Personen als Geldanlage Die Ich-Aktie als Investmentchance

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Druck der Investoren

Finanzmarkt-Ethiker Schnebel hält einen unbestimmten Besitz an einer Person wie Merrill zudem für sittenwidrig. Ab wann beginnen hier Sklaverei oder moderner Menschenhandel? Könnten Merrills Aktionäre zum Beispiel fordern, dass er eine Niere verkauft? „Solche Bereiche müssen ganz klar von diesen Investmentverträgen ausgeschlossen werden“, sagt Schnebel.

„Natürlich steht über allen diesbezüglichen Überlegungen auch die Beschränkung des Grundgesetzes, dass kein Mensch zu einem bloßen Objekt gemacht werden darf“, sagt Albrecht von Breitenbuch, Anwalt bei der Kanzlei Orrick in Berlin. „Selbst wenn es jemand wollte, könnte er sich nicht als ,Sklave‘ verkaufen.“ Laut deutschem Börsengesetz kann eine natürliche Person auch gar nicht an einer Börse gehandelt werden. „Man müsste neben der Person zunächst ein Wirtschaftsgut identifizieren, an dem die Investoren teilhaben sollen, etwa Rechte an Erfindungen der Person“, sagt von Breitenbuch.

Von Sklaverei und Menschenhandel will Douglas Stewart nichts wissen. „Ich habe ursprünglich zur Unterhaltung ein paar Aktien gekauft“, sagt der Kanadier, der fünf Prozent an Mike Merrill hält. „Je länger man aber investiert ist, desto stärker wird die Verbindung zur anderen Person. Ich würde sagen, dass sich zwischen Mike und mir eine freundschaftliche Beziehung entwickelt hat“, sagt Stewart, der in diese Freundschaft mittlerweile 1559 Dollar investiert hat.

Das Leben ist kein Business-Plan

Er erwarte, dass künftig mehr Menschen es Merrill nachmachen und Aktien von sich ausgeben werden. „Wir suchen doch jetzt schon täglich Rat bei Freunden und Familie“, sagt er, „da liegt der nächste Schritt, andere Menschen per Stimmrecht eingreifen zu lassen, doch nahe.“

Manu Gupta vom Risikokapitalgeber Lakestar bewertet täglich das Potenzial von Gründern und ihren Unternehmen. „Wenn wir investieren, dann immer, weil wir an die Personen glauben“, sagt Gupta. Aber Personen unabhängig von ihrem Unternehmen an die Börse zu bringen hält er für keine gute Idee. Zwar könnten wir heute das Risiko einer solchen Investition durch Daten aus den sozialen Medien und anderen Quellen deutlich besser berechnen als früher. Dieser Aspekt fasziniert Gupta auch an Upstart. Aber: „Im Leben gibt es eben Situationen, in denen wir unsere Versprechen nicht einhalten können“, sagt er. Wer als Privatanleger trotzdem investieren wolle, solle das nur bis zu einer bestimmte Grenze dürfen, um mögliche Verluste einzudämmen.

Aber können Investoren nicht auch zur Last werden? Designer Kulp, der jedes Jahr sechs Prozent seines Einkommens an Kreditgeber überweist, gibt sich gelassen: „Es tut nicht weh, ich versuche mir vorzustellen, dass es eine Einkommensteuer ist, die ich zahlen muss.“ Eine langfristige Geldanlage will er trotzdem nicht sein: „Natürlich würde ich gerne eine Goldmine entdecken, um binnen eines Jahres alle Investoren auszahlen zu können.“

Ans Auszahlen denkt Mike Merrill in Portland dagegen noch lange nicht. „Ich würde ich mich aber an einen Großaktionär verkaufen lassen“, sagt er und rutscht aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her. Er plant auch, Verkaufsoptionen auszugeben, mit denen Anleger auf einen sinkenden Merrill-Kurs wetten könnten: „Technisch sehr kompliziert, aber machbar“, sagt er. „Ich könnte mir sogar vorstellen, mich von der Börsen nehmen zu lassen“, sagt Merrill, schränkt dann aber doch ein: „Vorausgesetzt, das Angebot stimmt, für die Aktionäre.“ Und für ihn wohl auch.

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