Der Vorwurf ist derzeit ein heftig diskutiertes Thema in den USA: Hedgefonds und Spekulanten sollen sich am Rentensystem der USA auf Kosten der Steuerzahler bereichern. Und es kommt noch schlimmer: Sie tun es im Auftrag der Regierung.
Es geht um die Pensionskassen von Rhode Island. Der etwa eine Million Einwohner zählende US-Bundesstaat – der kleinste unter den 50 US-Bundesstaaten – hatte ein unterfinanziertes Pensionssystem, aber zumindest durchschnittliche Renditen auf die Rücklagen. Jetzt investieren Börsenprofis die Pensionsgelder – und machen alles noch schlimmer.
Gina Raimondo hat als Schatzmeisterin von Rhode Island vor drei Jahren das marodierende Rentensystem reformiert und dafür gesorgt, dass mehr von den Pensionsrücklagen in alternative Anlagen an der Wall Street investiert wird. Um der Falle der niedrigen Zinsen zu entkommen, sollten Hedgefonds, Risikokapitalgeber und Private-Equity-Firmen für mehr Rendite und geringere Anlagerisiken sorgen.
Raimondos Ziel war es, das Rentensystem auf ein solideres Fundament zu stellen. 2011 boxte sie die Reform für das rund sieben Milliarden Dollar schwere Rentenversicherungssystems für Angestellte durch – und feiert es seitdem als Erfolg. Raimondos Modell galt sogar anderen US-Bundesstaten wie New Jersey, North Carolina, Kalifornien, Pennsylvania oder Kentucky als Vorbild. Sie beschritten ähnliche Wege. Raimondos Rentenreform wurde mit einer Auszeichnung des Manhattan Institute geadelt, einem konservativen Think Tank, in dem viele Wall-Street-Manager sitzen.
Reform ja, Verbesserung nein
Derzeit bewirbt sich Raimondo um das höchste Amt in dem Ostküstenstaat, sie will Gouverneurin werden – und wirbt dabei mit ihrer Rentenreform. Das hat ihr offenbar zunächst in der Wählergunst deutliche Vorteile gegenüber ihrem Widersacher von der Demokratischen Partei eingebracht. Inzwischen aber ist bekannt geworden, dass sich die Reform weit weniger positiv auswirkt, als in den offiziellen Darstellungen.
Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Reform keine überdurchschnittliche Rendite auf die Pensionsrücklagen einbringt, sondern die Erträge im Gegenteil sogar unterdurchschnittlich ausfallen. Auch die Nachahmer in anderen US-Bundesstaaten entwickeln sich seit der Einführung der neuen Investmentstrategie unterdurchschnittlich. Pensionsanalysten zufolge kostete die Reform die Steuerzahler von Rhode Islands sogar mehrere hundert Millionen Dollar. Warum? Weil der allergrößte Teil der Erträge von den hohen Gebühren verschlungen wird, die die Wall-Street-Investoren verlangen.
Hedgefonds zehren die Rendite auf
Immer mehr brisante Details der Rentenreform kommen ans Licht. Das Wall Street Journal schrieb, dass das kleine Rhode Islands inzwischen zu einem nationalen Schlachtfeld um die Renten geworden sei. Laut International Business Times ist das Rentensystem von Rhode Island inzwischen mit zwei Milliarden in Hedgefonds, Private Equity-Firmen und bei Risikokapitalgebern engagiert. Lag deren Anteil zuvor bei null, liegt er nun bei mehr als einem Viertel des gesamten Pensionsvermögens.
Managergebühren führen zu Verlusten
Allein die hohen Gebühren der Wall-Street-Profis verschlangen Berichten zufolge 2013 stolze 70 Millionen Dollar. Dafür hätte es überdurchschnittliche Erträge geben sollen. Tatsächlich aber waren die Erträge laut Pensionsanalysten weit unterdurchschnittlich, unter dem Strich soll Rhode Island 372 Millionen Dollar an unrealisierten Gewinnen verloren haben.
Vor der Reform hatten die Erträge aus Rhode Island’s Rentensystem noch dem Durchschnitt entsprochen, so dass heute ein um 500 Millionen Dollar höheres Vermögen in der Rentenkasse liegen könnte. Der Unterschied zum mittleren Ertrag aller US-Bundestaaten ist einem ehemaligen Pensionskassenverwalter aus Kentucky zufolge direkt auf die hohen Management-Kosten der ausgewählten professionellen Investmentlösungen zurückzuführen.
Regierung verteidigt Reform mit merkwürdigen Argumenten
Nach einem Kommentar zu den Erträgen der Pensionskasse befragt, antwortete eine Vertreterin des Schatzamtes lakonisch, es sei zu gefährlich, eine derart kurze Anlageperiode zu stark zu gewichten. Sie argumentierte, dass eine Einführung von Raimondos Anlagestrategie schon während der Finanzkrise im Jahr 2008 die Vermögensverluste der Pensionskasse um eine halbe Milliarde Dollar gemindert hätte. Irgendwie logisch, denn damals waren die Märkte auf einem Tiefpunkt - und die finanzstarken Hedgefonds waren in Goldgräberstimmung.
Die Einbindung von Hedgefonds sei daher ein Weg, die Anlagerisiken zu reduzieren, so Raimondos Ministerium weiter. Die Strategie ginge auf, die Risiken seien deutlich gesunken, die Erträge blieben hingegen stark.
Aber auch ein ehemaliger Bevollmächtigter der US-Börsenaufsicht SEC hat Raimondos Rentenreform im Auftrag einer Angestelltengewerkschaft analysiert – und kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Der Experte ist sich sicher, dass die astronomischen Gebühren der Hedgefonds den Nutzen für die Arbeiter drastisch verkürzt haben. Die Gewinnentwicklung sei im Vergleich zu den hoch liquiden großen Anlagemärkten regelrecht abgestürzt. Von einer Reduzierung der Anlagerisiken könne bei den hoch spekulativen Hedgefonds hingegen keine Rede sein. Raimondos Strategie sei daher, als würde man einen Spieler mit dem Geld der Pensionskasse nach Las Vegas schicken, weil die Entwicklung seiner Gewinne und Verluste nicht mit dem Aktienmarkt korrelierten.
Ein Filz aus Wahlkampfspenden und alten Seilschaften
Besonders anrüchig wirkt Raimondos Reform, weil sie selbst vor ihrer politischen Karriere eine Risikokapitalfirma gegründet hatte, die heute Teile der Pensionsgelder verwaltet. Zudem haben Wahlkampfvereine, die Raimondo in ihrem Streben nach dem Gouverneursamt unterstützen, offenbar vom Hedgefondsmanager John Arnold 100.000 Dollar an Spenden erhalten. Raimondo selbst soll seit 2009 in der Finanzindustrie mehr als eine halbe Million Dollar an Spenden eingesammelt haben.
Raimondos Widersacher und Gegenkandidat, der Bürgermeister der Hauptstadt Providence mit 170.000 Einwohnern, hat in seiner Stadt im Gegensatz zur Schatzmeisterin in den vergangenen vier Jahren sein Engagement an den hochriskanten Hedgefonds-Investments zurückgenommen. Damit hat Providence im Verhältnis weniger Geld in Hedgefonds als Rhode Island, aber dennoch mit seinen kommunalen Pensionsrücklagen die Durchschnittserträge aller öffentlichen US-Pensionskassen gleicher Größenordnung übertroffen.