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Paragraf 6.1: Drei Mal wöchentlich haben sexuelle Handlungen zu erfolgen.
Paragraf 7.2.1: Das Paar wird täglich Zähne putzen und Zahnseide benutzen.
Paragraf 11.1: Das Paar wird die Aktionäre einen Monat vor einem geplanten Ende der Beziehung informieren.
Auf fünf Seiten haben Michael Merrill und Marijke Dixon beschrieben, wie sie ihre Beziehung führen wollen. Das wirkt wie ein skurriler Ehevertrag. Dahinter steckt aber noch viel mehr: Denn Merrill musste den Vertrag und somit auch seine Beziehung zu Marijke genehmigen lassen – von seinen Aktionären.
Nicht Aktionäre seines Unternehmens, sondern „seine“ Aktionäre im Wortsinn bekamen hier ein besonderes Stimmrecht. Mike Merrill hat im Januar 2008 Aktien ausgegeben – Anteile an sich selbst, die er über eine eigene Börsenplattform im Internet handeln lässt. Rund 2000 Personen besitzen ihn jetzt. Mit großer Mehrheit stimmten sie dem Beziehungsvertrag mit seiner Freundin zu. Der gilt noch bis Juni 2015, soll dann aber erneuert werden.
Ein Leben in Aktienanteilen
Bis zu 100.000 Aktien kann Merrill ausgeben, jede hatte ursprünglich einen Dollar Nennwert. Bisher hat er gut 7000 Aktien an Aktionäre verkauft, „je nach Nachfrage“ erhöht er das Kapital – sprich: die Anzahl der ausgegebenen Aktien. Sein persönlicher Börsenwert liegt aktuell bei rund 26.000 Euro. In der Spitze war Merrill umgerechnet über 100.000 Euro wert. Nachdem er sich und seine Aktie 2013 in einer US-Talkshow präsentiert hatte, rissen sich neue Aktionäre um seine Anteilsscheine, das Interesse flaute anschließend aber wieder ab.
Der 37-jährige Merrill lebt in Portland im Nordwesten der USA. Die Zentrale des Sportartikelvermarkters Nike ist gleich um die Ecke, die Zwei-Millionen-Metropole im Bundesstaat Oregon gilt als eines der kreativsten und innovativsten Zentren der USA. Merrill, gelernter Softwaredesigner, treibt hier seine eigene Finanzinnovation voran. Aus dem simplen Schuldschein, der in den USA als „I owe you“ bezeichnet wird („Ich schulde dir“) machte Merrill ein „I own you“ – „Ich besitze dich“. Bis auf eine Lebensversicherung über 100.000 Dollar bietet er seinen Anlegern keine Sicherheiten. „Sie müssen mir vertrauen.“
Um dieses Vertrauen zu erhalten, setzt er auf totale Transparenz, bis hin zum Informations-Overkill: Wöchentlich schreibt er Aktionären, wie viele Schritte er gelaufen ist, wie viele E-Mails er verschickt hat. Er postet Videos, kommentiert auf Facebook und Twitter. Und kümmert sich um sein Äußeres, will als Börsen-Mann auch entsprechend etwas hermachen: „Ich habe mittlerweile ein schlechtes Gewissen, wenn ich ohne Krawatte aus dem Haus gehe“, sagt er. „Ich bin doch Mike Merrill, börsennotiert. Da bin ich es meinen Inhabern schuldig, auch so aufzutreten.“
Die größten Fehler der Anleger
„Die Neigung, Risiken einzugehen, ist mit zwei demografischen Faktoren verbunden: Geschlecht und Alter. Frauen sind normalerweise vorsichtiger als Männer und ältere Menschen sind weniger bereit, Risiken einzugehen, als jüngere Leute. Die Konsequenzen der Verhaltensökonomik für Anleger sind klar: Wie wir uns bei der Geldanlage entscheiden und wie wir uns bei der Verwaltung unserer Anlage entscheiden, hängt sehr davon ab, wie wir über Geld denken. [...] Sie demonstriert, dass Marktwerte nicht ausschließlich von den gesammelten Informationen bestimmt werden, sondern auch davon, wie menschliche Wesen diese Informationen verarbeiten.“
