Ranking Deutschlands beste Vermögensverwalter

Mit welchen Strategien Deutschlands beste Profis das Geld ihrer Anleger vermehren, warum sie für Aktien noch optimistisch sind und welche Papiere sie favorisieren.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die besten Geldmanager in der Kategorie "Defensiv"

Für einen wie Lutz Welge ist das Glas nie halb voll; überall sieht er zunächst Risiken. Welge zupft Jackett und Krawatte zurecht, streicht die Haare aus der Stirn und spricht: „Beim Aktienkauf gehen wir zunächst immer vom schlimmsten Szenario aus.“ Bevor sie bei Bank Julius Bär kaufen, wollen sie kein noch so kleines Risiko übersehen: „Wo könnten wir uns irren? Was würde das die Aktie wohl kosten, in Kursverlusten gerechnet?“, erklärt der Deutschland-Chef des Privatkundengeschäfts der Bank. Die Schwächephase an der Börse bis Anfang Februar sieht er zwar als „gesunde Korrektur, auf die wir lange gewartet hatten“. Viele gute Aktien auf dem Radar der Schweizer seien nun günstiger. „Aber“, Welge schlägt die flache Hand auf den Tisch, „man darf jetzt nicht blind einsammeln; wir stocken sehr langsam auf.“

Dosiertes Risiko, immer mit angezogener Handbremse, das ist das Rezept in den Kundenportfolios von Bär. Gleich zwei davon steuerten die Schweizer im Ranking der WirtschaftsWoche ganz nach vorn (siehe Chartgalerien). Eine reife Leistung: je 300 Portfolios der Konkurrenz haben sie in jeder Kategorie auf die Plätze verwiesen.

So performen die besten Geldmanager 2009-2013

Banken und Verwalter machen aus ihren Renditen gern ein Buch mit sieben Siegeln. Neutrale Tests, die gute Verwalter aus der Masse mediokrer Adressen filtern, sind selten. Doch man kann die Renditen objektiv prüfen: Vor Einführung der Abgeltungsteuer 2009 packten viele Geldmanager die Vermögen ihrer Kunden in Fonds. So vermieden sie es, auf jeden Kursgewinn, jeden Zins und jede Dividende Steuern zu zahlen. Die berappen Anleger erst, wenn sie ihren Fondsanteil verkaufen; und Fonds, die zum Verkauf zugelassen sind, müssen ihre Leistungen offenlegen.

Ranking: Die besten Geldmanager der Kategorie defensiv (für eine vergrößerte Ansicht bitte auf das Bild klicken).

Das macht sich das Analysehaus MMD zunutze: Gründer Klaus-Dieter Erdmann hat eine Datenbank aufgebaut, die einen Überblick über die Leistungen der Branche erlaubt: Über 1300 Fondsdepots von Banken, Versicherungen und unabhängigen Verwaltern haben seine fünf Mitarbeiter gesammelt. Die Rangliste der Besten, die die WirtschaftsWoche exklusiv zeigt, hat MMD nach drei Kennziffern ermittelt: 50 Prozent der Punktzahl bringt die Rendite über drei Jahre. Große Schwankungen und zwischenzeitliche Verluste bringen Punktabzüge, dazu wird das Risiko nach zwei Kennziffern ermittelt:

  • Die Volatilität gibt an, wie stark der Wert des Depots im Testzeitraum um seinen Mittelwert herum schwankt, also: wie stark die Nerven des Kunden sein müssen, wenn er jeden Monat auf sein Depot schaut.
  • Der Maximum Drawdown ist der maximale monatliche Verlust in Prozent; der träte ein, wenn ein Depot zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt aufgelöst würde, also auf dem Tief, nach Kauf genau auf dem Hoch. „Das Ranking belohnt Manager, die hohe Renditen bringen, ohne dafür zu viel Risiko zu nehmen“, sagt Erdmann. So wie Lutz Welge von Julius Bär. „Oberste Priorität“, erklärt der, sei es, „Verluste zu vermeiden“. Klar, das wollen alle. Aber die beiden Risiko-Messlatten im MMD-Ranking beweisen, dass das bei ihm funktioniert: Nur 1,88 Prozent betrug der maximale Verlust in drei Jahren; der entsprechende Wert im Dax etwa liegt bei rund 40 Prozent. Der Preis für so viel Sicherheit ist, „dass wir in einem guten Jahr, wenn der Dax 30 oder 40 Prozent plus macht, schlechter abschneiden als der Index“, sagt Welge, der Wirtschaft in Bochum, Köln und Helsinki studiert hat.

Von den weltweit handelbaren gut 12.000 Aktiengesellschaften bis zu den rund 150 Papieren, die in den Depots der Kunden landen können, ist es bei Bär ein langer Weg. „Zunächst filtern wir die kleinen und wenig liquiden aus“, sagt Welge. Die verbleibenden Papiere unterziehen sie einem „doppelten Gesundheitscheck“, wie Welge es nennt: Wie gut sind die Bilanzen? Wie profitabel sind die Unternehmen?

