Nachhaltige Geldanlage? Fondsgesellschaft DWS unter Greenwashing-Verdacht

Quelle: imago images

Grüne Geldanlage liegt im Trend. Der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS wird dabei nun Etikettenschwindel vorgeworfen, die Aktie brach ein. Jetzt meldet sich auch die DWS zu Wort.

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Ganz neu sind die Vorwürfe nicht, doch jetzt spitzt sich die Lage zu: Nicht nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), sondern auch mehrere US-Behörden untersuchen Medienberichten zufolge die nachhaltigen Investmentprodukte der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS. Die DWS habe, so die Vorwürfe, Nachhaltigkeitskriterien zu hoch angesetzt, berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf Insider. Die DWS-Aktie war am Donnerstag um fast 14 Prozent eingebrochen, 1,1 Milliarden Euro an Börsenwert lösten sich in Luft auf. 

Die Untersuchungen durch US-Behörden, zu denen auch die Börsenaufsicht SEC zähle, befänden sich noch in einem frühen Stadium, schrieb das „WSJ“. Auch die Bafin soll Ermittlungen aufgenommen haben, wollte dies in ersten Stellungnahmen aber nicht kommentieren. Die DWS selbst reagierte erst am Donnerstagabend mit einer Stellungnahme und wies die Vorwürfe zurück: Man stehe zu den ESG-Offenlegungen in den Jahresberichten, teilte die DWS mit. Man werde sich „weiterhin konsequent für nachhaltige Geldanlage einsetzen“. ESG steht als englische Abkürzung für die Aspekte Umwelt, Sozialstandards und Unternehmensführung (Environment, Social and Governance).

Auslöser der Untersuchungen sollen Vorwürfe der ehemaligen Nachhaltigkeitschefin der DWS, Desiree Fixler, sein. Sie war nach nur einem halben Jahr im Amt im März deses Jahres schon wieder gegangen und soll sich noch in einem Arbeitsrechtsstreit mit dem alten Arbeitgeber befinden. Angeblich sollen Vorwürfe eines mangelnden Nachhaltigkeitsanspruchs zu Fixlers Entlassung geführt haben. Fixler hatte im August auch öffentlich bekundet, dass die DWS bei Angaben zu ihren Nachhaltigkeitsbemühungen übertreibe.

von Jacqueline Goebel, Hauke Reimer, Heike Schwerdtfeger, Martin Gerth, Saskia Littmann, Cornelius Welp, Silke Wettach

In einem Interview mit dem Fernsehsender ntv beklagte Fixler große Scheinheiligkeit bei der nachhaltigen Geldanlage: Hinter vielen Nachhaltigkeitsprodukten steckten am Ende, hinter der Fassade, „hauptsächlich Investitionen in Microsoft und Apple“ – also praktisch eine ganz normale Geldanlage, ohne besonderen Anspruch an die Nachhaltigkeit. „Das Problem ist, es ist ein Markt, der sich noch im Aufbau befindet“, so Fixler. Es fehlten Standards. „Wenn die Regeln unklar sind, ist die Versuchung für viele Firmen groß, Investoren zu sagen, was sie hören wollen.“

Konkret angesprochen auf die DWS sagte Fixler, Nachhaltigkeit sei dort nicht der Kern der Aktivitäten. Dabei hatte die DWS ESG nach eigenen Angaben schon 2019 als einen zentralen Baustein ihrer Unternehmensstrategie definiert. Die Fondsgesellschaft geht davon aus, dass ESG künftig als „Standard für die gesamte Asset Management Industrie“ gelten werde.

Fixler forderte von der BaFin eine strengere Kontrolle in diesem Bereich: Greenwashing sei letztlich Wertpapierbetrug. Erst wenn Vermögensverwalter und Fondsgesellschaften mit stärkeren Sanktionen in diesem Feld rechnen müssten, würden sie ihr Verhalten wohl ändern, so Fixler.

Die DWS selbst wies in ihrer Stellungnahme vom Donnerstagabend „Anschuldigungen einer ehemaligen Mitarbeiterin entschieden zurück“. Wollte sich ansonsten aber „zu Fragen im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten oder regulatorischen Angelegenheiten nicht äußern“. 

Gegenüber der WirtschaftsWoche teilte die DWS mit, sie habe „seit über 20 Jahren eine lange Tradition in nachhaltiger und verantwortungsvoller Geldanlage“. Bis zum Inkrafttreten der Offenlegungsverordnung im März 2021 habe es im Markt aber verschiedene Ansätze gegeben, um ESG-Anlagen zu definieren. Im Jahresbericht 2020 habe die DWS ihre ESG-Anlagen in zwei verschiedene Kategorien einsortiert („integriert“ oder „dezidiert“). Ein klarer Markt-Standard habe sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht etabliert gehabt, teilte die DWS mit. 

Allgemeiner formulierte die DWS: Der Aufbruch in eine Zukunft, in der ESG-Anlagen die Norm und nicht die Ausnahme darstellten, werde "lang und mit Hürden verbunden sein, sowohl für die Industrie, als auch die DWS“.  Nötig sei ein „gewissenhaftes und auch zügiges Vorgehen“.

von Georg Buschmann, Frank Doll, Martin Gerth, Heike Schwerdtfeger

Genau an diesem gewissenhaften Vorgehen gibt es nun Zweifel. Klar ist, dass die Vorwürfe das Haus zur Unzeit treffen: Seit diesem Jahr werden alle Fonds strenger reguliert. Aufseher wollen verstärkt darauf achten, dass Anlegern Nachhaltigkeit nicht nur vorgegaukelt wird. Weitere Regelverschärfungen zeichnen sich schon ab: So sollen Fonds nach Bafin-Plänen künftig nur noch als nachhaltig vermarktet werden dürfen, wenn sie mindestens 75 Prozent des Geldes nachhaltig investieren. 

Tatsächlich aber ist die Abgrenzung von Nachhaltigkeit keine leichte Sache, die Grenzen oft fließend. Fondsmanagern steht es bislang oft noch frei, solche Unternehmen auszuwählen, die sie für vorbildlich halten. Ein WirtschaftsWoche-Ranking zur nachhaltigen Vermögensverwaltung zum Beispiel hatte deshalb nicht auf besondere ESG-Label der Anlageprodukte geachtet, sondern ausgewertet, welche Werte am Ende in den jeweiligen Depots liegen - entscheidend ist nicht, was draufsteht, sondern was drinsteckt.

Anleger, die lieber auf eigene Faust nachhaltig Anlegen wollen, sollten sich passende Werte heraussuchen. 20 aussichtsreiche und nachhaltige Aktien für das grüne Gewissen hat die WirtschaftsWoche in einer Titelgeschichte herausgefiltert.

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