„An sich ist Zuversicht ja keine schlechte Sache. Aber übertriebene Zuversicht ist etwas ganz anderes, und sie kann besonders im Umgang mit unseren Finanzangelegenheiten Schaden anrichten. Übertrieben zuversichtliche Anleger treffen nicht nur für sich selbst dumme Entscheidungen, sondern diese wirken sich auch sehr stark auf den Mark als Ganzes aus.“
„Menschen [legen] zu viel Wert auf wenige mehr oder wenige zufällige Ereignisse [...] und meinen, sie würden darin einen Trend erkennen. Insbesondere sind Anleger tendenziell auf die neuesten Informationen fixiert, die sie bekommen haben, und ziehen daraus Schlüsse. So wird der letzte Ergebnisbericht in ihrem Denken zum Signal für künftige Gewinne. Und da sie meinen, sie würden etwas sehen, das andere nicht sehen, treffen sie dann aufgrund oberflächlicher Überlegungen schnelle Entscheidungen.“
„Der Schmerz durch einen Verlust [ist] viel größer als die Freude über einen Gewinn. Bei einer 50:50-Wette, bei der die Chancen exakt gleich sind, riskieren die meisten Menschen nur dann etwas, wenn der potenzielle Gewinn doppelt so groß ist wie der potenzielle Verlust. Das nennt man asymmetrische Verlustaversion. [...] Auf den Aktienmarkt bezogen bedeutet dies, dass sich die Menschen beim Verlust von Geld doppelt so schlecht fühlen, wie sie sich gut fühlen, wenn sie einen Gewinn erzielen. Diese Abneigung gegen Verluste macht Anleger übertrieben vorsichtig, und das hat einen hohen Preis. [...] Wir wollen alle glauben, wir hätten gute Entscheidungen getroffen, und deshalb hängen wir zu lange an schlechten Entscheidungen, in der vagen Hoffnung, die Dinge werden sich noch wenden.“
„Wir neigen dazu, das Geld geistig auf verschiedene ‚Konten‘ zu buchen, und dies bestimmt, wie wir es verwenden. [...] Zudem wurde die geistige Buchhaltung als Grund angeführt, weshalb Menschen schlecht laufende Aktien nicht verkaufen: In ihren Augen wird der Verlust erst real, wenn sie ihn realisieren.“
Quelle: Robert G. Hagstrom, „Warren Buffett. Sein Weg. Seine Methode. Seine Strategie.“, Börsenbuchverlag 2011.
2013 ließ er seine Aktionäre darüber abstimmen, ob er seinen sicheren Job bei einer Softwarefirma behalten oder sich mit einem eigenen Projekt selbstständig machen sollte. Seine Aktionäre stimmten für die Selbstständigkeit. „Ich hatte wirklich Angst!“, erinnert sich Merrill. „Aber rückblickend war es die richtige Entscheidung“, sagt er. „Vielleicht hätte ich sie ohne den Druck meiner Aktionäre gar nicht oder nicht so schnell durchgezogen.“ Einzig ein Arbeitskollege seiner alten Firma habe gegen die Selbstständigkeit gestimmt. „Er wollte nicht, dass ich ihn allein im Büro zurücklasse.“ Mit seiner neuen Firma Chroma konnte Merrill sich schon einen Auftrag von Nike sichern. Er verdiene mittlerweile genauso viel wie im vorherigen Job. Als Gründer hofft er natürlich, mit seinem Unternehmen reich zu werden.
