Onlinebroker Wie neue Gratisbroker den Aktienhandel verändern

Bux Zero: Mit der niederländischen App startet ein neuer Gratisbroker in Deutschland. Quelle: Bux

Mit Bux Zero startet ein weiterer Gratisbroker in Deutschland. Wie bei der Konkurrenz handeln Anleger dort zum Nulltarif oder gegen eine geringe Fixgebühr. Doch auch die Art, an der Börse zu handeln, ändert die App.

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Die Deutschen gelten mit nur rund zehn Millionen Anlegern als eher aktienscheues Völkchen. Einige neue Onlinebroker sind gerade dabei, das zu ändern. „Wir sehen eine Amerikanisierung des Anlageverhaltens in Europa und auch in Deutschland“, sagt Nick Bortot, Gründer des niederländischen Start-ups Bux. In den USA haben nicht nur 56 Millionen Haushalte Geld in einen Investmentfonds investiert und gut 32 Millionen Angestellte Aktien ihres Arbeitgebers gekauft. Dort hat das Start-up Robinhood im Jahr 2015 auch die Welt der Onlinebroker auf den Kopf gestellt und als erster Anbieter auf Provisionen von Privatanlegern verzichtet, wenn sie Aktien kaufen und verkaufen.

Seit dem vergangenen Jahr hat sich dieses Modell auch in Deutschland etabliert, angeführt von Trade Republic. Kunden zahlen dort nur noch eine fixe Gebühr von einem Euro. Dem Start-up aus Berlin folgten Konkurrenten wie Justtrade und Gratisbroker, die komplett gebührenfreien Handel in Deutschland anbieten.

Nun kommt mit Bux Zero von Gründer Nick Bortot ein weiterer Gratisanbieter hinzu. Ähnlich wie bereits Trade Republic, Justtrade und Gratisbroker wird auch Bux Zero erneut die Art und Weise verändern, wie Anleger in Deutschland am Finanzmarkt investieren.

Anleger handeln nur an ausgewählten Börsen

Kunden von etablierten Onlinebrokern wie Consorsbank, SBroker, ING oder Comdirect kennen das: Wollen sie eine Aktie kaufen, können sie dafür stets zwischen verschiedenen Börsen wählen - Xetra, der Börse Frankfurt, Börse Stuttgart, Tradegate oder andere Regionalbörsen. Je nach Handelsplatz gelten unterschiedliche Gebühren, die die Preisverzeichnisse der Anbieter oft kompliziert und für Privatanleger meist undurchschaubar machen.

Mit dem Start des ersten Günstigbrokers Trade Republic hat sich ein neues Anlagekonzept auf dem deutschen Markt etabliert. Statt Transaktionsentgelten, Provisionen, Börsengebühren und Fremdkosten berechnet Trade Republic nur noch eine fixe Pauschale

Doch um die Gebühr so verschlanken zu können, hat der Broker auch die Struktur verändert, wie Anleger bei ihm handeln.  Kunden von Trade Republic handeln nur noch an einer ausgewählten Börse. Dort verpflichtet sich ein Market Maker als Händler, die Wertpapiere auf eigenes Risiko der Privatanleger anzukaufen und zu verkaufen – und so für Liquidität auf dem Handelsplatz zu sorgen. Auch die neuen Anbieter Justtrade und Gratisbroker arbeiten nach diesem Modell.

Bei den drei deutschen Günstigbrokern ist für Anleger schon bei Kontoeröffnung klar, an welchen Börsen sie handeln werden. Trade Republic hat eine Kooperation mit LS Exchange in Hamburg geschlossen, Gratisbroker mit Gettex in München und Justtrade mit LS Exchange und Quotrix in Düsseldorf.

Anleger verlassen sich auf ihren Broker

Der neue Anbieter Bux Zero bringt nun ein weiteres Konzept nach Deutschland – und nennt gar keinen Handelsplatz mehr. Denn der Partner für den Wertpapierhandel, ABN Amro Clearing, entscheidet mit seiner Handelssoftware, einem Smart-Order-Router, an welchen Börsen die Aufträge der Anleger ausgeführt werden. Für deutsche Kunden ist das neu, im Ausland schon längst Alltag.  „Es ist vor allem auf dem deutschen Markt verbreitet, Privatanlegern Zugang zu verschiedenen Handelsplätzen zu bieten“, sagt Bortot. „In anderen Ländern sehen wir diese Auswahl nicht. Dort sind die Smart-Order-Router der Anbieter viel verbreiteter.“

In der Tat, große Broker wie Schwab und TD Ameritrade in den USA oder Hargreaves Lansdown in Großbritannien setzen für Privatanleger vor allem auf eigene Order-Routing-Systeme, um die Aufträge ihrer Kunden an Market Maker oder Börsen weiterzuleiten. Als Anleger selbst einen Handelsplatz auszuwählen ist dort eher unüblich und kommt nur für erfahrenere Anleger infrage. Kunden von TD Ameritrade in den USA beispielsweise müssen den direkten Handel an den Börsen Nasdaq, ARCA oder IEX erst in ihrem Profil freischalten.

