Deutsche zahlen immer noch am liebsten bar. Mit dem Smartphone an die Kasse? Das hat im vergangenen Jahr gerade mal ein Viertel der Deutschen probiert, zeigt eine Umfrage der Berater von PwC.
So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell
Durch Auswertung des Kundenverhaltens über alle Kanäle (Online, Mobil, Filiale) können Kundenbedürfnisse besser gefiltert werden und so der ideale Zeitpunkt für eine individuelle Kundenansprache identifiziert werden.
Quelle: Roland Berger
Die Neukundengewinnung ist in den letzten Jahren sehr schwierig geworden. Banken müssen daher innovative Ideen entwickeln, um Neukunden mit einfachen und digitalisierten Produkten zu überzeugen.
Es reicht nicht aus, Geschäftsmodelle zu optimieren. Banken müssen auch ihr Wachstum vorantreiben und neue Geschäftsfelder erschließen.
Durch Kooperationen mit branchenfremden digitalen Playern oder FinTech-Unternehmen bekommen Banken direkten Zugang zu innovativen Ideen und lernen die Denkweise der "Digital Natives".
Fehler müssen erlaubt sein, denn nur so können sich Organisationen in dem sich ständig ändernden digitalen Umfeld weiterentwickeln.
Digitalisierung ermöglicht eine neue Art des Kundenservice. Um diese Chancen nutzen zu können, muss ein radikaler Kulturwandel in den Banken stattfinden.
Die Digitalisierung muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zum Back Office stattfinden, damit auch komplexe Finanzprodukte schnell und zuverlässig abgewickelt werden können.
Anders in China: Dort nutzen allein mehr als 400 Millionen Chinesen eine App auf ihrem Smartphone, mit der sie in Geschäften, Restaurants oder im Taxi bezahlen können. Die App kommt von Alipay, einem Finanz-Start-up von Ant Financial aus der Alibaba-Gruppe. Ant Financial könnte im kommenden Jahr in Shanghai an die Börse gehen – bei einer Bewertung von derzeit rund 60 Milliarden Dollar.
Alipay ist mehr als eine Zahlungs-App: Kunden können damit Taxis rufen, ihr Geld in Kleinstbeträgen über einen Geldmarktfonds anlegen oder Kinotickets buchen. Sogar der Taxidienst Uber hat sich mit Alipay zusammengetan, damit chinesische Kunden direkt in der Alipay-App ihr Taxi rufen können. Von 600.000 Verkaufsstellen, die Alipay weltweit akzeptieren, liegen 50.000 außerhalb Chinas. Bislang ist die Zahl-App außer in China vor allem in Asien verfügbar, in Taiwan, Japan, Hongkong oder Südkorea.
Nach einem Pilotprojekt in Frankfurt startet Alipay nun am Münchner Flughafen offiziell in Deutschland. 69 Läden im Transitbereich und in der Ankunft- und Abflughalle bieten den Zahldienst an, darunter Luxusshops wie Hermès oder Burberry. Nach US-Amerikanern sind chinesische Touristen die größte außereuropäische Besuchergruppe in Deutschland. 2015 gaben sie weltweit 292 Milliarden Dollar auf ihren Reisen aus – Weltspitze. Über ihre heimische App sollen sie für mehr Umsatz in deutschen Geschäften sorgen.
Der Haushaltswarenhändler Tripidi akzeptiert bereits seit fast einem Jahr die Zahlungen mit Alipay in seinem Geschäft am Frankfurter Flughafen. Als Erster in Europa. „Unsere größte Kundengruppe sind Chinesen“, sagt Geschäftsführer Michael Baumann. „Viele haben bislang bar bezahlt, oft mit 500-Euro-Scheinen“, sagt er. Seit der Einführung nutzt nun etwa die Hälfte seiner chinesischen Kunden Alipay im Laden an der Kasse.
„Insbesondere Geschäfte aus den Bereichen Schmuck und Mode werden die Zahlungen in Deutschland anbieten ebenso wie ausgewählte Hotels“, sagt Rita Liu, Alipay-Europachefin. Sie sollen noch 2016 folgen. „Es werden Geschäfte sein, die man etwa auf der Düsseldorfer Königsallee findet oder auf der Goethestraße in Frankfurt“, sagt Marcus Mosen, Vorstand von Concardis. Alipay kooperiert mit den deutschen Zahldienstleistern Concardis und Wirecard.
Schub für den gesamten Zahlungsmarkt
Obwohl nur Chinesen damit zahlen können, „wird im deutschen Handel das Bewusstsein wachsen, dass sich an der Kasse etwas verändert“, sagt Mosen. Alipay bringt als erster Anbieter kauffreudige Kunden gleich mit, die zudem daran gewöhnt sind, mit dem Smartphone zu zahlen.
Aus welchen Gründen Amerikaner auf das Bezahlen per Handy verzichten
Befragt wurden 1386 US-Amerikaner über 18, die auf das mobile Bezahlen per App verzichteten.
Quelle: Thrive Analytics/Statista
7 Prozent fanden es zu zeitaufwändig, ihr Smartphone für mobiles Bezahlen einzurichten.
8 Prozent sagten, ihr Handy biete nicht die nötigen Voraussetzungen, um mobile Bezahldienste zu nutzen.
18 Prozent sahen keinen Vorteil in der neuen Zahlungsmethode.
32 Prozent sagten, sie hätten schlichtweg noch nicht darüber nachgedacht.
37 Prozent antworteten, sie fänden es einfacher, mit Geld- oder Kreditkarte zu zahlen.
46 Prozent gaben an, auf das Bezahlen per Handy zu verzichten, weil sie sich Sorgen um die Sicherheit dieser Zahlungsmethode machen.
6 Prozent nannten "andere Gründe".
Markus Eichinger weiß, warum gerade Alipay international mit seiner Zahlfunktion Erfolg haben dürfte: „Kein Kunde richtet eine digitale Geldbörse auf dem Smartphone ein, nur damit er im Geschäft bezahlen kann“, sagt der Leiter für mobile Dienste bei Wirecard. „Er erwartet von der App einen Mehrwert. Das bietet Alipay seinen Kunden und ist weltweit Vorreiter.“
Bis 2019 sollen Zahlungen über digitale Geldbörsen auf dem Smartphone, in denen Kunden etwa ihre Kreditkartendaten oder Guthaben hinterlegen können, den Anteil regulärer Kartenzahlungen übersteigen, erwartet der Zahlungsdienstleister Worldpay.
Zwar müssen Händler bei Alipay etwa 1,9 bis 2,0 Prozent Gebühr je Buchung zahlen. Dafür kann Alipay Shops mit Gutscheinen und Werbung promoten. „Je mehr Kunden auf diese Anzeigen klicken und je beliebter ein Shop in unserer App, desto höher taucht er in den Empfehlungen für unsere Nutzer auf“, sagt Rita Liu. Heißt: neue Kunden für den Shop.
Noch erwartet keiner der Kooperationspartner, dass chinesische Touristen bereits 2016 Millionen Zahlungen über Alipay in Deutschland abwickeln. Wirecard geht aber davon aus, dass bald mindestens ein Drittel der Zahlungen, die bislang über Bargeld oder Kreditkarte liefen, durch Alipay ersetzt wird. Und Markus Eichinger ist sicher: „Wenn deutsche Kunden das nun an den Kassen sehen, wird es nicht lange dauern, bis auch ein deutscher Anbieter an einer solchen Lösung für die heimischen Kunden arbeitet.“