Bildung bringt Rendite
Das Problem ist oft beschrieben: „Heute bekommt ein Anleger, weil die Zinsen so weit unten sind, keine weitgehend risikolose Rendite mehr. Deshalb muss er spekulieren und hohe Renditen suchen“, sagt der berühmte Investor Marc Faber. Auf dieser Suche werden Anleger auch jenseits der klassischen Anlageklassen – Aktien, Gold, Immobilien – fündig: Sie investieren direkt in Menschen. Vor allem in den USA gibt es zunehmend Projekte, die solche Investments möglich machen sollen.
Die exotische und riskante Variante sind Investitionen in Sportler oder Pokerspieler. Wer hier einsteigt, fährt hohes Risiko in einem unregulierten Markt und im Fall des Scheiterns auch ohne Chance, sein Geld wiederzusehen. Der Pokerprofi, in den der Anleger investiert hat, kann viel gewinnen – aber, logisch, schnell alles verlieren.
Wo Menschen sich handeln lassen
Investment: Aktien des Softwaredesigners Mike Merrill
Richtet sich an: Privatanleger weltweit, 5 US-Cent Gebühr für jede Transaktion
Einschätzung: soziales Experiment, spekulativ Erträge möglich
Investment: Aktien von Football-Spielern
Richtet sich an: Privatanleger in einzelnen Staaten der USA
Einschätzung: hohes Risiko, keine direkte Beteiligung an den Spielern, sondern indirekt über Fantex
Investment: Finanzierung von Studenten und Gründern
Richtet sich an: qualifizierte US-Anleger, unter anderem mit Einkommen > 200 000 Dollar/Jahr
Investment: Investments in Studenten in der Schweiz
Richtet sich an: Privatanleger ab 1000 Euro
Einschätzung: Finanzierung läuft trotz des Konkurses einer Partnergesellschaft; direkter Kontakt zu Studenten möglich
Investment: Anteile an Turnier-Gewinnen von professionellen Pokerspiegeln
Richtet sich an: Kenner der Pokerszene weltweit, Mini-Investments sind möglich
Einschätzung: hohes Risiko, extreme Renditen sind möglich - aber auch ein Totalverlust
Sicherer ist die Alternative, Geld in Bildung zu stecken. Bildung bringt Rendite, konstatierten in der abgelaufenen Woche die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute und forderten Bildungsinvestitionen anstelle von Konjunkturprogrammen: „Hohe Renditen wirft beispielsweise die frühkindliche Erziehung ab“, heißt es im aktuellen Herbstgutachten. Rendite nicht nur für die Volkswirtschaft, sondern auch für den Einzelnen: „Besser als in Ihre Ausbildung und in die Ihrer Kinder können Sie nicht investieren“, sagt der Ex-Unternehmensberater Daniel Stelter, der den Thinktank Beyond the Obvious betreibt, „wegen der weltweiten Überalterung werden gut ausgebildete Fachleute in der Welt gesucht sein und gut verdienen.“
Wer darüber hinausgehen will, kann heute auch Anteile an fremden Studenten erwerben. Mit Daten wie den Abschluss- und Einstellungsquoten von Universitäten und dem heutigen Einkommen früherer Absolventen lassen sich die zu erwartenden Renditen gut planen. Etwa mithilfe der Daten des Internet-Dienstes Payscale, der Gehaltsumfragen erhebt. Wer zum Beispiel 2013 am Georgia Institute of Technology im Bachelor studierte, verdiente in 20 Berufsjahren nach dem Abschluss durchschnittlich zwölf Prozent mehr als junge Amerikaner ohne Studienabschluss. Die OECD kommt für Deutschland auf 13 Prozent Überrendite von männlichen Absolventen. Frauen mit Abschluss verdienten allerdings nur 8,5 Prozent mehr als ihre Altersgenossinnen.
Hohe Investitionen in Bildung
Nobelpreisträger Milton Friedman skizzierte bereits 1955 das Szenario, direkt Eigenkapital in Menschen zu investieren. So könne allen Einkommensgruppen der gleiche Zugang zu Bildung gewährt werden.
