Professionelle Investoren …aber bitte nur die „guten“ Aktionäre!

Professionelle Investoren sind mit viel Widerstand konfrontiert. Quelle: imago images

Aktionäre sind in Deutschland seltene Wesen – gehören sie bekämpft oder gefördert? Ein Gastbeitrag.

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Prof. Dr. Daniel Graewe ist Direktor des Instituts für angewandtes Wirtschaftsrecht an der NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft.

Der Aktionär ist ein in Deutschland vergleichsweise selten anzutreffendes – und daher besonders schützenswertes – Wesen. In der Gesetzesbegründung zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie aus dem Jahr 2019 steht es daher auch schwarz auf weiß: Ziel ist „die Förderung der Mitwirkung der Aktionäre im Sinne einer langfristig stabilen positiven Entwicklung der Unternehmen.“ Aller Aktionäre? Nein! Ein von unbeugsamen Finanzmarktkritikern bevölkertes Land hört nicht auf, professionellen Investoren Widerstand zu leisten. Denn bislang war die Tätigkeit der institutionellen Anleger und Vermögensverwalter, also der Müntefering’schen Heuschrecken, nach Ansicht der Politik nicht ausreichend an den Interessen „der Anleger“ orientiert. Und spätestens seit der sogenannten Heuschreckendebatte aus dem Jahr 2005 wissen wir, primär ökonomisch agierende Investoren, die „keinen Gedanken an die Menschen verschwenden“ (so Müntefering damals in der BILD am Sonntag) sind die bösen Aktionäre und gehören „bekämpft“ und nicht gefördert.

Und jetzt das. Keine fünfzehn Jahre später betreibt „Großheuschrecke“ Cerberus unter lautem Schweigen der Bundesregierung als weiterem Großaktionär erfolgreich die Absetzung von Commerzbankgranden, weil man als Anleger mit der Performance des Instituts nicht zufrieden sei. Damit ergeben sich drei Gemütszustände für drei wichtige Stakeholdergruppen: 1. Erleichterung bei den Steuerzahlern, mit deren Geld die Commerzbank vor rund zehn Jahren gerettet wurde, 2. Genugtuung bei den „Heuschrecken“, deren positives Wirken für den Unternehmenswert nun auch von der Politik goutiert wurde und 3. Unbehagen in den Führungsetagen europäischer Großunternehmen. Denn die Einschläge kommen näher: ABB, Bayer und Commerzbank sind nur der Anfang einer Entwicklung, die nun den hiesigen Vorständen und Aufsichtsräten eiskalten Wind ins Gesicht bläst – und der kommt von der anderen Seite des Atlantiks. In den USA geraten die aktiv gemanagten Fonds zunehmend unter Druck zu performen, seit die günstigeren Indexfonds große Marktanteile erobert haben. Professionelle Investoren zeigen daher immer unverhohlener, was sie von der Performance und Corporate Governance in Deutschland halten: nicht viel. Und der Zusammenbruch von Wirecard hat die Windstärke nicht gerade gesenkt.

Diese Player haben nicht nur Einfluss, sondern beklagen schon seit längerer Zeit (und nicht ganz zu Unrecht) Performance- und Governancedefizite in Deutschland. Das Kernproblem besteht hierzulande in der historischen Nähe zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, die trotz Aktiengesetz und DCGK immer noch, wenn auch in geringerem Maße, besteht. Und in dem mangelnden Austausch von Aufsichtsrat und Profiinvestoren. Dabei empfiehlt der Deutsche Corporate Governance Kodex dies sogar ausdrücklich, denn schließlich ist der Aufsichtsrat der von den Aktionären gewählte Berater und Kontrolleur des Vorstands.

Die Reaktion in Deutschland auf diese Entwicklung ist hingegen eher träge; der Rechtfertigungsdruck von Vorstand und Aufsichtsrat gegenüber ihren Aktionären wird daher weiter zunehmen, ebenso wie die Quote verweigerter Entlastungen und „freiwilliger“ Rücktritte. Es stellt sich nur die Frage, ob das im Ergebnis gut oder schlecht ist. Ewig werden sich die Gremien der Großkonzerne nicht gegen den Trend der engen Einbindung professioneller Investoren verweigern können. Viele dieser Investoren sind zwar auch langfristig orientiert, wollen aber trotzdem Fortschritte bei den deutschen Bluechips sehen, denn im Vergleich zur internationalen Konkurrenz verfügen unsere Unternehmen im Schnitt vergleichsweise über nur geringe Marktkapitalisierungen. Das hat auch mit der mangelnden Wertschätzung der Bürger für den heimischen Kapitalmarkt zu tun. Das zeigt sich schon an der dramatisch niedrigen Quote der deutschen Privataktionäre (rund 15 Prozent), also der „guten“ Aktionäre. Für U.S.-amerikanische Verhältnisse, wo rund 60 Prozent der Haushalte Aktien besitzen und sogar für die eigene Altersvorsorge einsetzen, ein mehr als deutliches Misstrauensvotum in Richtung unserer Wirtschaft – und das seit Jahrzehnten. Das tragische daran ist, dass gerade Vertrauen und Wertschätzung der jeweils heimischen Wirtschaft im Ausland die Größe und den Einfluss der konkurrierenden Finanzplätze und damit auch der professionellen Investoren ausmachen.

Welch eine Ironie, dass es jetzt ausgerechnet die professionellen Investoren richten müssen, die Performance- und Governanceprobleme hierzulande anzugehen und nicht der „gute“ und schützenswerte Privataktionär.


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