Ölpreis, China und die Börse

Die Welt wird für Anleger ungemütlicher

Für die schlechte Börsenentwicklung zum Jahresauftakt gibt es viele gute Gründe. Dabei hat der Markt noch nicht einmal alle berücksichtigt. Trotzdem gibt es noch keinen Grund zur Panik. Eine Kolumne.

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Wer vom billigen Öl profitiert – und wer verliert
Jemand arbeitet an einer Tragfläche eines Flugzeugs Quelle: PR
Autos Quelle: AP
Jemand greift nach Körperpflegeprodukten in einem Regal Quelle: REUTERS
Containerschiff Quelle: dpa
Lastwagen der Deutschen Post Quelle: dpa
Packungen mit Medikamenten Quelle: dpa
Anlage mit Tank, auf dem BASF steht Quelle: dpa

Es gab in der jüngeren Vergangenheit kaum ein Jahr, das mit so vielen Krisen gestartet ist. In Europa haben wir die Flüchtlingskrise und eine zunehmende Abwendung von den europäischen Gemeinsamkeiten. In Großbritannien droht sogar der Austritt aus der EU – der Brexit. Weltweit ist es vor allem der Konflikt im Nahen Osten, der die Weltgemeinschaft immer mehr in Bedrängnis bringt. Jede dieser Entwicklungen hat das Potenzial zu eskalieren und die Wachstumsaussichten der Weltwirtschaft deutlich zur drücken. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die Weltbörsen einen der schlechtesten Jahresauftakte hatten und kräftig gefallen sind. Jedoch war es nicht die Gesamtheit der aufgezählten Krisen, die zu den Kursstürzen geführt haben. Es waren zunächst nur der chinesische Aktienmarkt sowie der schier abstürzende Ölpreis.

Stefan Bielmeier Quelle: Presse

Die Entwicklung des Ölpreises kann man auf zwei Weisen interpretieren. Zum einen könnte der fallende Ölpreis ein Indiz sein, dass die Wachstumsdynamik der Weltwirtschaft sich in den letzten Monaten deutlich abgeschwächt hat. Oder: Die rückläufigen Ölpreisnotierungen sind Ausdruck der massiven Überproduktion auf den weltweiten  Ölmärkten. Ich selbst tendiere zur zweiten Alternative.

Saudi Arabien versucht seine Markteinteile auszuweiten

Warum? Die Konjunkturdynamik in den Industrieländern hat sich bislang nicht merklich verlangsamt. Das Wachstum der Schwellenländer befindet sich zwar auf einem sehr niedrigen Niveau. Aber auch hier stabilisieren sich die Märkte gerade wieder. Das alles spricht gegen eine nachlassende weltweite Wachstumsdynamik. Dagegen leidet der Ölmarkt unter einer massiven Überproduktion. Das Ölkartell der OPEC funktioniert nicht mehr. Insbesondere Saudi Arabien trägt zu einer hohen Überschussproduktion an Rohöl bei. Damit versucht das Land seine Marktanteile auszuweiten.

Ein weiterer Grund für die fallenden Ölpreise sind die vor wenigen Tagen aufgehobenen Iran Sanktionen. Damit kann Iran nun wieder Öl exportieren und die Überversorgung der Märkte nimmt weiter zu. Dies wird in den Rohölpreisen bereits diskontiert. Die Marktreaktion auf den zunehmenden Konflikt zwischen Saudi Arabien und den Iran bestätigt die These, dass der niedrige Ölpreis hauptsächlich von einer Überversorgung an Rohöl verursacht wird. Als der Konflikt offenbar wurde, sind die Ölpreise weiter gefallen und nicht wie sonst üblich gestiegen. Die Logik hinter dieser Preisreaktion war, dass mit dem Konflikt zwischen den beiden Ländern eine Einigung innerhalb der OPEC weiter an Wahrscheinlichkeit verloren hat.

Diesen Öl-Konzernen laufen die Anleger weg

Somit ist aus meiner Sicht der Hauptgrund für den sehr niedrigen Ölpreis ein Zuviel an Öl und nicht eine nahende Rezession der Weltwirtschaft. Diese Sichtweise hat wichtige Implikationen für die Erwartungen über die weitere Entwicklung der Finanzmärkte.

Ganz wichtig: Ein niedriger Ölpreis stärkt die Kaufkraft der privaten Haushalte und Unternehmen. Damit wirkt der niedrige Ölpreis wie eine globale Steuersenkung. Die real steigende Kaufkraft wird im aktuellen Zyklus teilweise zum Schuldenabbau verwendet, eine Entwicklung die sehr positiv zu bewerten ist. Zum anderen Teil wird aber auch der private Konsum gestärkt. Diese Entwicklung kann man bereits an der kräftigen Dynamik des Konsums in den Industrieländern ablesen, der in 2015 erheblich zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum beigetragen hat. Diese positive Entwicklung dürfte sich auch in den nächsten Monaten fortsetzen. Sie wird von den Aktienmärkten zurzeit noch deutlich unterschätzt und kann in den kommenden Monaten zu positiven Überraschungen an den Aktienmärkten führen.