Unternehmen wie Upstart und Pave in den USA, Lumni in den USA und Lateinamerika und studienaktie.org in der Schweiz haben die Vision verwirklicht. Sie bieten Plattformen, über die Anleger in Studenten und Gründer investieren und teilweise als Mentoren agieren können.
Upstart will eine Alternative zu den herkömmlichen Bankkrediten bieten. Firmenchef Dave Girouard meldete im September via Twitter, sein Unternehmen habe in fünf Monaten bereits über 1000 Kredite an Studenten und Gründer vergeben.
Der 24-jährige Matthew Kulp war unter den ersten Studenten, die sich über Upstart Kapital von externen Investoren besorgten – wie Friedman es vor knapp 60 Jahren beschrieben hatte. 38.500 Dollar warb er ein. Jetzt, nach Abschluss seines Designstudiums, muss er über maximal zehn Jahre jährlich gut sechs Prozent seines Einkommens an die Investoren zahlen; eine Art Humandividende. In Chile, das zur Zeit der Militärdiktatur bis 1990 eine stark von Friedman und seinen Chicago Boys beeinflusste Wirtschaftspolitik betrieb, startete Lumni bereits vor Jahren ein ähnliches Konzept.
Gute Note bringt gutes Rating
Wie auf einer Roadshow, bei der Unternehmen institutionelle Investoren überzeugen, ihre Aktien zu zeichnen, musste sich Kulp den Investoren stellen. „Ich habe Hunderte E-Mails geschrieben und Skype-Gespräche geführt“, erinnert sich Kulp. Seine Geldgeber agieren nun auch als Mentoren und gaben ihm schon unternehmerische Impulse: Mit zwei Partnern bastelte er eine eigene App, die er auch Risikokapitalgebern von Google präsentierte, sagt Kulp. „Shortwave“ soll es Nutzern möglich machen, Nachrichten via Bluetooth zu verschicken.
Upstart vergab an Matthew Kulp anhand seiner Universität (Rhode Island School of Design), seiner Noten („meist Einsen“, sagt Kulp) und seiner bisherigen Arbeitsstellen das bestmögliche Rating. Nach aktuellen Daten von Upstart entspräche das einer Ausfallwahrscheinlichkeit unter 0,1 Prozent. Und das, obwohl er einen Studienkredit von 27.000 Dollar auf der Seite der Verbindlichkeiten stehen hatte. „Mit meinem Upstart-Kapital habe ich erst mal einen dicken Batzen meiner Schulden zurückgezahlt“, sagt Kulp in bester Manier eines Finanzvorstands einer Börsengesellschaft – nach dem Motto: Fremdverschuldung runter, Eigenkapitalquote rauf.
Mittlerweile hat Upstart sein Modell leicht umgestellt, Anleger bekommen keine Einkommensanteile mehr, sondern einen Festzins. Bisher können nur qualifizierte US-Investoren in die Gründer und Studenten auf Upstart investieren – Privatpersonen müssen zum Beispiel ein jährliches Bruttoeinkommen von 200.000 Dollar vorweisen können. Der Wettbewerber Pave will künftig auch Kleinanlegern ein Investment ermöglichen.
In der Schweiz gibt es mit studien aktie.org ein ähnliches Modell. Dort wird den Investoren gar eine „dreifache Rendite“ versprochen – Zinseinnahmen, persönliche Kontakte und das gute Gefühl, sich für einen Mitmenschen engagiert zu haben. Klingt gut, aber für die meisten Geldgeber zählten nur harte Dollar, sagt Designer Kulp. Zehn seiner Investoren hatten angegeben, ihn als Mentor begleiten zu wollen. „Kontakt halte ich aber nur zu vier, und nur zwei sind wirklich hilfreich“, sagt Kulp.
