
Es wird mehr und mehr und mehr. Die Rede ist vom Öl. Bereits in den vergangenen Monaten war das Angebot deutlich höher als die Nachfrage, unter anderem aufgrund des Frackings in den USA. Nun dürfte das Angebot noch mal deutlich zulegen. Grund sind die aufgehobenen Sanktionen gegen den Iran, das Land darf nun erstmals seit 2012 wieder Öl am Weltmarkt verkaufen.
Der Ölpreis reagierte prompt. Beide Sorten, die Nordsee-Sorte Brent sowie US-Öl, kosteten mit 27,70 Dollar beziehungsweise 28,36 Dollar je Fass so wenig wie seit mehr als zwölf Jahren nicht mehr.
Wissenswertes zum Iran
Der Iran ist schon alleine wegen der Bevölkerungszahl von fast 80 Millionen eine Macht in der Golf-Region. Der Gottesstaat war jedoch wegen seiner kompromisslosen Atompolitik in den vergangenen zehn Jahren international isoliert. Die im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten Sanktionen führten in dem öl- und gasreiche Land auch zu einer Wirtschaftskrise. Viele Beobachter rechneten daher mit einem zweiten Nordkorea am Persischen Golf.
Mit dem Sieg von Hassan Ruhani bei der Präsidentenwahl 2013 im Iran änderte sich jedoch das Bild. Sein Wahlslogan „Versöhnung mit der Welt“ führte im Juli 2015 zu einem Atomabkommen mit dem Westen. Der Iran wurde plötzlich zu einem potenziellen politischen und wirtschaftlichen Partner des Westens in einer von Krisen geschüttelten Region. Besonders im Syrien-Konflikt hofft der Westen auf eine positive Rolle Teherans.
Mit seinen beiden gut ausgerüsteten Streitkräften - der klassischen Armee und den Revolutionsgarden - kann der Iran besonders im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eine entscheidende Rolle spielen. Diese Rolle aber ist innerhalb der Region höchst umstritten, unter anderem bei der anderen Regionalmacht Saudi-Arabien. Ideologische und besonders religiöse Differenzen zwischen dem schiitischen Iran und den sunnitisch-wahhabistischen Saudis sorgen daher immer wieder für Spannungen in der Region.
Auf dem Ölmarkt gehen Beobachter davon aus, dass das Ende der Sanktionen gegen den Iran zu weitreichenden Veränderungen führt. Der Iran hatte bereits angekündigt, seine Ölexporte auf rund 500.000 Barrel hochzufahren. Zwar dürfte der Iran auf einen preislich besseren Zeitpunkt für die Rückkehr an den Ölmarkt gehofft haben, die geringeren Einnahmen dürften das Land aber kaum von Verkäufen abhalten.
Der Markt hat die Welle des iranischen Öls über die vergangenen Monate vorhergesehen und eingepreist. Dennoch werden Prognosen, wonach der Ölpreis schon bald bei nur noch 20 Dollar liegen könnte, immer wahrscheinlicher. Kein Wunder, dass einige Analysten immer pessimistischer werden. Am negativsten wird der Markt zurzeit von der Bank Standard Chartered beurteilt. Analyst Paul Horsnell senkte seine Preisprognose auf nur noch zehn Dollar und hat damit andere Pessimisten wie Goldman Sachs und Morgan Stanley nochmals unterboten. Der Ölpreis, so Horsnell, werde aktuell nicht von fundamentalen Werten getrieben. Ein Marktgleichgewicht sei nicht in Sicht. Ein Preis von zehn Dollar sei dennoch ein "Extremfall", erklärt Horsnell. Trotzdem gebe es im Markt einen Konsens darüber, dass der Preis noch weiter fallen muss, um Angebot und Nachfrage wieder in ein Gleichgewicht zu bringen.
Noch ist der Markt davon weit weg, innerhalb der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) droht ein Preiskrieg. Denn während die reichen Golfstaaten die sinkenden Einnahmen aus den Ölexporten irgendwie verkraften können und alles daran setzen, durch einen Preiskrieg Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, kommen andere Ölstaaten wie Venezuela oder Nigeria bald an die Grenze des Verkraftbaren. Unsere Übersicht zeigt, bei welchen Konzernen und Förderländern der niedrige Ölpreis überall schon seine Spuren hinterlassen hat.
Venezuela
Die Geschichte des billigen Öls lässt sich gut anhand der Benzinpreise erzählen. Venezuela ist für die niedrigsten Benzinpreise der Welt bekannt. Eine Tankfüllung ist für einen Cent-Betrag erhältlich. Das Land mit den größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt subventioniert Benzin so stark, dass es quasi an die Autofahrer verschenkt wird. Während Benzin unvorstellbar günstig ist, sind andere Güter in dem südamerikanischen Land dafür aber unfassbar teuer. Die Teuerung liegt geschätzt bei etwa 200 Prozent pro Jahr. Insbesondere Nahrungsmittel sind fast unerschwinglich. Am Freitag musste Präsident Nicolás Maduro den Wirtschaftsnotstand ausrufen.
Venezuela kämpft nicht nur mit den Folgen des niedrigen Ölpreises, sondern auch mit den Folgen seiner bisherigen Wirtschaftspolitik. Denn das Land hat sich wie viele andere auf seine Ölvorkommen verlassen. Fast die Hälfte des venezolanischen Öls wurde bisher in die USA exportiert. Entsprechend ist die Nachfrage in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen, da die USA durch das umstrittene Fracking größere Teile ihrer Nachfrage selber decken können.