Negativzins Was Banken dürfen – und was nicht

Logo der Sparda-Bank Quelle: dpa

Banken erheben von ihren Kunden immer häufiger Strafzinsen. Doch dürfen sie das überhaupt? Die Zweifel daran nehmen zu, wie ein aktuelles Urteil zeigt.

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525 Banken und Sparkassen verlangen von Privatanlegern bereits Negativzinsen, hat das Vergleichsportal Biallo erhoben. Mehr als die Hälfte der Kreditinstitute hat den Strafzins – Banken sprechen lieber von einem Verwahrentgelt – erst dieses Jahr eingeführt. Hatten das Problem früher nur vermögende Kunden, ist jetzt zunehmend die breite Masse betroffen.

Die DKB zum Beispiel, eine der größten Direktbanken Deutschland, verlangt von Neukunden neuerdings schon ab 25.000 Euro auf Tagesgeld- und Girokonten einen Negativzins. Vor einem Jahr wären dafür noch 100.000 Euro nötig gewesen.

Doch obwohl der Strafzins mittlerweile zum Alltag gehört, bleibt er rechtlich hoch umstritten. Das Landgericht Berlin hat nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) entsprechende Klauseln der Sparda-Bank Berlin nun sogar für unzulässig erklärt: Die Bank müsse Kunden die berechneten Strafzinsen erstatten. Bei der Berliner Sparda-Bank hatten Kunden von August 2020 an ab bestimmten Schwellen 0,5 Prozent Verwahrentgelt zahlen müssen.

Die Berliner Richter lehnten das ab: Die Verwahrung von Einlagen auf einem Girokonto sei keine Sonderleistung, für die eine Gebühr erhoben werden dürfe. Dabei sei es auch unerheblich, ob die Kontoführung selbst kostenpflichtig oder kostenfrei sei. Eine Rolle spielte für die Richter auch, dass Spareinlagen die Bank rein rechtlich zu einem Darlehensnehmer machten, den Kunden zum Darlehensgeber. In diesem Verhältnis sei aber der Darlehensnehmer zur Zinszahlung verpflichtet und könne diese Pflicht nicht auf den Darlehensgeber abwälzen, indem dieser ein Verwahrentgelt zahlen muss. Veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen könnten nicht den zivilrechtlichen Charakter von Verträgen ändern, so die Richter (16 O 43/21). 

Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht, eine Berufung bleibt möglich. Und die Sparda-Bank Berlin kündigte diese auch bereits an. Das Urteil einer untergeordneten Instanz stehe im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung, teilte die Bank dem „Handelsblatt“ mit. Die Bank werde Berufung einlegen.

Fünf Klageverfahren bundesweit

Die Verbraucherschützer sind dennoch zuversichtlich und erfreut über diesen ersten juristischen Erfolg. Der vzbv strebt eine breite Klärung der Rechtsfrage an und hat an verschiedenen Gerichtsstandorten Klagen gegen Banken erhoben. Auf Anfrage erklärte der vzbv, dass bundesweit fünf Klageverfahren liefen. In den weiteren Fällen rechne man „in den kommenden Monaten“ mit Entscheidungen. Namen und Orte wollte der vzbv nicht nennen. Diese seien „nicht wichtig, da es uns nicht um konkrete Institute geht, sondern um die Klärung von Grundsatzrechtsfragen“.

Mit Blick auf das Berliner Urteil sagte David Bode, Rechtsreferent beim vzbv: „Das ist ein sehr gutes Urteil für Verbraucherinnen und Verbraucher. Das Landgericht Berlin setzt hiermit ein klares Signal gegen den Versuch vieler Banken, Kundinnen und Kunden mit Verwahrentgelten in Form von Negativzinsen zu belasten.“

Tatsächlich ist es gut möglich, dass auch weitere Gerichte die Banken zurückpfeifen werden. Bei Girokonten hatten Richter Negativzinsen auch vor dem Berliner Urteil schon gekippt, sich hierbei aber nur auf eine kostenpflichtige Kontoführung bezogen. Sofern das Konto selbst schon Gebühren koste, dürfe die Bank nicht auch noch Negativzinsen erheben, sonst würde sie den Kunden zu sehr benachteiligen (Landgericht Tübingen, 4 O 225/17). Das Landgericht Leipzig hingegen hatte grundsätzlich nichts gegen ein Verwahrentgelt bei Girokonten einzuwenden, wenn dieses individuell mit Neukunden vereinbart werde (05 O 640/20, 5 O 640/20). Die Bank dürfe aber nicht mit einer angeblich „kostenfreien Kontoführung für Schüler, Azubis und Studenten“ werben, wenn auch bei diesen Konten ein Verwahrentgelt verlangt werde.

Bei Spareinlagen erklärten Richter Strafzinsen zumindest dann für unwirksam, wenn langjährige Kunden ursprünglich nicht über die Möglichkeit negativer Zinsen informiert wurden (Landgericht Tübingen, 4 O 187/17). Nach Ansicht einiger Juristen ändert sich beim Negativzins eben nicht nur ein Vorzeichen, sondern das Wesen der Geldanlage. Daher kippte das Oberlandesgericht Stuttgart auch das Recht einer Bank, bei einem Riester-Banksparplan einen negativen Zins zu erheben – selbst wenn Bonuszahlungen letztlich zu positiven Erträgen für Kunden führen: Der negative Zins passe nicht zu einer Altersvorsorge (4 U 184/18). Final dürfte der Bundesgerichtshof urteilen (XI ZR 183/19).

Bereichern Banken sich am Strafzins?

So oder so ist klar, dass der Streit um die Negativzinsen Banken, Gerichte und Kunden noch eine Weile beschäftigen wird. Hintergrund ist die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Leitzins liegt nun schon seit März 2016 bei null. Banken müssen Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken. So starteten die Sparda-Banken im Sommer eine große Kampagne gegen die Negativzinsen. Diese „ruinieren das Finanzsystem und sind gesellschaftspolitisches Gift“, hieß es dabei. 

Allerdings fällt der Zins bei der EZB längst nicht auf die gesamten Einlagen der Banken an. „Viele Banken argumentieren, die Negativzinspolitik der EZB würde sie gerade zwingen, die Kosten an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Schließlich gestattet ihnen die EZB großzügige Freibeträge für dort „geparkte“ Gelder“, so Bode. Unter bestimmten Umständen könnten Banken sich am Strafzins so sogar bereichern.

Einige Banken ziehen mittlerweile ihre Schlüsse aus der rechtlichen Unsicherheit: Sie kündigen Kunden einfach, wenn diese zu viel Geld parken wollen. Dann müssten Kunden ihr Geld zu einer anderen Bank bringen oder anderweitig investieren. Der Druck auf Sparer jedenfalls ist größer als je zuvor - trotz der positiven Signale vor Gericht.

Mehr zum Thema: Banken und Sparkassen machen Sparern das Leben schwer: Neben Negativzinsen droht ihnen teils sogar die Kündigung, wenn sie ihr Geld falsch anlegen. Wie Banken Sparer wieder loswerden wollen.

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