Aktionäre habe ein Recht auf Leistung
Wichtiger für Kulp: Sobald seine Investoren 15 Prozent Rendite auf ihr eingesetztes Kapital erzielt haben, endet der Vertrag, unabhängig von der ursprünglich vereinbarten Laufzeit. „Der Vertrag, mit dem einzelne Rechte an der Leistungsfähigkeit und den Eigenschaften des Menschen übertragen werden, ist bei einem Investment in Personen zentral“, sagt der Finanzmarktethiker und Banker Eberhard Schnebel, Lehrbeauftragter an der Goethe-Universität Frankfurt. Wie schnell es bei Verträgen zu Unstimmigkeiten kommen kann, zeigt der Fall des Tennisprofis Tommy Haas.
Der hatte sich seine Tennisausbildung bei Startrainer Nick Bollettieri in Florida von 15 Investoren finanzieren lassen. Dazu wurde 1990 die Tosa GmbH gegründet. Die Investoren schossen je 50.000 D-Mark zu, darunter auch „Focus“-Gründer Helmut Markwort. Bis zum Jahr 2004 sollten die Geldgeber 15 Prozent der Einnahmen von Haas bekommen. Als der den Durchbruch schaffte und Millionen verdiente, blieben die Zahlungen aber aus. Haas’ Anwalt erklärte gar, der Vertrag sei sittenwidrig. Markwort und Co. klagten und gewannen – Haas musste ihnen über 500.000 Euro auszahlen.
US-Milliardär Mark Cuban will Bildung fördern, deshalb investiert auch er in Upstart, „und weil ich hoffe, dass es profitabel sein wird“. Cuban, der auf dem Höhepunkt der Internet-Euphorie das Web-Radio Broadcast.com für gigantische 5,7 Milliarden Dollar an Yahoo verkaufte, ist Besitzer der Dallas Mavericks, für die der deutsche Dirk Nowitzki seit Jahren spielt. Von Aktien auf einzelne Sportler, wie sie Anleger auf der US-Handelsplattform Fantex kaufen können, hält Cuban nichts: „Unternehmen können über Generationen profitabel wirtschaften, dafür gibt es in Deutschland viele Beispiele“, sagt er. „Spieler aber müssen irgendwann in Rente gehen.“
Fantex ist bei der US-Aufsicht SEC registriert, aber noch nicht in allen Bundesstaaten als Börse zugelassen. Bislang notieren dort die Aktien von zwei Football-Spielern: Vernon Davis (San Francisco 49ers) und EJ Manuel (Buffalo Bills). Wer in die Athleten investiert, spekuliert mit hohem Risiko. Fantex warnt im Börsenprospekt von Davis: „Nur wer verkraftet, seinen gesamten Einsatz zu verlieren, sollte überlegen zu investieren.“
Leistung bestimmt Aktienkurs
Elaine Ou, die selbst in der Finanzbranche arbeitet, kaufte sich im Sommer für 100 Dollar Aktien von Davis. Kein Betrag, der sie bei einem Totalverlust ruiniert, aber: „Mein Geld sehe ich wohl nicht wieder“, sagt sie. Macht nichts, die Football-Aktie sei eben Spielerei, „wie im Kasino“.
Davis hatte zehn Prozent seiner künftigen Einnahmen verkauft, für vier Millionen Dollar. Sein Markenwert liegt damit bei 40 Millionen Dollar. Aktionärin Elaine Ou besitzt damit aber keine direkten Anteile an Davis. Die Spieleraktien gelten als Beteiligungen an Fantex – ein juristisch komplizierter Umweg, ohne den sich Spieler nicht an die Börse hätten bringen lassen.
Immerhin: Im August zahlte Fantex 70 Cent Dividende pro Aktie. Milliardär Cuban sagt, letztlich seien Sportler immer nur Spielbälle von Trainern und Funktionären, mit Wetten auf ihren individuellen Erfolg könnten Anleger nur verlieren. „Ich überlege die ganze Zeit schon, wie man solche Aktien shorten kann“, sagt Cuban. Damit würde er auf fallende Kurse der Profis wetten. Tatsächlich hätte Cuban damit einen Haufen Geld verdienen können: EJ Manuel wurde vor Wochen nach zwei schlechten Spielen auf die Bank gesetzt, seine Aktie fiel bis Anfang Oktober um fast 70 Prozent.
