Ölpreis im Tief Wo der niedrige Ölpreis gefährliche Spuren hinterlässt

Nach dem Ende der Sanktionen gegen den Iran ist der Ölpreis wie erwartet unter die Marke von 30 Dollar gesunken. Langsam kommen die Verlierer an die Grenze der Belastbarkeit. Welche Länder und Konzerne am meisten leiden.

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Öl-Preis nach Ende der Iran-Sanktionen Quelle: AP

Es wird mehr und mehr und mehr. Die Rede ist vom Öl. Bereits in den vergangenen Monaten war das Angebot deutlich höher als die Nachfrage, unter anderem aufgrund des Frackings in den USA. Nun dürfte das Angebot noch mal deutlich zulegen. Grund sind die aufgehobenen Sanktionen gegen den Iran, das Land darf nun erstmals seit 2012 wieder Öl am Weltmarkt verkaufen.

Der Ölpreis reagierte prompt. Beide Sorten, die Nordsee-Sorte Brent sowie US-Öl, kosteten mit 27,70 Dollar beziehungsweise 28,36 Dollar je Fass so wenig wie seit mehr als zwölf Jahren nicht mehr.

Wissenswertes zum Iran

Auf dem Ölmarkt gehen Beobachter davon aus, dass das Ende der Sanktionen gegen den Iran zu weitreichenden Veränderungen führt. Der Iran hatte bereits angekündigt, seine Ölexporte auf rund 500.000 Barrel hochzufahren. Zwar dürfte der Iran auf einen preislich besseren Zeitpunkt für die Rückkehr an den Ölmarkt gehofft haben, die geringeren Einnahmen dürften das Land aber kaum von Verkäufen abhalten.

Der Markt hat die Welle des iranischen Öls über die vergangenen Monate vorhergesehen und eingepreist. Dennoch werden Prognosen, wonach der Ölpreis schon bald bei nur noch 20 Dollar liegen könnte, immer wahrscheinlicher. Kein Wunder, dass einige Analysten immer pessimistischer werden. Am negativsten wird der Markt zurzeit von der Bank Standard Chartered beurteilt. Analyst Paul Horsnell senkte seine Preisprognose auf nur noch zehn Dollar und hat damit andere Pessimisten wie Goldman Sachs und Morgan Stanley nochmals unterboten. Der Ölpreis, so Horsnell, werde aktuell nicht von fundamentalen Werten getrieben. Ein Marktgleichgewicht sei nicht in Sicht. Ein Preis von zehn Dollar sei dennoch ein "Extremfall", erklärt Horsnell. Trotzdem gebe es im Markt einen Konsens darüber, dass der Preis noch weiter fallen muss, um Angebot und Nachfrage wieder in ein Gleichgewicht zu bringen.

Noch ist der Markt davon weit weg, innerhalb der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) droht ein Preiskrieg. Denn während die reichen Golfstaaten die sinkenden Einnahmen aus den Ölexporten irgendwie verkraften können und alles daran setzen, durch einen Preiskrieg Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, kommen andere Ölstaaten wie Venezuela oder Nigeria bald an die Grenze des Verkraftbaren. Unsere Übersicht zeigt, bei welchen Konzernen und Förderländern der niedrige Ölpreis überall schon seine Spuren hinterlassen hat.

Venezuela

Die Geschichte des billigen Öls lässt sich gut anhand der Benzinpreise erzählen. Venezuela ist für die niedrigsten Benzinpreise der Welt bekannt. Eine Tankfüllung ist für einen Cent-Betrag erhältlich. Das Land mit den größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt subventioniert Benzin so stark, dass es quasi an die Autofahrer verschenkt wird. Während Benzin unvorstellbar günstig ist, sind andere Güter in dem südamerikanischen Land dafür aber unfassbar teuer. Die Teuerung liegt geschätzt bei etwa 200 Prozent pro Jahr. Insbesondere Nahrungsmittel sind fast unerschwinglich. Am Freitag musste Präsident Nicolás Maduro den Wirtschaftsnotstand ausrufen.

Venezuela kämpft nicht nur mit den Folgen des niedrigen Ölpreises, sondern auch mit den Folgen seiner bisherigen Wirtschaftspolitik. Denn das Land hat sich wie viele andere auf seine Ölvorkommen verlassen. Fast die Hälfte des venezolanischen Öls wurde bisher in die USA exportiert. Entsprechend ist die Nachfrage in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen, da die USA durch das umstrittene Fracking größere Teile ihrer Nachfrage selber decken können.

Russlands Finanzminister warnt vor Haushaltslücke

Das Problem: aufgrund der Ölexporte bestand das Staatsbudget hauptsächlich aus Deviseneinnahmen. Bereits innerhalb eines Jahres sind die Reserven um rund ein Viertel eingebrochen. Dabei ist Venezuela abhängig von Importen, da die Industrie angesichts der Ölreserven stets vernachlässigt wurde, müssen fast alle Nahrungsmittel eingeführt werden. Im Moment ist kaum Ware verfügbar, das was in den Regalen liegt, können sich die Venezolaner nicht leisten. Solange Öl billig bleibt, hat das Land kaum Chancen auf signifikantes Fortkommen aus eigener Kraft.