Statt selbst den besten Handelsplatz mit dem besten Spread und den geringsten Handelsgebühren zu finden, vertrauen Anleger also vollständig auf ihren Broker. „80 Prozent unserer Kunden sind Neueinsteiger im Aktienhandel“, sagt Bortot. „Der Aktienhandel findet heute doch binnen Millisekunden statt. Wir finden, es ist für Privatanleger kaum mehr möglich, den Preis verschiedener Handelsplätze zu vergleichen und den besten eigenhändig herauszufiltern, zumal die Preisunterschiede minimal sind.“

Das Handelssystem von ABN Amro schicke die Aufträge der Kunden stets zum besten Handelsplatz, erklärt Bortot. Was der beste Handelsplatz ist, entscheidet der Algorithmus von ABN anhand des Preises, aber auch anhand der anfallenden Kosten für die Abwicklung oder der Wahrscheinlichkeit einer schnellen Ausführung. ABN nutzt dabei neben üblichen Börsenplätze wie Xetra in Frankfurt auch seinen Zugang zu Auslandsbörsen wie der New Yorker NYSE, Nasdaq oder Handelsplätzen für Profi-Investoren wie Chi-X oder Bats.

Die Kunden sehen erst nach der Ausführung ihrer Order, an welchen Handelsplatz sie ausgeführt wurde, und oft auch dann erst, zu welchem Preis.

Neue Order-Arten

Dabei raten Finanzmarkt-Experten stets, mit Limit-Order zu handeln. „Legen Sie vorab fest, zu welchem Höchstbetrag Sie bereit sind, den Auftrag ausführen zu lassen. So können Sie wirksam verhindern, dass die Transaktion mit einem unerwartet hohen Orderwert abgerechnet wird“, rät selbst die deutsche Finanzaufsicht BaFin.

Gründer Bortot hält sein Angebot dagegen für genau richtig, um neue Kunden einer jüngeren Zielgruppe zu Aktieninvestoren zu machen.

Das scheint zu funktionieren. In den Niederlanden ging Bux Zero bereits im September 2019 an den Start. 40.000 Nutzer haben sich dort bereits registriert. Nun folgt der Start in Deutschland. In der Testversion der App haben hierzulande nach Angaben des Unternehmens 10.000 Kunden ein Konto eröffnet.

„Natürlich sind wir mit Bux Zero auf den Hype um das provisionsfreie Investieren aufgesprungen“, sagt Bortot. Ursprünglich sollte die App Bux Stocks heißen. „Aber abgesehen von den Gebühren geht es doch darum, den Anlegern eine neue Erfahrung beim Wertpapierhandel zu bieten. So, wie neue Digitalbanken wie N26 schon das Onlinebanking verändert haben.“

Statt eines seitenlangen Preisverzeichnisses gibt es bei den neuen Anbietern entsprechend nur wenige Gebührenpunkte. Bei Bux Zero genau drei: null Euro für eine Basisorder Euro, einen Euro für eine Bestens-Order, und zwei Euro für eine Limit-Order. Negativzinsen auf Guthaben oder eine monatliche Depotgebühr fallen nicht an.

Bestens-Orders und Limit-Orders kennen Anleger von den etablierten Onlinebrokern. Neu dagegen ist die kostenlose Basisorder.

Die können Kunden jederzeit in der App aufgeben. Ausgeführt wird ihr Auftrag aber erst zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tagesende. „Wir sammeln die Basisorders der Kunden und können sie dann gebündelt ausführen“, sagt Nick Bortot. „So sparen wir uns die Transaktionsgebühren, die die Börsen uns sonst für jeden kleinen Auftrag berechnen und zahlen nur für eine Order am Ende des Tages.“

Wie genau diese Order funktionieren wird, daran tüftelt Bortot mit seinem Team noch. „Wir werden wohl eine Grenze einziehen, um wieviel Prozent der Ausführungskurs von dem abweichen darf, den der Kunden beim Kauf gesehen hat. Liegt der Kurs außerhalb dieser Grenze, wird nicht ausgeführt.“

Ein unkalkulierbares Risiko sieht Peter Gomber darin, Professor für Betriebswirtschaftslehre und e-Finance an der Universität Frankfurt. „Anlegern können mit dieser Order-Art Gewinne entgehen, wenn sie eine Aktie erst bekommen, nachdem sie innerhalb des Tages schon um einige Prozent an Wert gewonnen hat.“ Und noch gravierender: „Im Extremfall kann solch eine Order auch zu hohen Verlusten führen, wenn Kunden nicht verkaufen können, weil die Kurse längst außerhalb der garantierten Grenzen liegen.“

Darauf weist Bux sogar in seinen Geschäftsbedingungen zur Orderausführung hin: „Du solltest dir bewusst sein, dass mit dieser Art der Instruktion ein Risiko verbunden ist. BUX haftet nicht für Verluste infolge deiner Entscheidung für die Basis-Orderart.“

Gomber überrascht dieses neue Geschäftsmodell der Onlinebroker nicht. „Es ist letztlich ein Ausdruck der Gratis-Economy, den letzten Cent aus Angeboten herauszupressen – und das Geld über andere Wege wieder zu verdienen. Das sehen wir jetzt auch bei den Onlinebrokern.“

Geld verdienen die neuen Anbieter nicht mehr von Provisionen der Kunden, sondern über neue Geschäftsmodelle. Trade Republic, Justtrade und Gratisbroker leben von Zahlungen der Market Maker und Produktanbieter. Bux Zero setzt dagegen künftig auch darauf, die Wertpapiere seiner Kunden zu verleihen und damit Erträge zu erzielen. Auch der schon lange in Deutschland etablierte niederländische Broker Degiro arbeitet nach diesem Konzept.

