Negativzins Bankgebühren führen Kunden hinters Licht

Einige Banken sagen öffentlich etwas anderes als ihre Preisaushänge. Gerade die kundeneigenen und genossenschaftlichen Volksbanken heizen mit undurchsichtigen Kontokonditionen den Streit über Negativzinsen für Sparer an.

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Mehrere Volksbanken verlangen bereits Negativzinsen. Quelle: dpa

Man könnte es schmunzelnd als Provinzposse abhaken, wenn es nicht so traurig wäre. Dem Verbraucherportal Verivox war aufgefallen, dass die Volksbank Reutlingen laut ihrer Preisliste jährlich 0,5 Prozent als „Entgelt auf das Guthaben für die Verwahrung von Einlagen auf Kontokorrentkonten“ verlangt – so ausführlich, so eindeutig.

Im Klartext heißt das: Strafzins jetzt auch auf dem Girokonto und zwar schon ab dem ersten Euro. Das Ganze gilt laut Preisliste zuzüglich zum Grundpreis, der je nach Kontomodell und Durchschnittsguthaben allein schon bis zu satten fünf Euro im Monat betragen kann. Wieder hat sich der anachronistische Negativzins der Europäischen Zentralbank ein Stück weiter in unseren Alltag hineingefressen.

In Reutlingen jedoch sieht man sich falsch dargestellt. Die Volksbank hat auf Fragen der WirtschaftsWoche zu ihren Kontokonditionen nicht reagiert, mittlerweile hat sie aber eine Stellungnahme auf ihrer Webseite veröffentlicht. „Fakt ist, die Volksbank Reutlingen erhebt derzeit keine Negativzinsen von Normalsparern“, heißt es darin. Aha. Und was hat es dann mit der Preisliste auf sich?

Unzulässige Bankgebühren

Die Änderungen im Preisaushang seien rein prophylaktischer Natur und sollen lediglich die entsprechenden Voraussetzungen für den Fall schaffen, dass ein Neukunde zum Beispiel eine Million Euro bei der Volksbank anlegen wolle. Ein Missverständnis, falscher Alarm also? Ein mulmiges Gefühl bleibt.

Ebenso ist nämlich Fakt, dass auf der ansonsten mit Fußnoten reichlich gespickten Preisliste keinerlei Hinweise darauf zu finden sind, dass das Verwahrentgelt nur für Neukunden mit Millioneneinlagen gelte. Wer bei einem alltäglichen Sachverhalt wie den Kontogebühren einen derartigen kommunikativen Zickzackkurs hinlegt, heizt Spekulationen an. War das Ganze ein Versuchsballon, der wegen heftigen Gegenwinds jetzt wieder eingeholt wird?

Das Muster, erst mit einer unpopulären Gebühr Aufsehen zu erregen und dann einen Rückzieher zu machen, erinnert an einen anderen Fall. Im Dezember machte die Sparkasse Soest mit einer merkwürdigen Klickgebühr von sich reden, bei der einige Onlinekunden zwei Cent je Mausklick zahlen müssen. Oder doch nicht? Von einer Klickgebühr könne keine Rede sein, lies der Sparkassenverband DSGV damals verlauten, als er seinem kommunikativ überforderten Mitgliedsinstitut zur Seite sprang. Am Ende blieb es dann bei der Sprachregelung, wonach in Soest nicht jeder Klick koste, sondern einzelne Aktivitäten im Onlinebanking. Die kommunikative Operation war gelungen, die Verwirrung bei bestehenden und potenziellen Kunden perfekt.


Die lokale Konkurrenz der Volksbank Reutlingen denkt aktuell übrigens nicht über Negativzinsen für Privatkunden nach. Die Kreissparkasse Reutlingen berechnet allerdings bei Unternehmenskunden, Kommunen und Institutionen seit Anfang des Jahres 0,4 Prozent Verwahrentgelt. Das entspricht dem Negativzins, den die Europäische Zentralbank den Geschäftsbanken auf bei ihr geparkte Einlagen berechnet.