Wer vom billigen Öl profitiert – und wer verliert
Jemand arbeitet an einer Tragfläche eines Flugzeugs Quelle: PR
Autos Quelle: AP
Jemand greift nach Körperpflegeprodukten in einem Regal Quelle: REUTERS
Containerschiff Quelle: dpa
Lastwagen der Deutschen Post Quelle: dpa
Packungen mit Medikamenten Quelle: dpa
Anlage mit Tank, auf dem BASF steht Quelle: dpa

Russland

Ähnlich wie in Venezuela hängt auch der russische Staatshaushalt vom Ölpreis ab, da der Kurs des Rubel stark an dem Preis hängt. Das Problem: das Staatsbudget wurde für einen Preis von 50 Dollar je Fass kalkuliert und gerät nun in Schieflage. Rund die Hälfte der Staatseinnahmen Russlands gehen auf den Verkauf von Öl zurück. Finanzminister Anton Siluanow warnte bereits, dass Russland eine Haushaltslücke von umgerechnet 36 Milliarden Euro drohe, sollte der Ölpreis auf seinem aktuellen Niveau verharren. Die russische Zentralbank rechnet bei einem Ölpreis von 35 Dollar mit einer um zwei bis drei Prozent schrumpfenden Wirtschaft im laufenden Jahr.

Auch Russland hat sich oft auf dem Ölboom ausgeruht und die hohen Preise nicht für notwendige Reformen genutzt. Das rächt sich nun. Hinzu kommt, dass Russland und der Rubel ähnlich wie andere Schwellenländer unter der schwächeren Nachfrage aus China leiden. Der Rubel hat 2015 rund elf Prozent abgewertet, das treibt die Inflation im Land. Lebensmittel wurden rund 20 Prozent teurer.

Im Zuge der Krise überlegt Russland nun, Teile des staatlichen Energiekonzerns Rosneft zu verkaufen. 19,5 Prozent des Konzerns könnten verkauft werden, um das Minus in der Staatskasse teilweise auszugleichen. "Wir müssen nun eine Entscheidung treffen, woher wir das nehmen", sagte Finanzminister Siluanow mit Blick auf die fehlenden Einnahmen aus den Ölverkäufen.

Damit denkt Russland über einen ähnlichen Weg nach wie Saudi-Arabien. Auch dort wird erwogen, den weltweit teuersten Konzern der Welt, das Ölunternehmen Saudi Aramco, an die Börse zu bringen. Gleiches gilt für Polen. Das Land überlegt, seine größten staatlichen Öltöchter zusammen zulegen. So könnte man bei den niedrigen Aktienkursen feindliche Übernahmen vermeiden, sagte Schatzminister Dawid Jackiewicz. Es gäbe aber keine Pläne, die Konzerne von der Börse zu nehmen. Der Staat hält 53 Prozent der Anteile von Lotos, 72 Prozent von PGNiG und 27 Prozent an PKN Orlen, die alle an der Börse in Warschau gelistet sind. Gemeinsam kontrollieren sie fast die gesamten Öl- und Gasimporte in Polen.

Noch ist der Erfolg hinter diesen Rettungsmaßnahmen fraglich, denn Ölkonzerne sind neben den Exporteuren die zweiten großen Verlierer des niedrigen Preises.

Welche Konzerne am meisten leiden


Alle Konzerne im MSCI World Energy Index, der die Kursentwicklung der größten Energieunternehmen in den Industriestaaten spiegelt, büßten 2015 ein Fünftel ihres Wertes ein. Nach minus elf Prozent 2014 war es bereits das zweite verlustreiche Jahr in Folge. Seit 2002 hat es das in der Branche nicht gegeben. Nur im Krisenjahr 2008 waren die Verluste der Energiekonzerne weltweit mit minus 37 Prozent noch stärker.

Diesen Öl-Konzernen laufen die Anleger weg


So bekommen die ersten Ölkonzerne jetzt den Preiskampf zu spüren. BHP Billiton etwa muss in den USA mehr als sieben Milliarden Dollar vor Steuern abschreiben. Der gesunkene Ölpreis mache einige der Förderanlagen – auch für die Schiefergasquellen- unrentabel, schrieb der Rohstoffkonzern in einer Meldung. Zweimal jährlich werden die Anlagen bei BHP auf ihre Rentabilität hin überprüft. Die Zahl der Förderanlagen in den USA wolle man im ersten Quartal 2016 von sieben auf fünf reduzieren. 2014 hatte BHP dort noch 26 Anlagen, nachdem er während des Frackingbooms in den USA gut 20 Milliarden Dollar in die Förderung von Schieferöl und- gas investiert hatte. Der dramatische Preisverfall für Öl und Gas habe das Unternehmen zu "dieser enttäuschenden Abschreibung" veranlasst, sagte Konzernchef Andrew Mackenzie.

