Warum ist die zehnjährige Anleihe so wichtig?
Banken müssen als Puffer für schlechte Zeiten Wertpapiere in ihrem Portfolio haben, die sie notfalls rasch zu Geld machen können. Logischerweise sind Verlustrisiken bei einer solchen Geldanlage unerwünscht. Versicherungen und Pensionsfonds sind zudem ebenso wie besonders konservative Anlagefonds dazu verpflichtet, überwiegend in sichere Wertpapiere zu investieren. Bundesanleihen erfüllen diese Kriterien perfekt: Der deutsche Staat gilt als zuverlässiger und zahlungskräftiger Schuldner, das Risiko einer Staatspleite und somit der Verlust des investierten Kapitals ist besonders gering.
Gleichzeitig ist die Bundesanleihe an der Börse stets liquide handelbar. Es finden sich immer genügend Käufer und Verkäufer für die Papiere, die Kursschwankungen an der Börse sind vergleichsweise gering. Weil die Bundesanleihen ein derart großes Finanzierungsvolumen darstellen, wirken sie sich außerdem auf andere Geschäfte als Orientierungs- und Bezugsgröße aus. Die Verzinsung der Bundesanleihe hat somit indirekten Einfluss auf die Höhe der Zinsen für Kredite, Sparverträge, oder auch private Altersvorsorgeprodukte wie etwa Lebensversicherungen.
Warum gelten Bundesanleihen als besonders sichere Geldanlage?
Für den Analysten Michael Schulz von der NordLB sind die Papiere ebenfalls ein fast risikoloses Investment. "Der deutsche Staat ist über jeden Zweifel erhaben. Das ist fundamental begründet durch das robuste Wirtschaftswachstum, die niedrige Arbeitslosigkeit und die vergleichsweise gesunden Staatsfinanzen." Alle großen Ratingagenturen bewertet deshalb die Bonität Deutschlands mit der Bestnote AAA.
Anleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren sind rund um die Welt zum wichtigsten Finanzierungsinstrument institutioneller Anleger avanciert. Ein Grund hierfür sei, dass die durchschnittliche Laufzeit aller ausgegebenen Papiere noch bei etwa acht Jahren liege, sagt Chef-Ökonom Hellmeyer. Anleger können die Papiere also entweder wieder verkaufen oder noch lange im Portfolio liegen lassen. Bundesanleihen sind somit flexibel und trotzdem langfristig kalkulierbar.
Warum werden Bundesanleihen trotz Zinstief noch so stark nachgefragt?
Dafür sorgt der riesige und liquide Markt: An einem durchschnittlichen Handelstag wechseln Bundeswertpapiere in Höhe von rund 20 Milliarden Euro den Besitzer. Die derzeit im Umlauf befindlichen zehnjährigen Bundesanleihen haben einen Wert von fast 500 Milliarden Euro. Am Sekundärmarkt - etwa europäische Wertpapierbörsen, elektronische Handelsplattformen und außerbörslich - wird aber pro Jahr ein Volumen von etwa 2,5 Billionen Euro gehandelt, also rund das Fünffache. Nur der Markt für US-Staatsanleihen ist noch liquider. Das bedeutet, dass Besitzer ihre Papiere praktisch jederzeit - selbst größere Bestände - zu Geld machen können.
Wie kommt es zum Negativzins?
Europa hangelt sich seit Jahren von Krise zu Krise. Von der Finanz- zur Staatsschulden- und Griechenland- bis hin zur Flüchtlingskrise. Akut ist derzeit vor allem die Gefahr eines EU-Abschieds von Großbritannien, sollte sich beim Referendum am 23. Juni eine Mehrheit der Briten dafür aussprechen. Kommt es dazu, steht die Zukunft der gesamten Europäischen Union auf dem Spiel.
Die Profianleger sehen daher die Gefahr eines weltweiten Börsenbebens. Auch eine Rezession in Großbritannien und bei wichtigen Handelspartnern sagen einige Ökonomen voraus. Investoren müssen solche Risiken einkalkulieren. "In Zeiten erhöhter Verunsicherung greifen Anleger zu den Papieren mit der geringsten Ausfallwahrscheinlichkeit", erklärt Schulz. "Und das sind nun einmal die Bundesanleihen." Die starke Nachfrage treibt ihren Kurs nach oben und lässt die Rendite sinken – sogar bis ins negative. Um ihr Geld sicher aufbewahrt zu wissen, nehmen Anleger also – zumindest vorrübergehend – eine Null- oder Negativverzinsung in Kauf.
Zehnjährige Bundesanleihen: Rendite rutscht erstmals ins Minus
Was hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit den niedrigen Renditen zu tun?
Seit März vergangenen Jahres kauft die EZB jeden Monat massenhaft Staatsanleihen. Zunächst startete das Anleihekaufprogramm mit einem monatlichen Kaufvolumen von 60 Milliarden Euro. Mittlerweile hat EZB-Chef Mario Draghi das Programm auf 80 Milliarden Euro ausgeweitet, zudem kauft die Zentralbank mittlerweile nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Unternehmensanleihen. Durch die Käufe der EZB ist die Nachfrage nach Bonds deutlich gestiegen und hat den Markt verzerrt. Folglich sind die Renditen zahlreicher Bonds bereits in den negativen Bereich gerutscht. Schon vor einigen Wochen rutschte die Umlaufrendite, also die Rendite über deutsche Staatsanleihen aller Laufzeiten, erstmals in den negativen Bereich.