Ökonomen zu den Staatsanleihenkäufen der EZB
"Die EZB sollte keine Staatspapiere kaufen, denn dann würde sie die Zinsen der Wackelstaaten weiter drücken und sie anregen, sich noch mehr zu verschulden. Der Kauf wird von Artikel 123 des EU-Vertrages zu Recht verboten, weil er einer verbotenen Monetisierung der Staatsschulden gleichkommt. Man sollte auch bedenken, dass selbst die US-Notenbank Fed keine Staatspapiere von Gliedstaaten kauft. Kalifornien, Illinois oder Minnesota stehen am Rande der Pleite, und doch hilft die Fed ihnen nicht mit Krediten. Es ist schlichtweg unakzeptabel, dass die EZB meilenweit über die Fed hinausgeht, obwohl Europa den gemeinsamen Bundesstaat noch gar nicht gegründet hat. Die EZB-Politik treibt die Staaten Europas in Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse und wird längerfristig nichts als Streit und Spannungen erzeugen."
"Die EZB verfehlt ihr Mandat der Preisstabilität und ist dabei, ihr wichtigstes Gut zu verlieren: ihre Glaubwürdigkeit. In letzter Instanz ist der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB ein notwendiges Übel, um ihrem Mandat gerecht zu werden. Je zögerlicher die EZB handelt, desto weniger effektiv ihre Geldpolitik und desto höher die Risiken."
"Ich sehe derzeit keine Deflationsgefahren, die Staatsanleihekäufe rechtfertigen könnten. Ohne die notwendigen Anpassungsprozesse in den Peripherieländern und dem ökonomisch vorteilhaften Ölpreisrückgang läge die aktuelle Inflationsrate in etwa um einen Prozentpunkt höher, als es derzeit der Fall ist. Die Jagd nach Rendite und die Risikobereitschaft an den Finanzmärkten würden weiter erhöht, der Anreiz, fürs Alter langfristig zu sparen, würde weiter vermindert."
"Seit Anfang 2009 ist der Zuwachs der Geldmenge M3 mit durchschnittlich 1,7 Prozent weit hinter dem Referenzwert von 4,5 Prozent zurückgeblieben, den einst EZB und Bundesbank für sinnvoll hielten. Entsprechend schwächelt die Konjunktur, während der Preisauftrieb auch ohne Öl gefährlich nah an die Deflation herankommt. In dieser Lage muss die EZB mit einer Offenmarktpolitik gegenhalten, also mit dem Kauf von Anleihen auf dem offenen Markt, der auch Staatsanleihen umfassen sollte."
"Es ist nicht notwendig, nun auch noch mit breit angelegten Staatsanleihekäufen auf den Ölpreisverfall zu reagieren. Die EZB sollte nicht nur auf Deflationsrisiken schauen, sondern auch berücksichtigen, dass sie als Käufer von Staatsanleihen den Regierungen zusätzlichen Anreiz gäbe, notwendige Strukturreformen aufzuschieben."
Als größte Gefahr für das Finanzsystem sehen sie heute weniger die klassischen Banken. Denn diese würden seit Finanzkrise tatsächlich schärfer reguliert und härteren Kapitalanforderungen unterliegen. Anders sehe das bei den so genannten Schattenbanken aus, die bankähnliche Geschäfte betreiben, wie zum Beispiel Investmentfonds, Versicherer und Pensionskassen.
Bei Investmentfonds sehen die Autoren zum Beispiel Probleme, wenn Kursrückgänge zu Verlusten und schnellen Mittelabflüssen führen. In diesem Fall könne von ihnen ein systemisches Risiko ausgehen. Versicherer und Pensionskassen wiederum hätten inzwischen einen vergleichsweise hohen indirekten Anteil an Unternehmensanleihen mit zum Teil niedrigeren Bonitäten, von denen Risiken ausgingen.
Auch Geldmarktfonds hätten ihr Geschäft verändert und würden sich zunehmend außerhalb des Euroraums engagieren. Das Problem dabei: Mit diesen Engagements sind hohe Fremdwährungsrisiken verbunden, wenn die betroffenen Währungen schnell auf- oder abwerten. Wie schnell das gehen kann, zeigte sich Anfang des Jahres zum Beispiel beim schweizer Franken. Als die schweizer Notenbank völlig überraschend den Mindestkurs zum Euro fallen ließ, gab es eine Wechselkursbewegung von fast 20 Prozent.
Eigentlich gehört das IMK zu den Befürwortern der lockeren Geldpolitik – trotz aller Risiken. Sie müsse jedoch mit höheren Ausgaben des Staates verbunden werden, um die Niedrigzinsphase möglichst schnell zu überwinden.