Niedrige Zinsen Sparen für die Zukunft – aber wie?

Die Deutschen sind so zufrieden mit ihren Finanzen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das heißt aber nicht, dass das so bleibt: Viele fürchten um ihr Erspartes. Vor allem der ewige Niedrigzins belastet die Sparfreudigkeit.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
In Zeiten der Finanzkrise wollen die Deutschen ihr Geld sichern. Doch das klassische Sparen bringt nicht mehr viel. Quelle: dpa

Der erste Blick kann täuschen. Oft ist das auch bei Studien und Umfragewerten so. Eine neue Studie zum Thema Finanzen wirkt beim flüchtigen Blick positiv, denn sie sagt, dass die Mehrheit der Deutschen zufrieden mit ihrer finanziellen Situation ist. Beim genaueren Hinschauen verrät sie jedoch, dass die Niedrigzinsphase die Menschen doch ziemlich verunsichert. Die neue Studie ist eine repräsentative Umfrage mit 2900 Menschen in Deutschland: das Vermögensbarometer, das der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) jedes Jahr zum Weltspartag veröffentlicht.

Verunsichert sind die Menschen vor allem, weil sich die Niedrigzinsphase auf viele finanzielle Bereiche auswirkt. Beim Sparen, Vorsorgen fürs Alter und Aufbau eines soliden Vermögens haben die Deutschen ihre Probleme. Nächste Woche Montag ist Weltspartag. Traditionell können Kinder am 30. Oktober beispielsweise ein Konto eröffnen und ihr erspartes Geld aus der Spardose anlegen. Oft gibt es dazu kleine Geschenke. Aber das Sparen wird immer schwieriger. Wir leben in einer Phase mit einer Verzinsung für typische Spareinlagen knapp über null Prozent. Außerdem belastet die Finanzkrise unser Geld und seinen Wert seit rund einem Jahrzehnt.

Trotzdem sind die Deutschen laut dem aktuellen Vermögensbarometer so zufrieden mit ihrer finanziellen Situation wie in den vergangenen zehn Jahren nicht. Auf die Frage, wie sie diese beurteilen würden, sagten ganze 59 Prozent „gut“ oder „sehr gut“. 2008 waren es nur 46 Prozent. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon, hat dafür eine Begründung: „Die Konjunktur brummt, der Arbeitsmarkt ist in der besten Verfassung seit der Wiedervereinigung Deutschlands.“ Und das Ergebnis der neuen Umfrage ist auch eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr, denn zum Weltspartag 2016 hieß es noch: „Die Deutschen sind nicht mehr ‚sehr zufrieden‘.“

Deutsche sorgen sich um ihre Ersparnisse

Allerdings haben drei Viertel der Deutschen Sorgen um ihre Ersparnisse. Dabei gilt der Deutsche typischerweise als der besonders freudige Sparer. Als Hauptgrund dafür sehen die meisten (53 Prozent) die Niedrigzinsen und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Fahrenschon sprach bei der Vorstellung der Studie am Dienstag in Berlin von einer „Dramatik der Situation“. Er erwarte vom EZB-Rat, der am Donnerstag tagen wird, „erste klare Angaben darüber, wie ab Januar 2018 der massenhafte Ankauf von Anleihen vermindert werden soll“. Er wünsche sich den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes. Und die Daten aus der Studie zeigen, dass nicht nur er sich höhere Zinsen wünscht.

Zwar sind auch die jungen Menschen besorgt, aber unter den 14- bis 29-Jährigen gibt es die meisten, die nicht um ihr Erspartes besorgt sind: knapp ein Drittel. Nur 23 Prozent der Arbeitnehmer zwischen 18 und 29 Jahren nutzen Vermögenswirksame Leistungen als vom Arbeitgeber unterstütze Spar- und Anlageform. Fahrenschon glaubt, dass das daran liege, dass andere Themen in diesen Lebensjahren eine größere Rolle spielten. Aber er fordert mehr Aufklärung über diese Anlageform.

Auch das öffentlich viel diskutierte Thema Altersarmut findet Platz in der Studie. Nur zwölf Prozent der Befragten denken, dass ihnen persönlich Armut im Alter droht. Aber etwas mehr als die Hälfte sagten: „Ich habe Sorge, im Alter meinen Lebensstandard mehr oder weniger deutlich reduzieren zu müssen, aber Altersarmut droht mir keine.“ Das sind die Sorgen der Menschen. Georg Fahrenschon sieht das Problem aber nicht nur im Zustand, sondern auch in der Einstellung der Menschen. Knapp ein Viertel der Deutschen hat keine Maßnahmen zur Altersvorsorge ergriffen. 13 Prozent davon gaben an, sich dafür nicht in der Lage zu sehen. „In der Gruppe mit einem Netto-Einkommen von weniger als 1.000 Euro pro Monat sorgen 47 Prozent nicht für Später vor“, sagte der DSGV-Präsident. Die Altersvorsorge werde zu sehr vernachlässigt.