Eingeschränkte Produktauswahl

Dass sich Bux Zero wirklich nur an Neueinsteiger richtet, wird auch beim Blick auf die Zahl der handelbaren Wertpapiere klar: Kunden können Aktien aus den deutschen Indizes Dax, MDax, TecDax sowie der niederländischen Indizes AEX und AMX handeln. „Nach unseren Analysen investieren Privatanleger 95 Prozent ihres Vermögens in nur fünf Prozent aller weltweit verfügbaren Aktien. Wir orientieren uns also nur an ihrer Nachfrage. Für Charttechniker oder Anleger, die auch mal Aktien eines ausländischen Bergbaukonzerns kaufen wollen, sind wir natürlich nicht der richtige Anbieter.“

Zumindest US-Aktien sollen in wenigen Wochen auch handelbar sein. Im dritten Quartal 2020 sollen auch ETFs und ETF-Sparpläne folgen, sagt Bortot.

„Wer neu an den Finanzmarkt kommt, der wird von einer zu großen Auswahl an Wertpapieren nur überwältigt“, sagt Bortot. „Wir haben einen anderen Ansatz und stellen bestimmte Branchen in unserer App vor, oder bestimmte Themen, in die Anleger über Aktien investieren können.“

Denn je mehr Wertpapiere sein Unternehmen anbiete, desto höhere Kosten müsse er an die Kunden weiterreichen, etwa für Livekurse der Börsen oder die Abwicklung der Dividendenzahlungen. Unterlagen für den Besuch der Hauptversammlungen stellt Bux seinen Kunden nicht aus.

Bald Bruchteile einer Aktie kaufen?

Mit Freetrade steht bereits ein weiterer Günstigbroker in den Startlöchern. Der Onlinebroker bietet in Großbritannien bereits ein kostenfreies Modell an, das dem von Bux Zero entspricht.

Die gebührenfreien Basis-Orders werden dort gebündelt um 15 Uhr am Nachmittag ausgeführt. Wer eine Market-Order aufgibt, zahlt ein Pfund Gebühr. Limitierte Orders können Anleger bei Freetrade gar nicht aufgeben.

„Unsere langfristig orientierten Anleger sind sehr zufrieden damit, dass wir die besten Kurse für sie finden und ihre Order entsprechend ausführen“, heißt es von Freetrade. In der Zukunft können man sich auch vorstellen, Anleger den Handelsplatz eigenhändig wählen zu lassen. Dieser Weg richte sich aber eher an erfahrene Finanzprofis, die regelmäßig handeln, findet Freetrade.

Im Januar startete Freetrade in Irland und den Niederlanden, als nächstes steht Frankreich auf dem Programm, und im Laufe des Jahres auch Deutschland.

Vielleicht kommt das Unternehmen dann schon mit der nächsten Innovation auf den deutschen Markt: dem Handel von Bruchteilen einer Aktie.

Denn einige Aktien wie etwa Alphabet, der Konzernmutter von Google, oder Amazon, die zwischen 1400 und 2000 Euro kosten, dürften zwar auf der Kaufliste von jungen Neueinsteigern stehen. Solche hohen Beträge aber in nur eine Aktie im Portfolio zu investieren, dürfte vermutlich ihr Budget sprengen.

Ähnlich wie bei Sparplänen, die bereits bruchstückhafte Investitionen in ETFs oder auch Aktien zulassen, könnten Bruchteile dieser Aktien auch junge Aktionäre mit kleinem Budget locken.

Freetrade-Kunden in Großbritannien werden bald schon Bruchstücke von ausgewählten US-Aktien handeln können, darauf deutet ein Blogeintrag des Unternehmens hin. Ob das auch für deutsche Anleger möglich sein wird, ist noch nicht absehbar.

Doch klar ist jetzt schon: die neuen Günstigbroker verändern nicht nur die Gebührenstrukturen auf dem deutschen Markt. Sie etablieren auch neue Arten, wie Anleger handeln – und fordern deutsche Anleger heraus, sich noch stärker damit auseinanderzusetzen, wie die Finanzmärkte funktionieren, und wie sie daran teilnehmen wollen.

Ob deutsche Kunden die neuen Angebote annehmen, werden die kommenden Jahre zeigen. Branchenanalysten gehen davon aus, dass höchstens Platz für drei neue Anbieter auf dem deutschen Markt ist.

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