Fundamentaler Umbruch

Die positiven Konjunkturimpulse gehen natürlich zu Lasten der ölfördernden Länder. Doch im Nahen Osten sind die finanziellen Reserven groß genug, um dort eine ungünstige Entwicklung zu vermeiden. Anders ist es in Russland. Hier könnte der anhaltende niedrige Ölpreis für eine weitere wirtschaftliche Destabilisierung des Landes sorgen. Und das könnte den gesamten osteuropäischen Raum in Mitleidenschaft ziehen. In der aktuellen Flüchtlingsdiskussion ein kaum beherrschbares Risiko für Europa. Vom niedrigen Ölpreis geht aber noch eine weitere Gefahr für die Weltwirtschaft aus. Viele Unternehmen der US-amerikanischen Schiefergasindustrie sind hoch verschuldet - Großteils finanziert über den Anleihemarkt. Einige Unternehmen könnten in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Damit könnte der gesamte High-Yield-Sektor - also hochverzinste Anleihen mit entsprechendem Risiko - unter Druck kommen, was sich insgesamt sehr ungünstig auf die Finanzmärkte auswirken dürfte. Die gute Nachricht ist hier, dass immer noch viele Unternehmen profitabel arbeiten.  Damit ist diese Gefahr zurzeit noch überschaubar, wenn auch erste Spuren des niedrigen Ölpreises sichtbar werden.

Zehn provokante Thesen für 2016
Saxo-Bank-Gebäude Quelle: Presse
Euromünze und Dollarschein Quelle: AP
Moskau Quelle: dpa-tmn
Smartphone Quelle: REUTERS
Maskottchen für die olympischen Sommerspiele in Brasilien Quelle: dpa
Hillary Clinton Quelle: REUTERS
Tankstelle Quelle: AP

Insgesamt würde ich aber den fallenden Ölpreis als überwiegend positiv für die Weltwirtschaft einschätzen. Insbesondere die Industrieländer profitieren hiervon. Insgesamt sollte der Ölpreis im Laufe von 2016 kaum steigen und weiter um die 30 US-Dollar pendeln. Das größte Risiko hier wäre eine Einigung der OPEC, die durch den zunehmenden ökonomischen Druck schneller als erwartet wieder zusammenfindet.

Chinesische Konjunktur losgelöst von Börsenentwicklung betrachten

Noch ein kurzer Blick auf China. Die aktuelle Entwicklung in China erinnert stark an die Turbulenzen vom Sommer 2015, als enttäuschende Konjunkturindikatoren wochenlang zu Ausverkäufen an den dortigen Aktienmärkten geführt haben. Weltweit wurden Befürchtungen geschürt, in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt stünde ein scharfer Wachstumseinbruch bevor. Wir haben schon damals davor gewarnt, die hochvolatilen chinesischen Aktienmärkte als Konjunkturbarometer (miss-) zu verstehen. Weder sind sie in der Vergangenheit dem Konjunkturzyklus zuverlässig vorausgelaufen, noch haben sie die reale Nachfrage positiv oder negativ beeinflusst – das haben die massiven Kurskorrekturen vom letzten Sommer gezeigt. Sie blieben ohne reale Wirkung. Entsprechend sollte man auch jetzt die chinesische Konjunktur losgelöst von der Börsenentwicklung analysieren.

Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum

Die jüngsten Wirtschaftszahlen aus China haben zwar einige Enttäuschungen mit sich gebracht, zeichnen insgesamt aber ein gemischtes und aus unserer Sicht noch kein beunruhigendes Bild. Insgesamt bestätigen die aktuellen Zahlen das Bild, dass sich Chinas Wirtschaft in einem fundamentalen Umbruch befindet. Die Bedeutung des industriellen Sektors, der bislang fast 50 Prozent zur Wirtschaftsleistung beisteuert, lässt nach. Dies zeigt sich in den Wachstumszahlen der Industrie, die sich innerhalb der vergangenen Jahre weit mehr als halbiert haben.

Insgesamt schlägt sich der Strukturwandel in China in einem nachlassenden gesamtwirtschaftlichen Wachstum nieder – ein Trend der sich auch in diesem und im kommenden Jahr fortsetzen wird. Nach wie vor sollte die Wirtschaftspolitik Pekings aber noch ausreichend Spielräume besitzen, um sich erfolgreich gegen einen größeren Wirtschaftseinbruch stemmen zu können.

Zusammengenommen sehe ich also keine Gründe jetzt in Panik zu verfallen. Deutlich niedrigere Aktiennotierungen könnten vielmehr eine gute Gelegenheit sein, da damit auch die Bewertungsrelation wieder günstiger werden. Jedoch sollte man auch in den kommenden Monaten weiterhin mit einer hohen Volatilität rechnen. Denn die Welt geht zwar nicht unter, sie ist aber viel unruhiger geworden.

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