Der Kern liegt aber in der Politik, wo teilweise ein Renteneintrittsalter von 69 und 70 Jahren debattiert wird. 41 Prozent der Deutschen befürchten, dass sie länger als geplant bis zum Renteneintritt arbeiten werden. Sie wüssten sonst nicht, wie sie im Alter für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten.


Immobilien sind besonders beliebt


Eine Absicherung für das Alter ist nicht nur die Altersvorsorge, auch andere Formen von Vermögen bringen Sicherheit im Alter. Wenn die Deutschen ein Vermögen aufbauen wollen, sind ihnen Sicherheit, Flexibilität und Verfügbarkeit am wichtigsten. Die Rendite ist nicht mehr so wichtig wie in den Vorjahren, hat die Umfrage für das Vermögensbarometer ergeben. Lebens- und Rentenversicherungen und vor allem der Bausparvertrag sind den Deutschen nicht mehr so wichtig wie beispielsweise selbst genutzte und vermietete Immobilien. Während 2007 noch mehr als 65 Prozent eine Lebensversicherung geeignet fanden, finden dies 2017 nur noch 24 Prozent. Das sogenannte Betongold ist da sehr viel beliebter: Mehr als die Hälfte findet selbst genutzte Immobilien geeignet – und viele Deutsche sind auch bereit, sich für den Erwerb zu verschulden.

Aber auch die Attraktivität von Immobilien als Geldanlage hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Im Vergleich zu 2016 ist es aber nur ein Rückgang um ein paar Prozentpunkte. „In den Rückgängen dürften sich die gestiegenen Immobilienpreise widerspiegeln“, schreibt der DSGV. Auch Aktien, Investment- und Immobilienfonds sowie Edelmetalle sind beliebter für die Vermögensplanung geworden.

Der Bundesverband deutscher Banken hat dazu ebenfalls neue Erkenntnisse, weil er die durchschnittlichen Renditen verschiedener Geldanlagen verglichen hat. Die Zeiten, „in denen Verbraucher zufrieden auf die Zinsen des Sparbuchs blicken konnten“, seien schon lange vorbei, heißt es in einer Pressemitteilung des Bankenverbandes. Am meisten Rendite bringen Dividenden deutscher Standardaktien: im Durchschnitt 2,6 Prozent. Auch Unternehmensanleihen mit 1,6 Prozent Rendite schneiden noch vergleichsweise gut ab. Ganz unten der Grafik des Bankenverbandes sind Spareinlagen mit einer Verzinsung im Promillebereich.

Auffällig in der Studie des Sparkassen- und Giroverbands ist auch, dass es regionale Unterschiede gibt: Menschen in Hamburg sind finanziell zufriedener als Menschen in Brandenburg. 67 Prozent der Hamburger bewerten ihre finanzielle Situation als „sehr gut“, während das nur 48 Prozent in Brandenburg tun.

Generell sind viele Neue Bundesländer auf den hinteren Plätzen. DSGV-Pressesprecher Alexander von Schmettow sagt dazu: „In Ostdeutschland hat es durch die Teilung Deutschlands brutale Brüche gegeben. Das hat auch das Sicherheitsgefühl beeinflusst.“ In den Neuen Bundesländern gebe es nicht so viele familiengeführte Unternehmen wie beispielsweise in Baden-Württemberg und Bayern, wo manche Familienbetriebe in ihrer Branche Weltmarktführer seien. „Die Wirtschaftsstrukturen müssen im Osten erst wieder mühsam aufgebaut werden“, sagt von Schmettow.

Forderung nach mehr Gerechtigkeit

Die politischen Forderungen nach einer „deutlichen Anhebung der Einkommensgrenzen“ beispielsweise, die der DSGV aus dem Vermögensbarometer ableitet, hob Präsident Fahrenschon am Dienstag noch einmal besonders hervor. „Der Bund profitiert von der anhaltenden Niedrigzinspolitik und es wäre angemessen, einen Teil davon den niedrigeren Einkommensklassen zur Vermögensbildung zugutekommen zu lassen“, sagte Fahrenschon.

Soziale Gerechtigkeit war im Wahlkampf Dauerthema – vor allem für SPD und Linke. Nun sind diese Parteien aber nicht an der Jamaika-Regierung beteiligt, die sich momentan noch bilden muss. Deswegen betonte Fahrenschon einmal mehr: „Geringverdiener und junge Menschen sollten mehr staatliche Förderung und Anreize zum Vermögensaufbau erhalten. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und Generationengerechtigkeit.“

Aber die Forderungen richten sich nicht nur an die Politiker auf Bundesebene, sie richten sich auch an die EZB. Der Wunsch nach niedrigeren Zinsen ist nicht neu, aber er unterstreicht erneut die Dringlichkeit eines Politikwechsels.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%