Ökonomendebatte Haben die Zentralbanken die Welt gerettet?

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Festhalten an der Alchemie der Geldschöpfung

Daran aber haben weder die vom makroökonomischen Steuerungswahn beseelten Zentralbanker, noch die durch die Gelddruckmaschine prächtig verdienenden Banker und die ausgabewütigen Politiker ein Interesse. Daher bewegte sich die Diskussion in Atlanta in gewohnten Bahnen: An der Alchemie der Geldschöpfung hält man fest und wenn das System mal wieder aus dem Ruder läuft, werden die Steuerzahler und Sparer zur Kasse gebeten.

Kontrovers verlief die Diskussion über die Aussichten für das künftige Wachstum der Weltwirtschaft, das nach wie vor stark von der US-Konjunktur bestimmt wird. Der Produktivitätsforscher Dale Jorgenson von der Harvard-Universität wies darauf hin, dass der langfristige Wachstumstrend der Wirtschaft von der Menge und Qualität der Arbeitskräfte, dem Kapitalstock und der totalen Faktorproduktivität bestimmt wird. In Letzterer spiegelt sich der technische Fortschritt wider, der die entscheidende Größe für das Wachstum ist. Je nachdem wie hoch man das Produktivitätswachstum für die nächsten Jahre einschätze, könne die US-Wirtschaft zwischen 1,5 und 2,5 Prozent wachsen.

Der Produktivitätsforscher Robert Gordon von der Northwestern University veranschlagt das realisierbare Wachstumspotenzial am unteren Rand des von Jorgenson aufgezeigten Spektrums. Gordon ist überzeugt, dass der Produktivitätsschub infolge der IT-Revolution bereits ausgelaufen ist und in den nächsten Jahren keine bahnbrechenden Innovationen zu erwarten sind.

Das Produktivitätswachstum in den USA habe im Schnitt der vergangenen Jahre nur bei mageren 0,5 Prozent gelegen. Selbst mit großen Investitionsanstrengungen ließe es sich allenfalls auf knapp ein Prozent steigern, glaubt Gordon. Da die arbeitsfähige Bevölkerung in den nächsten Jahren zudem nur um etwa ein halbes Prozent pro Jahr wachse, müssten sich die USA à la longue auf Wachstumsraten von mageren 1,5 Prozent pro Jahr einstellen.

Behält Gordon Recht, hätte das nicht nur für den Wohlstand der US-Bürger und die Weltwirtschaft Konsequenzen. Es würde auch die Pläne von US-Präsident Donald Trump über den Haufen werfen, der darauf setzt, dass Steuersenkungen und Deregulierungen das langfristige Wirtschaftswachstum auf rund drei Prozent hieven.

Kevin Hassett, der wirtschaftspolitische Chefberater von Trump, verbreitete in Atlanta jedoch Zuversicht. Er rechnete den versammelten Ökonomen vor, dass die US-Unternehmen die Steuerersparnisse zum überwiegenden Teil in neue Maschinen und Anlagen gesteckt haben.

Die Ausgaben der Unternehmen für Ausrüstungsinvestitionen hätten in den ersten drei Quartalen 2018 um 343 Milliarden Dollar über ihrem langfristigen Trend gelegen. Die Investitionen hätten in diesem Zeitraum einen Prozentpunkt zum Wirtschaftswachstum beigetragen.

Die Sorge, die Steuersenkungen gießen Öl ins Feuer der heiß gelaufenen US-Konjunktur, hält Hassett für unbegründet. Die steuerinduzierte Investitionsoffensive erhöhe den Kapitalstock, steigere das langfristige Güterangebot und wirke einer konjunkturellen Überhitzung entgegen.

Der Trump-Berater wies zudem darauf hin, dass durch den Investitionsschub die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften gestiegen sei. Davon hätten vor allem die unteren 90 Prozent der Einkommensbezieher profitiert. Ihre Nominallöhne hätten stärker zugelegt als die der oberen 10 Prozent, sagte Hassett. Im Schnitt aller Beschäftigten seien die Löhne zuletzt um 3,2 Prozent gestiegen, was deutlich über der Kernrate der Inflation von rund 1,6 Prozent liegt. „Mit den Reallöhnen der Arbeiter in den USA geht es wieder bergauf“, frohlockte Hassett.

Dass sich die Börsen derzeit auf Talfahrt befinden und die Teilnehmer an den Finanzmärkten Rezessionsszenarien durchspielen, beunruhigte die Ökonomen in Atlanta nicht. Selbst der Wachstumspessimist Gordon hält Rezessionsszenarien derzeit für übertrieben. Die Konjunktur sei robust, es habe sich ein positiver Kreislauf aus Investitionen, Beschäftigung und Konsum herausgebildet, der nicht so schnell abbreche.

Das hört sich überzeugend an. Nur: Die Erfolgsbilanz der Ökonomen in Sachen Wachstums- und Konjunkturprognose ist nicht gerade überwältigend. In der Vergangenheit versprühten sie häufig gerade dann am meisten Zuversicht, wenn sich die nächste Krise bereits anbahnte.

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