So kurzweilig die Anekdoten aus Reutlingen und Soest für Außenstehende sein mögen, so bitter ist die Botschaft, die wir daraus mitnehmen müssen: Vor Negativzinsen oder kreativen Gebühren sind die Sparer nicht mehr sicher, auch nicht bei Volksbanken und Sparkassen, die eigentlich Bollwerke einer bodenständigen Finanzkultur sein sollten.

Ökonomisch ist der Negativzins schon Realität


Die Sparkassen werden von Bürgermeistern und Landräten kontrolliert, die solche Stilblüten in den Verwaltungsräten durchwinken, obwohl das bei ihren Bürgern, den Wählern nur für Kopfschütteln sorgt. Bei Volksbanken- und Raiffeisenbanken dagegen fehlt der politische Einfluss. Sie befinden sich vollständig in der Hand ihrer Kunden, der Sparer und Unternehmer am jeweiligen Ort.

Daher ist es besonders unverständlich, warum sich die Beiräte und Kundenvertreter Negativzinsen oder verwirrende Preislisten bieten lassen, statt den Bankvorständen in den Vertreterversammlungen die Köpfe gerade zu rücken. Gleiches gilt für die Sparda-Bank Berlin, die ihre Kunden schon ab 100000 Euro Sparguthaben mit einer Gebühr von 0,4 Prozent quält.

Wo Bankkunden bald mehr Gebühren zahlen
Belastungen durch niedrige Zinsen Quelle: dpa
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Die Beispiele aus Reutlingen und Soest zeigen auch: Der Negativzins ist ökonomisch gesehen längst Realität. Er versteckt sich in vielen Fällen nur hinter steigenden Gebühren für alltägliche Finanzdienstleistungen. Auch hier sind Volksbanken und Sparkassen besonders kreativ, wenn es darum geht, den Kunden zu verwirren und ihm das abzuverlangen, was er gerade noch herausrücken kann.
Nun müssen Banken natürlich auch schauen, wo sie ihr Geld verdienen. Doch für den Kunden muss deutlich bleiben, was er wofür zahlt. Das ist oft genug nicht mehr der Fall. So landete die Sparda-Bank Düsseldorf vor Gericht, weil sie mit einem angeblich kostenlosen Girokonto geworben hatte, obwohl es bei ihr die Bankkarte fürs alltägliche Geldabheben und Bezahlen an der Ladenkasse nur gegen eine Jahresgebühr von zehn Euro pro Jahr gab.

Auch jenseits von Soest und Reutlingen sind die Preislisten der Banken gespickt mit undurchschaubaren Gebühren. Kostprobe gefällig? Bei einem Kontomodell der Sparkasse Aichach-Schrobenhausen werden jedes Mal zwei Euro fällig, sobald das durchschnittliche Guthaben unter 2500 Euro sinkt. Bei der Sparkasse Hannover ist das günstigste Kontomodell mit einer Transaktionsgebühr von zwei Euro für Überweisungen und Auszahlungen verbunden, auch wenn diese online oder am Automaten durchgeführt werden. Und das fixgebührenfreie Kontomodell der Frankfurter Sparkasse geht mit Kosten von 35 Cent je Geschäftsvorfall einher. Klein aber nervig, scheint die unausgesprochene Devise zu lauten.


Obwohl die meisten Banken ihre Konditionen immerhin juristisch wasserdicht machen, sind diese für den Kunden immer schwerer zu durchschauen. Das zeigt die steigende Zahl der Fußnoten in den Preislisten.

Gerade kommunale und kundeneigene Banken wie Sparkassen, Volksbanken, Raiffeisenbanken oder Sparda-Banken sollten ihren Kunden solche Zumutungen ersparen. Zwar belasten die durch die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank nach unten gedrückten Kapitalmarktzinsen die bürgernahen Banken mit ihren hohen Spareinlagen besonders stark. Trotzdem sollten gerade diese Banken nicht den Vorreiter dabei spielen, den anachronistischen Negativzins der Notenbank unters Volk zu bringen. Denn wenn genervte Kunden scharenweise zu Direktbanken wechseln, sind Sparkassen und Genossenschaftsbanken am Ende die noch größeren Verlierer.

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