Prozessbeginn in Münster Onecoin: Wie die „Kryptokönigin“ Anleger abzockte

Die Kryptowährung Onecoin ist einer der größten Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre. Quelle: 360-Berlin

Tausende Anleger haben ihr Geld in die vermeintliche Kryptowährung Onecoin gesteckt. Dann tauchte die Initiatorin unter. In Münster wird nun der Onecoin-Prozess wieder aufgenommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Das Publikum ist außer sich, als Ruja Ignatova im Sommer 2016 die Bühne betritt. Eine Bühnenfontäne spuckt Feuer in die Höhe, während sie zum Popsong „Girl on Fire“ einläuft. Ein riesiger Schriftzug prangt auf einer Leinwand im Hintergrund: Onecoin. Das ist die Kryptowährung, die Ignatova 2014 erschaffen hat und mit der sie innerhalb weniger Jahre Tausende Anleger anwarb. Der Onecoin, sagte sie stets, solle zur wichtigsten Kryptowährung der Welt avancieren und Bitcoin den Rang streitig machen.

Passiert ist das Gegenteil: Der „Bitcoin-Killer“ ist wertlos, Onecoin entpuppte sich als bislang größter Milliardenbetrug in der Kryptogeschichte. Mittlerweile beschäftigen sich die Strafverfolger auf der ganzen Welt damit. An diesem Dienstag wird am Landgericht Münster der Onecoin-Prozess wieder aufgenommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie viele Anleger haben in Onecoin investiert?

Über zwei Millionen Menschen weltweit haben in die angebliche Kryptowährung investiert. Schätzungen zufolge haben die Betrüger mit dem Onecoin zwischen drei und vier Milliarden Dollar eingesammelt. Allein in Deutschland haben etwa 60.000 Anleger 320 Millionen Euro ihr Geld in das Projekt gesteckt.

Warum haben so viele Menschen ihr Geld in Onecoin investiert?

Der Erfolg von Onecoin hängt mit dem Siegeszug des Bitcoins eng zusammen. Als die angebliche Kryptowährung erschaffen wurde, hatte sich der Bitcoin-Kurs bereits vervielfacht. Mancher Anleger ärgerte sich, diese Chance nicht ergriffen zu haben – und ließ sich von Onecoin überzeugen, dessen Initiatoren eine noch größere Erfolgsgeschichte versprachen.

Hinzu kommt: Das System Onecoin war auf ständiges Kundenwachstum ausgelegt. Die Coins und Token waren nicht direkt kaufbar, sondern in einem Paket mit sogenannten Bildungsprogrammen rund um Onecoin und Kryptowährungen. Wenn ein Anleger einen weiteren Interessenten anwarb, bekam er eine Provision. Und nicht nur er, sondern auch derjenige Anleger, der ihn wiederum angeworben hatte. Illegal ist das noch nicht – solange ein Wert hinter dem Produkt steckt. Tut es das nicht, handelt es sich um ein Schneeballsystem. Und das war Onecoin offenbar.

Wer ist Ruja Ignatova?

Auch die vermeintliche Seriosität von Initiatorin Ruja Ignatova verhalf Onecoin zum Erfolg. Abschlüsse an Universitäten in Konstanz und Oxford, eine Promotion in Jura – ihr Lebenslauf wirkte nicht wie der einer Betrügerin. Bei den pompösen Werbeauftritten für Onecoin sprach sie nicht nur über den Geldregen, auf den sich die Anleger freuen können, sondern auch über Wohltätigkeit. Dass das Amtsgericht Augsburg Ignatova 2016 wegen Insolvenzverschleppung verurteilte, erfuhren viele Anleger nicht.

Vor gut fünf Jahren ist Ignatova spurlos untergetaucht – vor Gericht steht sie beim Prozess in Münster daher nicht. Mindestens 20 Strafverfolgungsbehörden weltweit fahnden nach der Deutsch-Bulgarin. Das FBI listet die selbsternannte „Krypto Queen“ sogar unter den zehn meistgesuchten Verbrechern des Landes.