Was die Spielerperformance angeht, ist Jonathan Thomas etwas optimistischer als Milliardär Cuban. Thomas schätzt für den britischen Versicherer Lloyd’s das Risiko ab, sobald sich Sportler versichern wollen, die eigentlich aufgrund von Verletzungen keine Police mehr bekommen. „Profis haben meist eine Phase von drei Jahren, in der sie ihren Zenit erreichen“, sagt Thomas.
Wer den Zeitraum erwischt, könnte auch auf Fantex gute Renditen einfahren. Denn die Leistung bestimmt den Aktienkurs. Vernon Davis gehört mit 30 Jahren allerdings schon zu den Football-Oldies. Börsen-Mann Mike Merrill schreckt das nicht ab. Sobald Fantex in Oregon zugelassen ist, will er sich bei Sportlern einkaufen. Diversifizierung nennt man das wohl.
Risiken beim Poker streuen
In der Pokerszene beteiligen sich professionelle Spieler schon ganz selbstverständlich an Konkurrenten. „Ein Investment in Menschen fängt damit an, dass Freunde den Kumpel beim ersten Turnier mit ein paar Euro unterstützen“, sagt der Pokerprofi Jan Heitmann, der heute Managementseminare bei Unternehmen abhält, „und das geht bis zum Profi, der sich sechsstellige Summen absichern lässt.“ Wer keine Anteile an möglichen Gewinnen verkaufe, setze sich zu großen Schwankungen aus, sagt Heitmann. Denn bei rund 10 000 Dollar Turnier-Startgeld komme man als Profi bei zehn Turnieren im Jahr schon auf 100 000 Dollar Kosten. „Die meisten Profis spielen aber 60 bis 100 Turniere im Jahr.“
Also geben die Spieler Anteile ab. Ein Handschlag kurz vor Turnierstart besiegelt, dass der Investor für sein Geld zum Beispiel drei Prozent der Gewinne erhält. Investoren sind meist andere Profis. Heitmann berichtet aber auch von einigen Privatleuten, die bei großen Turnieren aktiv in Spieler investieren. Etwa 20 bis 30 Prozent des benötigten Startgelds der Profis seien verkaufte Anteile, schätzt Heitmann. Und die können Traumrenditen bringen: „Gewinnt man ein Turnier, schafft man schon mal 3000 Prozent.“ Dazwischen müsse man aber Durststrecken von bis zu 40 Turnieren ohne Preisgeld überstehen.
Und wie schafft man es als Privatanleger, an den Traumrenditen teilzuhaben? „Wer keine Ahnung von Poker hat, sollte die Finger von diesem Investment lassen“, sagt Heitmann. Er denkt jetzt darüber nach, einen Fonds für Privatanleger aufzulegen. Der könne in eine größere Anzahl von Spielern gleichzeitig investieren und so Risiken streuen. Wenn die Spieler des Fonds viele kleine Turniere mit niedrigen Gewinnen spielen würden, ließe sich eine konstante Rendite ohne hohe Schwankung erzielen. „Ich vermute, dass sich solch ein Fonds sogar leichter steuern lässt als ein klassischer Aktienfonds.“
Was die Finanzaufsicht BaFin dazu sagen würde, hat Heitmann noch nicht geprüft – juristisch bewegen sich viele Humankapital-Investments auf sehr dünnem Eis. Auch Mike Merrill weiß das. Der Softwareentwickler betreibt seine Plattform ohne Genehmigung der Aufsicht SEC. „Falls die Aufsicht mein Projekt für rechtswidrig hält, argumentiere ich, dass es Kunst ist“, sagt Merrill und grinst. Blickt dann aber doch leicht verunsichert ins Leere.
