Online-Finanzakademien Warum der Boom der Finanzcoachings problematisch ist

Finanzcoachings sind bisher kaum reguliert. Quelle: AP

Man braucht nicht viel, um sich Finanzcoach zu nennen und ein Geldanlage-Seminar auf den Markt zu bringen. Verbraucher müssen die Qualifikation der teils selbsternannten Börsenexperten deshalb genau prüfen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Durchblick bei der Geldanlage und finanziellen Erfolg – wer will das nicht? Ein weiblicher Finanzcoach will speziell Frauen über 50 dabei helfen, diese Ziele zu erreichen. Ein Sieben-Schritte-Plan soll ihren Kundinnen zu einem klug zusammengesetzten Aktiendepot verhelfen. Sie habe von einem Freund gelernt, wie das mit den Aktien geht, schreibt die Frau auf ihrer Website. Ihr Wissen zum Thema Geldanlage habe sie in einem dreimonatigen Sabbatical vertieft, außerdem eine – nicht näher definierte – Weiterbildung zum Coach gemacht. Ihr Preis für sieben Einzelcoachings zwischen 60 und 90 Minuten: insgesamt 2000 Euro.

Der Name der Frau tut nichts zur Sache, denn ihr teures Coaching-Angebot ist nur ein Beispiel für eine alarmierende Entwicklung: Immer mehr (teils selbsternannte) Finanzexperten bringen eigene Online-Finanzcoachings auf den Markt. Ihr Versprechen: Endlich die Finanzen in den Griff bekommen und keine Angst mehr vor der Börse haben. Nicht alle dürften dieses Versprechen halten können.

Hauptproblem des wachsenden Markts für Finanzcoachings: Die Berufsbezeichnung Coach ist nicht geschützt. Jeder kann sich als Coach bezeichnen und Coachings, Mentorings oder Bootcamps anbieten, auch zum Thema Finanzen. Für Coachings mit teils fragwürdigem Nutzen verlangen Anbieter mitunter horrende Preise, zeigt eine Recherche der WirtschaftsWoche. Und eine strengere Regulierung ist nicht in Sicht.

Hilfe zur Selbsthilfe

Es gibt keine einheitliche Definition, was ein Coaching leisten sollte. Alexander Brungs, Vorstand des Deutschen Coaching Verbands (DCV), versteht darunter Hilfe zur Selbsthilfe. „Ein Coaching sollte eine Person dabei begleiten, sich weiterzuentwickeln und Probleme zu überwinden“, sagt er. Wie ist meine Einstellung zum Thema Geld? Warum fällt mir das Sparen so schwer? Bei solchen Fragen sollen Coaches weiterhelfen.

Oft soll in Coaching-Formaten auch Wissen zum Thema Finanzen vermittelt werden. Im Finanz-Bootcamp von Margarethe Honisch etwa, bekannt durch die Website Fortunalista, geht es unter anderem darum, welche Anlageklassen es gibt, für wen sich welcher ETF eignet und wie man ein Aktiendepot eröffnet. Konkrete Anlageentscheidungen sollen die Teilnehmerinnen am Ende des Kurses selbst treffen können.

Die klassische Anlageberatung fokussiert sich dagegen auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Kunden. Anlageberater fragen Fakten wie Vermögenssituation und Risikotragfähigkeit ab, besprechen mit ihren Kunden deren Anlageziele und entwickeln auf Basis der Antworten einen konkreten Finanzplan. Ihre Arbeit ist erlaubnispflichtig, die Berater müssen also beispielsweise ihre Qualifikation vorher gegenüber der Finanzaufsicht BaFin nachweisen. 

Keine konkrete Empfehlung

Hier liegen auch die Grenzen der Finanzcoachings: Coaches dürfen keine konkreten Anlageempfehlungen aussprechen. „Die Schwelle zur Beratung wird überschritten, wenn ein konkretes Einzelprodukt empfohlen wird und nicht nur eine Produktgruppe“, sagt Ulf Linke, Verbraucherschutzexperte der Finanzaufsicht BaFin. Auch die Analyse von Einzelaktien ist anzeigepflichtig, ebenso Empfehlungen zum Kauf oder Verkauf von Aktien. 

Was Coaches dürfen: Das Wissen zu vermitteln, das nötig ist, damit Verbraucherinnen und Verbraucher Anlageentscheidungen selbst treffen können. Aber die Grenzen zur Anlageberatung können fließend sein. Die Anbieterin von Ü50-Frauenfinanzcoachings etwa wirbt damit, am Ende des Kurses Struktur in die Finanzen zu bringen. Die Teilnehmerinnen sollen dann „erste Schritte“ mit Aktien und ETFs machen. Solange die Frau dabei nur rät, beispielsweise in einen beliebigen ETF auf den MSCI World zu investieren, ist das kein Problem. Sollte sie aber einen konkreten ETF erwähnen und eine Kennnummer oder den Namen eines Anbieters nennt, falle das unter Anlageberatung, sagt Linke.

Mit zweierlei Maß

Eine unabhängige Finanzberaterin, die anonym bleiben will, ärgert, dass hier ihres Erachtens mit zweierlei Maß gemessen wird. „Ich betreibe viel Aufwand, um die hohen Standards einer Anlageberatung zu erfüllen, und zahle jährlich für meine Zertifizierung“, sagt sie. „Finanzcoaches dagegen können Seminare und sogar Einzelberatungen anbieten, ohne eine Qualifikation dafür zu haben.“ Die Beraterin wünscht sich eine stärkere Kontrolle und Regulierung des Marktes.

WiWo Coach Gesetzliche Rente oder Versorgungswerk – was ist besser?

Als Anwalt kann unser Leser bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk einzahlen. Was lohnt eher? Rentenberater Markus Vogts antwortet.

Abwanderungswelle bei Sixt „Es beiden recht zu machen, ist eine unlösbare Aufgabe“

Der robuste Führungsstil von Sixt-Gründer Erich Sixt war legendär. Seine Söhne übertreffen ihn wohl noch. Die Abgänge häufen sich. Der Digitalvorstand ist schon weg, ein Finanzchef wird mal wieder gesucht.

Biontech „Das würde ein neues Zeitalter in der Krebstherapie einleiten“

Biontech arbeitet an über zwanzig Medikamenten gegen Krebs. Der Mediziner und Fondsmanager Markus Manns erklärt, wo es Hoffnung gibt, welche Präparate die besten Chancen haben – und wo es noch hakt.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Verantwortlich dafür wäre die BaFin. Auf ihrer Website heißt es schließlich: „Anlagestrategie- und Anlageempfehlungen bilden eine Grundlage für Anlageentscheidungen. Um dem Vertrauen der Anleger gerecht zu werden, sind auf diesem Gebiet hohe Standards notwendig.“ Aber: „Finanzakademien, die allgemeines Finanzwissen vermitteln, stehen nicht unter unserer Aufsicht“, sagt Linke. Die BaFin habe keine Möglichkeit, entsprechende Anbieter zu kontrollieren. Sie könne lediglich versuchen, Verbraucher für Risiken zu sensibilisieren. Sie warnt außerdem auf ihrer Website vor zweifelhaften Finanzakademien.

Lesen Sie auch: „Bei Geld werden Frauen immer mutiger“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%