
WirtschaftsWoche: Herr Sauren, der deutsche Anleger ist risikoscheu und liebt Zinsen. Aber er hat alle Bereiche, in denen es mit Zinspapieren jahrelang hohe Kursgewinne zu verdienen gab, zielsicher gemieden. Was macht er falsch?
Eckhard Sauren: Anleger haben viel in Spareinlagen bei Banken investiert, die keine Kursgewinne bringen. Bei Lebensversicherungen verlieren die Kunden jetzt Anteile an den Bewertungsreserven, die ja im Grunde aus Kursgewinnen von Anleihen bestehen. Jetzt stecken sie in der Falle, weil die Staats- und Unternehmensanleihen zu teuer geworden sind und ihnen Banken für Sparanlagen Strafzinsen androhen.
Alle Anlageformen, die für sicherheitsorientierte Anleger interessant waren, funktionieren nicht mehr?
Das ist ein gewaltiges Thema. Der sichere Ertrag ist weg, weil die Zinsen so niedrig sind und weitere Möglichkeiten für Kursgewinne sind minimal. Der Anleihenindex Rex, der aus deutschen Staatsanleihen zusammengesetzt ist, hat 2014 um 7,1 Prozent zugelegt. Etwa 1,4 Prozentpunkte davon stammen aus Zinserträgen, und 5,7 Punkte waren Kursgewinne.
Die Zinsen der im Rex versammelten Anleihen liegen im Schnitt bei 0,4 Prozent. Gingen die Zinsen weiter zurück, würden die Kurse dieser Anleihen noch etwas steigen. Selbst wenn die Zinsen auf null gedrückt würden, wären nur noch 2,5 Prozent Kursgewinn möglich. Würden die Zinsen steigen, drohten Anlegern dagegen hohe Verluste.
Fonds-Gebühren im Überblick
Der Ausgabeaufschlag fällt beim Kauf an. Je nach Anlagestrategie des Investmentfonds kann er relativ gering sein, bei Geldmarktfonds liegt der Satz etwa häufig bei rund ein Prozent. Er kann aber auch deutlich höher sein wie bei Aktienfonds, wo fünf Prozent keine Seltenheit sind. Dies bedeutet, dass bei einer monatlichen Sparrate von 50 Euro beim Geldmarktfonds für 49,50 Euro Anteile erworben werden, beim Aktienfonds hingegen nur für 47,61 Euro.
Fondskäufer können den Ausgabeaufschlag aber reduzieren. Direktbanken oder Fondssupermärkte im Internet bieten niedrigere Sätze an oder verzichten sogar ganz auf diese Gebühr. Zu den bekanntesten Fondssupermärkten zählen beispielsweise fondssupermarkt.net, avl-investmentfonds.de und infos.com. Gute Kunden dürfen außerdem auf Sonderkonditionen bei der Hausbank hoffen.
Je länger der Anleger investiert bleibt, desto weniger stark wirkt die Kaufgebühr. Wer monatlich 100 Euro in einen Sparplan mit 5 Prozent Ausgabeaufschlag einzahlt und durchschnittlich fünf Prozent Jahresrendite erzielt, steht nach drei Jahren bei 3.690 Euro. Ohne Kaufgebühren wären es 3.885 Euro. Wer zehn Jahre investiert bleibt, kommt mit dem Ausgabeaufschlag auf ein Guthaben von 14.725 Euro, ohne Gebühr wären es 15.500 Euro.
Die Verwaltungsgebühr liegt im Regelfall zwischen null und zwei Prozent. Oft ist dieser Satz etwas höher, wenn der Ausgabeaufschlag gering ist und umgekehrt. Die Verwaltungsgebühr wird - einmal im Jahr oder auch monatlich - aus dem Fonds bezahlt. Wenn die Gebühr zum Beispiel 1,2 Prozent ist und der Fondswert 10.000 Euro, beträgt die Gebühr 120 Euro im Jahr und das neue Fondsvermögen noch 9.880 Euro.