Druck der Investoren
Finanzmarkt-Ethiker Schnebel hält einen unbestimmten Besitz an einer Person wie Merrill zudem für sittenwidrig. Ab wann beginnen hier Sklaverei oder moderner Menschenhandel? Könnten Merrills Aktionäre zum Beispiel fordern, dass er eine Niere verkauft? „Solche Bereiche müssen ganz klar von diesen Investmentverträgen ausgeschlossen werden“, sagt Schnebel.
„Natürlich steht über allen diesbezüglichen Überlegungen auch die Beschränkung des Grundgesetzes, dass kein Mensch zu einem bloßen Objekt gemacht werden darf“, sagt Albrecht von Breitenbuch, Anwalt bei der Kanzlei Orrick in Berlin. „Selbst wenn es jemand wollte, könnte er sich nicht als ,Sklave‘ verkaufen.“ Laut deutschem Börsengesetz kann eine natürliche Person auch gar nicht an einer Börse gehandelt werden. „Man müsste neben der Person zunächst ein Wirtschaftsgut identifizieren, an dem die Investoren teilhaben sollen, etwa Rechte an Erfindungen der Person“, sagt von Breitenbuch.
Von Sklaverei und Menschenhandel will Douglas Stewart nichts wissen. „Ich habe ursprünglich zur Unterhaltung ein paar Aktien gekauft“, sagt der Kanadier, der fünf Prozent an Mike Merrill hält. „Je länger man aber investiert ist, desto stärker wird die Verbindung zur anderen Person. Ich würde sagen, dass sich zwischen Mike und mir eine freundschaftliche Beziehung entwickelt hat“, sagt Stewart, der in diese Freundschaft mittlerweile 1559 Dollar investiert hat.
Das Leben ist kein Business-Plan
Er erwarte, dass künftig mehr Menschen es Merrill nachmachen und Aktien von sich ausgeben werden. „Wir suchen doch jetzt schon täglich Rat bei Freunden und Familie“, sagt er, „da liegt der nächste Schritt, andere Menschen per Stimmrecht eingreifen zu lassen, doch nahe.“
Manu Gupta vom Risikokapitalgeber Lakestar bewertet täglich das Potenzial von Gründern und ihren Unternehmen. „Wenn wir investieren, dann immer, weil wir an die Personen glauben“, sagt Gupta. Aber Personen unabhängig von ihrem Unternehmen an die Börse zu bringen hält er für keine gute Idee. Zwar könnten wir heute das Risiko einer solchen Investition durch Daten aus den sozialen Medien und anderen Quellen deutlich besser berechnen als früher. Dieser Aspekt fasziniert Gupta auch an Upstart. Aber: „Im Leben gibt es eben Situationen, in denen wir unsere Versprechen nicht einhalten können“, sagt er. Wer als Privatanleger trotzdem investieren wolle, solle das nur bis zu einer bestimmte Grenze dürfen, um mögliche Verluste einzudämmen.
Aber können Investoren nicht auch zur Last werden? Designer Kulp, der jedes Jahr sechs Prozent seines Einkommens an Kreditgeber überweist, gibt sich gelassen: „Es tut nicht weh, ich versuche mir vorzustellen, dass es eine Einkommensteuer ist, die ich zahlen muss.“ Eine langfristige Geldanlage will er trotzdem nicht sein: „Natürlich würde ich gerne eine Goldmine entdecken, um binnen eines Jahres alle Investoren auszahlen zu können.“
Ans Auszahlen denkt Mike Merrill in Portland dagegen noch lange nicht. „Ich würde ich mich aber an einen Großaktionär verkaufen lassen“, sagt er und rutscht aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her. Er plant auch, Verkaufsoptionen auszugeben, mit denen Anleger auf einen sinkenden Merrill-Kurs wetten könnten: „Technisch sehr kompliziert, aber machbar“, sagt er. „Ich könnte mir sogar vorstellen, mich von der Börsen nehmen zu lassen“, sagt Merrill, schränkt dann aber doch ein: „Vorausgesetzt, das Angebot stimmt, für die Aktionäre.“ Und für ihn wohl auch.