Noch ein Argument: die Goldförderung einiger Minen ist im Grenzkostenbereich mit rund 1300 Dollar je Feinunze deutlich teurer als der erzielbare Preis. Die Goldförderung könnte daher zurückgehen und so mit einem verringerten Angebot den Preis des knappen Edelmetalls stützen.
Für Eugen Weinberg von der Commerzbank ist den Goldpreis vor diesem Hintergrund zu billig. Kommt die US-Zinswende, rechnet er mit höherem Druck auf dem Aktienmarkt, der dann Gold zugutekommt.
Silber, Platin und Palladium zu niedrig bewertet
Gleiches dürfte auch für die anderen gebeutelten Edelmetalle Silber, Platin und Palladium gelten. Dabei konnte sich Silber zuletzt ohnehin besser behaupten als Gold. Und das, obwohl seit Juni spekulative Anleger umgerechnet 8.600 Tonnen Silber auf dem Papier verkauft haben, was ungefähr der Hälfte der jährlichen Industrienachfrage nach Silber entspricht. Den Preisdruck gemildert hat dabei ein gestiegenes Interesse der ETF-Anleger, die seit Juni für Käufe von etwa 320 Tonnen Silber verantwortlich sind. Die Nachfrage nach Silbermünzen war sogar so groß, dass die Münzhändler zeitweise ausverkauft waren.
Bleibt die Konjunkturentwicklung positiv, ist mit einer steigenden Industrienachfrage zu rechnen, die den Silberpreis hebt. Auf der anderen Seite könnte auch Preisunterstützung durch eine Einschränkung der Produktion folgen, da sich aufgrund des niedrigen Silberpreises für einige Minen die Förderung nicht lohnt.
Absturz bei Platin und Palladium
Noch schlechter als bei Gold und Silber verlief die Preisentwicklung für Platin und Palladium. Platin sank zeitweise sogar um 140 Dollar unter den Goldpreis je Feinunze, seit Jahresbeginn ist der Platinpreis um 20 Prozent gefallen. Palladium verlor im gleichen Zeitraum sogar 24 Prozent. Beide Edelmetalle sind außer für Schmuck vor allem für die Automobilindustrie, genauer die Herstellung von Katalysatoren, von großer Bedeutung. Ausgehend von einer sich abzeichnenden Schwäche des Automobilmarktes in China haben auch hier nach Einschätzung der Commerzbank vor allem spekulative Anleger die Preise auf Talfahrt geschickt, indem sie weit mehr verkauften, als die Produktion der beiden Metalle im gleichen Zeitraum zurückging. „Insbesondere Platin kann bei derzeitigen Preisen von weniger als 1000 Dollar je Feinunze kaum noch kostendeckend produziert werden“, sagt Weinberg. Die Grenzproduktionskosten lägen bis zu 40 Prozent über dem Marktpreis, so dass auf diesem Preisniveau mehr als jede zweite Mine Verluste schreiben würde. Insofern wären die Preise für Platin und Palladium auch fundamental betrachtet viel zu niedrig.
Der brummende US-Automarkt und die immer noch - wenn auch langsamer - steigende Nachfrage nach Autos in China dürfte demnach das Interesse an den seltenen Metallen wieder steigen lassen. Dennoch reduziert die Commerzbank das Kursziel für Platin auf 1100 Dollar je Unze und für Palladium auf 700 Dollar bis zum Jahresende. 2016 sollen die beiden Preise dann aber wieder schneller ansteigen.
Für Anleger könnte das jetzige Preisniveau bei Edelmetallen daher ein günstiger Einstiegszeitpunkt sein. Und wer glaubt, dass Wirtschaft und Währung doch noch vollends zusammenbrechen, kommt um Goldkäufe ohnehin nicht herum, wenn er sich gegen Vermögensverluste schützen will. Mit Käufen sollten Edelmetallfreunde allerdings noch warten, bis sich Chinas Aktienmarkt etwas stabilisiert und die US-Notenbank ihre Pläne bekanntgegeben hat. Am Mittwochabend äußert sich Notenbank-Chefin Janet Yellen wieder einmal - mehr oder weniger konkret.