Die Investmentgesellschaft hinterlegt das Fondsvermögen bei einer sogenannten Depotbank. Für das Führen dieses Depots wird eine Gebühr erhoben, die im Regelfall aus dem Fondsvermögen bezahlt wird. Diese Gebühr kann bei großen Fonds bis zu 0,3 Prozent des Fondsvolumens per anno ausmachen.
Zusätzlich ist die Depotbank berechtigt, eine Transaktionsgebühr von bis zu 100 Euro je Transaktion, die nicht über die Depotbank getätigt wird, zu erheben. Auch eine zusätzliche Verwahrgebühr von bis zu 0,1 Prozent pro Jahr ist rechtens. Neben den genannten Vergütungen verlangen einige Gesellschaften eine weitere tägliche Vergütung in Höhe von bis zu 0,75 Prozent pro Jahr.
Die Performance Fee ist eine erfolgsabhängige Gebühr. Wenn ein aktiv gemanagter Fonds eine bessere Wertentwicklung aufweist als ein vorher festgelegter Vergleichsindex, wie zum Beispiel der DAX, wird die Performance Fee gezahlt. Wenn eine Performance Fee von 20 Prozent vorgesehen ist, bedeutet das zum Beispiel: Ein Kunde hat ein Fondsvermögen in Höhe von 20.000 Euro. Der Fonds hat in diesem Jahr sechs Prozent Plus gemacht, der Vergleichsindex nur vier Prozent. Das Mehr an Rendite von zwei Prozent sind 400 Euro. Davon bekommt die Gesellschaft 20 Prozent, also 80 Euro.
Performance Fees sind an ganz unterschiedliche Bedingungen geknüpft. Die Investmentgesellschaft profitiert von einem besseren Abschneiden im Vergleich zum Vergleichsindex, muss sich aber nicht zwangsweise auch an Verlusten beteiligen, falls der Index besser war.
Es ist auch möglich, dass Anleger Performance Fee`s zahlen müssen, obwohl der Fonds Verluste gemacht hat. Wenn der Vergleichsindex zehn Prozent Minus gemacht hat, der Fonds aber nur sechs Prozent Minus, war er besser als der Vergleichsindex. Dann lässt die
Investmentgesellschaft es sich vergüten, dass der Fond zwar Verluste gemacht hat, aber eben nicht so viel wie andere.
Transaktionskosten entstehen, wenn im Fonds eine Umschichtung der Wertpapiere stattfindet, also beispielsweise Aktien verkauft und andere dafür gekauft werden. Bei einer solchen Umschichtung entstehen Transaktionskosten, die von den Anlegern bezahlt werden. Je öfter umgeschichtet wird, desto mehr Gebühren müssen gezahlt werden und desto geringer ist die Rendite.
Wegen mangelnder Transparenz bleibt die Höhe der Transaktionskosten in der Regel im Dunkeln. Eine Ausweisung der relevanten Daten im Fondsprospekt geschieht laut Studie der Verbraucherzentrale NRW kaum oder nur unzureichend.
Der Fantasie sind bei den sonstigen Kosten keine Grenzen gesetzt. Rechtliche Vorgaben gibt es so gut wie nicht. So kann es passieren, dass Anleger nicht nur den Ausgabeaufschlag beim Kauf bezahlen, sondern auch einen Rücknahmeabschlag bei der Rückgabe der Anteilsscheine. Und wenn ein Fonds Geld einnimmt, weil er Wertpapiere verleiht, dann kassiert die Gesellschaft dafür oft auch eine Gebühr. Hier empfiehlt sich eine genaue Prüfung der Fondsunterlagen und des amtlichen Verkaufsprospekts um herauszufinden, welche sonstigen Kosten anfallen können.
Eine Hilfe beim Vergleich von Fonds anhand der anfallenden Kosten ist die Total Expense Ratio (TER). Die TER ist eine Gesamtkostenquote, die für Transparenz sorgen soll. Das gelingt allerdings nur zum Teil. Grund ist, dass in der TER nicht alle Kosten enthalten sind. So sind weder die Ausgabeaufschläge enthalten, noch die erfolgsabhängigen Gebühren (Performance Fees). Die Aussagekraft der TER ist daher begrenzt. Laut Morningstar liegt sie bei Aktienfonds bei gut zwei Prozent.