Sollten Anleger Ölaktien komplett aus dem Depot aussortieren? Nicht unbedingt, denn Konzerne wie BP und Shell locken dank der stark gesunkenen Aktienkurse gerade mit attraktiven Dividendenrenditen. Sollten sie die Ausschüttungen an ihre Aktionäre auf dem Niveau von 2015 halten, könnten Anleger fast neun Prozent Rendite einstreichen. Doch nun wachsen Zweifel daran, dass Shell und BP ihre Dividenden auf dem Level des Vorjahres halten. Um nach den gesunkenen Kursen ihre Anleger nicht noch weiter zu verschrecken, könnten sie zunächst Investitionen zurückfahren oder Anlagen verkaufen. BP hat bereits Stellenstreichungen angekündigt. Weltweit sollen mehr als 4000 Jobs wegfallen, davon bis zu 800 in Deutschland.

„Ich glaube nicht, dass die Konzerne langfristig ohne eine Kürzung der Dividenden auskommen werden“, sagt Fondsmanager Philippe Lecoq von Edmond de Rothschild. „Ihre Geldströme sind zu stark unter Druck.“ Einer Umfrage von Bloomberg gehen die Analysten davon aus, dass BHP Billiton seine Dividende für das vergangene Halbjahr halbieren dürfte.

Der weltweit führende Ölzulieferer Schlumberger verlor in den vergangenen sechs Monaten gut ein Viertel seines Wertes an der Börse, fiel in New York zum Ende der vergangenen Woche auf 65 Dollar. Im dritten Quartal 2015 musste Schlumberger ein Drittel seines Umsatzes im Vergleich zum Vorjahresquartal einbüßen. „Wir erwarten für die Ölfeld-Dienstleistungen, dass sich die Situation in den nächsten Quartelen noch verschärft“, sagte Schlumberger-Vorstand Paal Kibsgaard in einem Statement bereits im Oktober.

Auch Banken leiden unter niedrigen Preisen


Den Druck in der Branche bekommen auch die direkten Schlumberger-Konkurrenten zu spüren. Halliburton hat angekündigt, Baker Hughes übernehmen zu wollen. Die Wettbewerbskommission der EU hat bereits eine intensive Untersuchung eingeleitet. Hinter Schlumberger sind Halliburton und Baker Hughes die beiden führenden Ölservice-Konzerne der Welt.

Öl-Förderung in Russland: Spritpreise werden weiter in den Keller sinken

Nicht nur die Ölkonzerne sind direkt vom drastischen Preisverfall betroffen. Auch Banken, die die Geschäfte in der Branche finanzieren und dort investieren. Die norwegische Finanzaufsicht warnt bereits, dass die Banken sich auf einen ökonomischen Schock einstellen sollten – ausgelöst durch den niedrigen Ölpreis.

Bei DNB, Norwegens größter Bank, sind rund acht Prozent aller vergebenen Kredite mit der Ölbranche verknüpft. Ende 2014 ging die Bank noch davon aus, dass ihre Kunden auch Ölpreise unter 60 Dollar je Barrel verkraften könnten. Nun liegt der Preis auf der Hälfte dieses Wertes und die DNB-Aktie verlor an der Börse in Oslo seit sechs Monaten ein Drittel ihres Wertes. Trotzdem bleibt das Unternehmen optimistisch. Die Auswirkungen der Ölmarkt-Krise seien handhabbar, erklärte sie im Dezember. Eine schwächere Krone würde die Wirtschaft auf dem Heimatmarkt stützen. Die Bank geht nicht davon aus, dass sie außergewöhnlich erhöhte Ausfallraten ihres Öl-Kreditgeschäfts bis 2018 sehen wird.

Wer vom günstigen Öl profitieren dürfte

Der langen Liste an Verlierern stehen natürlich die Gewinner des niedrigen Preises gegenüber. Beispielsweise für Rohstoff-Importeure ist das billige Öl ein Segen. Eine Blitzumfrage Anfang Januar von Kloepfel Consulting unter deutschen und österreichischen Einkäufern über das Karrierenetzwerk Xing zeigt: 60 Prozent der Einkäufer gehen davon aus, dass die fallenden Ölpreise für den eigenen Konzern positiv sind. Nur 15 Prozent erwarten sich keine Vorteile dadurch.

In Indien profitieren etwa die Betreiber von Ölraffinerien deutlich von den günstigen Ölpreisen. Indien gilt als einer der größten Ölimporteure der Welt. Die Aktie von Reliance Industries konnte seit Ende August um ein Viertel zulegen. Noch stärker profitierte Indian Oil, der Aktienkurs verdoppelte sich seit Anfang 2014. Auch Deutschland ist Ölimporteur, der billige Rohstoff gilt als kleines Konjunkturprogramm.

Auch die Luftfahrt- und Logistikbranche dürften von dem günstigen Öl profitieren. Die Lufthansa konnte so einen möglichen Gewinnsturz verhindern. Auch Autohersteller erhoffen sich wieder einen Schub gegenüber der Nachfrage nach Elektroautos durch sinkende Benzinpreise. Allerdings dürften insbesondere Konzerne profitieren, die ihre Geschäfte in US-Dollar abwickeln, denn durch den schwachen Euro kommen Konzerne nicht in den Genuss der vollen Preisschwäche des Öls in US-Dollar.

Mit Material von Reuters und Bloomberg

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