die Arbeit aufhalsen – und diese Vorstellung ist aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht gerade abwegig – hört für Anleger der Spaß auf.

Wer sich nach den genauen Kosten eines Fondsinvestments erkundigt, begibt sich in einen wahren Dschungel. Depotkostenrechner im Internet geben vor, Anlegern einen Vergleich zu ermöglichen. Dabei sind sie wenig erhellend.
von Peter Hermann

Wer ein Wertpapierinvestment plant, sollte sich keinesfalls mit nahezu undurchschaubaren oder rechtlich verklausulierten Antworten zufriedenstellen lassen. Schließlich werden sämtliche Anbieter von Wertpapiergeschäften den Anforderungen der Bafin nachkommen müssen. Bei entsprechenden Beschwerden sollten Betroffene sich in jedem Fall an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wenden, konkret an die Gruppe Kommunikation/Abteilung Verbraucherschutz, Graurheindorfer Straße 108, 53117 Bonn, E-Mail: poststelle@bafin.de.

Kurz nach Bekanntwerden der Finanzmarktrichtlinie MiFID II wurden auch schon in verschiedenen Presseberichten Befürchtungen laut, es sei denkbar, dass einige kleinere Geldinstitute und Finanzdienstleister wegen des höheren Aufwands detaillierter Kostenaufstellungen gänzlich auf das Angebot von bestimmten Finanzprodukte verzichten müssen. Das wäre im Sinne der Vielfalt und des Wettbewerbs der Anbieter bedauerlich. Dann würde die neue Transparenz dem Verbraucher womöglich mehr schaden als nutzen.

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