Was raten sie denen, die für die Altersvorsorge sparen?
Alle müssen sich an niedrigere Renditen gewöhnen, weil der Zins-Rückenwind fehlt. Bei 0,5 Prozent Rendite verdoppelt der Anleger sein Vermögen in 134 Jahren. Wer es aber schafft, zwei Prozent jährlich zu erwirtschaften – und das ist zu schaffen – verdoppelt in etwa 34 Jahren. Jeder Prozentpunkt zählt.
Welche Gefahr droht durch die Notenbanken?
Das Anleihe-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank ist darauf ausgerichtet, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben. Wir sind jetzt in der glücklichen Lage, dass es kaum Inflation gibt, da fällt es nicht so auf, dass Anleger nach Abzug der Inflation sogar einen Verlust erleiden. Aber das Altersvermögen wird real schrumpfen. Langfristig treibt das die Kosten für den Staat, weil der mehr Bürger im Alter unterstützen muss. Fondsmanager müssen jetzt die Instrumente einsetzen und beherrschen, mit denen man auch in einem schwachen Anleihenmarkt Erträge erzielen kann.
Wie soll das gehen?
Derzeit steigt der Aktienmarkt stark, weil das Geld, das die Notenbanken ins Finanzsystem pumpen, über Umwege in Aktien fließt. Ein Aktienanteil als Beimischung sollte also in keinem Portfolio fehlen. Es gibt auch bei Anleihen renditestärkere Nischen, die spezialisierte Fondsmanager durchleuchten. Das sind Papiere, die bei Banken-Restrukturierungen aufgelegt wurden, das sind Anleihen bonitätsschwächerer Unternehmen sowie aus Schwellenländern. Das Risiko ist hier extrem hoch, deshalb ist Expertenwissen wichtig. Milliardenschwere Fonds sind aber oft zu groß, um in diesen Nischen zu investieren. Machen sie hier Gewinne, wären die im Gesamtergebnis des Fonds kaum sichtbar.
Sie empfehlen Strategien, die einen stabilen Ertrag bringen. Welche Fondsmanager können das?
Sie müssen arbeiten wie Hedgefonds-Manager, die unabhängig von der allgemeinen Entwicklung an den Kapitalmärkten einen Wertzuwachs erzielen wollen. Die guten Manager dieser so genannten Absolute-Return-Fonds können mehr erwirtschaften als den Geldmarktzins. Bei Anleihen etwa hat Mark Dowding von der Londoner Investmentgesellschaft Bluebay alle Spielarten im Griff, er managt unter anderem den Bluebay Investmentgrade Absolute-Return-Bond-Fund. Ariel Bezalel vom Jupiter Dynamic Bond und Michael Phelps mit dem Blackrock European Credit Strategies traue ich künftig ebenfalls gute Ergebnisse zu.
Sind traditionelle, aus Anleihen und Aktien zusammengesetzte Mischfonds, keine Lösung?
Vielen Managern gelingt es nicht, einen Mehrwert für Anleger zu erzielen. Konservative Mischfonds, die in der Vergangenheit gut waren, haben ihre Gewinne häufig mit Anleihen gemacht und müssen jetzt neue Gewinnquellen finden. Viele kaufen weitgehend nur die Titel, die in dem Index stecken, an dem sie sich messen lassen. Gehen die Märkte und damit die Indizes in die Knie, verlieren auch die Fonds. Zukunftsfähig ist das nicht.
Was ist das Problem bei Lebensversicherungen?
Die Anbieter von Kapital-Lebensversicherungen zehren jetzt von den Reserven, die den Kunden vorenthalten werden. Das System ist sehr sicherheitsorientiert und hält einer längeren Niedrigzinsphase nicht stand. Steigen irgendwann die Zinsen, können Anleger mit Bankeinlagen mehr verdienen. Das könnte zu einer Kündigungswelle führen, die vielen Versicherern den Rest geben würde.