Wann brach das System Onecoin in sich zusammen?

Nach eigenen Darstellungen stieg der Onecoin-Kurs von 0,50 Cent auf 29,95 Euro im Jahr 2019. Eine auf Angebot und Nachfrage beruhende Preisbildung hat es aber nie gegeben. Onecoin war nie öffentlich handelbar, der Kurs konnte von Onecoin-Mitarbeitern beliebig dargestellt werden. Auch die Existenz einer Blockchain, das Fundament einer Kryptowährung, ist äußerst fraglich. Die Blockchain ist das digitale Datenprotokoll, auf der sämtliche Transaktionen durchgeführt und gespeichert werden.

Kritik seitens Regulatoren und Behörden, dass Onecoin ein Schneeballsystem sei, gab es schon kurz nach Erfindung. Der große Zusammenbruch kam jedoch erst 2019. Plötzlich tauchten nach Ignatova weitere führende Köpfe des Betrugs ab. Ignatovas Bruder Konstantin, ebenfalls bei Onecoin involviert, bekannte sich des Betrugs und der Geldwäsche schuldig. Es folgten weitere Anklagen gegen Onecoin-Drahtzieher.

Wer steht im Onecoin-Prozess in Münster vor Gericht?

Angeklagt sind mehrere mutmaßliche Gehilfen, die die in Deutschland eingenommenen Gelder für Onecoin angenommen und verschoben haben sollen. Ein Ehepaar aus Greven soll über Konten ihres Unternehmens (International Marketing Services) rund 88.000 Einzahlungen von Onecoin-Anlegern erhalten haben. 320 Millionen Euro sollen sie von Anlegern erhalten haben.



Um das Geld zum Beispiel auf die Kaimaninseln weiter zu transferieren, soll das Paar eine Provision von einem Prozent, also 3,2 Millionen Euro, erhalten haben. Sie müssen sich für unerlaubte Finanztransfergeschäfte verantworten, es könnte aber auch auf eine Verurteilung wegen Geldwäsche und Beihilfe zum Betrug hinauslaufen.

Auch ein Anwalt aus München ist angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, unter falscher Angabe zur Herkunft des Geldes 75 Millionen Euro auf einen Fonds auf den Kaimaninseln geschleust zu haben. Weitere 20 Millionen Euro habe er nach London transferiert. Mit dem Geld soll sich Ignatova mehrere hochpreisige Immobilien gekauft haben. Der Anwalt muss sich wegen Geldwäsche und Betrug verantworten.

Warum wurde der Prozess ausgesetzt?

Der Prozess war bereits im September vergangenen Jahres aufgenommen worden. Nach acht Monaten und nur 19 von 50 angesetzten Verhandlungstagen aber wurde der Prozess abgebrochen, weil zwei Schöffen aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen waren. Auch die ursprünglich für August angesetzte Wiederaufnahme musste aus gesundheitlichen Gründen verschoben werden. Nun beginnt der Prozess am 18. Oktober erneut. Auch die Beweisaufnahme muss erneut durchgeführt werden.

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Haben Anleger eine Chance, Geld zurückzubekommen?

Einige Anwälte sagen: ja. Tatsächlich haben die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Staatsanwaltschaft insgesamt 33 Millionen Euro sichergestellt. Es ist also Geld für geschädigte Anleger da. Allerdings reicht die Summe nur aus, um einen kleinen Teil der deutschen Anleger zu entschädigen.

Unter Umständen können Anleger auch Vermittler auf Schadensersatz verklagen, die sie in das Onecoin-Investment geführt haben. Voraussetzung ist, dass Onecoin als Schneeballsystem anerkannt wird. Ob alle Anleger den Klageweg gehen, bleibt fraglich: Oft haben sie selbst weitere Anleger angeworben – und müssen selbst mit Klagen rechnen. Und nicht selten wurde Onecoin von Freunden und Verwandten weiterempfohlen.

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