Blick in die Bilanzen

Welche Rendite die Dax-Aktien liefern
Dividendenrendite sinktFast 9800 Punkte Mitte Januar: Über die vergangenen zwölf Monate ist der Dax zu neuer Höchstform aufgelaufen. Doch kaum eines der großen deutschen Unternehmen wird die Dividende je Aktie im gleichen Maß anheben, wie die Kurse angezogen sind. Nach Berechnungen der Commerzbank (Stichtag 20.1.2014) ist die Dividendenrendite, das Verhältnis von der Ausschüttung je Aktie zum Kurs, im Dax flächendeckend gesunken. Und mit K+S, Eon oder RWE liegen gerade solche Unternehmen vorn, deren Kurse sich weniger berauschend entwickelt haben. Die Dividende dagegen schwankt nicht so stark, sie kann gleich bleiben oder nur leicht zurückgehen. Quelle: dpa
Platz 1: Munich ReAktionäre des größten weltweiten Rückversicherers können sich freuen: Voraussichtlich wird kein anderer Dax-Konzern 2014 relativ zum Aktienkurs mehr ausschütten. Zum 20.1. errechnet die Commerzbank eine Dividendenrendite von 4,59 Prozent. Damit kommen Anteilseigner jedoch schlechter weg als noch vor einem Jahr. Damals betrug das Verhältnis von Dividende zu Kurs mehr als fünf Prozent. Grund: Munich Re könnte laut Studie mit 7,25 Euro nur 25 Cent mehr ausschütten als noch 2013. Das wäre ein geringer Anstieg angesichts satter Kursgewinne (+12 Prozent) im vergangenen Jahr. Quelle: dpa
Platz 2: EonDividendenrenditen von mehr als sieben Prozent wie im vergangenen Jahr kann auch der Energieversorger Eon seinen Aktionären nicht mehr liefern. Atomausstieg und Erneuerbares Energiegesetz (EEG) hat dem Versorger zugesetzt. Nach einem Gewinneinbruch von mehr als 50 Prozent, schaffte der Aktienkurs auf Jahressicht lediglich ein Plus von 1,76 Prozent. Laut Commerzbank könnte Eon daher die Dividende von 1,10 Euro auf 60 Cent kürzen. Dennoch bietet das Unternehmen Aktionären im Dax-Vergleich mit 4,39 Prozent Rendite noch den zweitgrößten Ertrag im Verhältnis zum Aktienkurs. Quelle: dpa
Platz 3: K+SWegen politischer Querelen zwischen Russland und Weißrussland hat der Aktienkurs des Düngemittel-Herstellers im vergangenen Jahr eine rasante Talfahrt durchgemacht. Als die beiden Großkonzerne Uralkali (Russland) und Belaruskali (Weißrussland) ihr Kartell beendeten und damit einen Preisverfall auf dem Markt für Düngemittel auslösten, riss es auch die K+S-Aktie nach unten. In den vergangenen zwölf Monaten büßten K+S-Papiere rund 33 Prozent ein. Die Dividende allerdings könnte weniger stark nachgeben: die Commerzbank rechnet mit Kürzungen von 40 Cent je Aktie – oder 28 Prozent. Dann würde die Dividendenrendite insgesamt nicht fallen, sondern im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht anziehen, von vier auf 4,07 Prozent. Quelle: dpa
Platz 4: Deutsche TelekomAktionäre der Deutschen Telekom können über 3,98 Prozent Dividendenrendite freuen, schätzt die Commerzbank. Das wäre das viertbeste Verhältnis zwischen Ausschüttung je Aktie und Kurs. Die meisten dürfte das dennoch enttäuschen: im Vorjahr konnten Anteilseigner noch 8,14 Prozent Dividendenrendite einstreichen. Grund für den starken Rückgang: Während die Telekom ihre Dividende je Aktie laut Commerzbank für 2014 von 70 auf 50 Cent sogar senken könnte, war der Aktienkurs binnen eines Jahres um 42,6 Prozent gestiegen. Quelle: dpa
Platz 5: AllianzAuch die Allianz hat mit geschätzten 3,95 Prozent eine niedrigere Dividendenrendite vorzuweisen als im vergangenen Jahr (4,29 Prozent). Trifft die Einschätzung zu, würde das Verhältnis zwischen Dividende und Aktienkurs etwa auf dem Stand von 2007 liegen. Der Aktienkurs des Versicherers ist um rund 19,5 Prozent gestiegen. Bei der absoluten Dividende erwarten die Analysten der Commerzbank einen Anstieg von 4,5 Euro auf 5,25 Euro je Aktie. Quelle: dpa
Platz 6: RWEMit RWE findet sich ein weiterer Versorger unter den Dax-Konzernen mit der höchsten Dividendenrendite. Sie soll für das Jahr 2013 bei 3,71 Prozent liegen und ist damit rund 2,7 Prozent niedriger als im Vorjahr. Wie Eon und EnBW hatte auch RWE mit der Energiewende und den daraus entstehenden Verlusten zu kämpfen. Die Commerzbank erwartet, dass der Versorger seinen Anlegern einen Euro pro Aktie statt zwei Euro wie im vergangenen Jahr zahlt. Der Kurs der RWE-Aktie hat im vergangenen Jahr rund 4,1 Prozent verloren. Quelle: dpa

„In der Bilanz achten wir vor allem auf Eigenkapital und Verschuldung“, sagt Welge, „im Moment laufen viele Aktien mit weniger soliden Bilanzen gut; aber in der nächsten Rezession fallen die so schnell zurück, dass man nicht rechtzeitig rauskommt.“

Stark achtet er auf den Cash-Flow. Er bildet die Bareinnahmen nach Abzug von Kosten und Investitionen ab. „Der Gewinn ist manipulierbar“, so Welge, „Abschreibungen etwa man kann hinauszögern; das sagt nichts über die operative Stärke aus.“ Zusätzlich ermitteln die Schweizer, wie rentabel mit dem Eigenkapital gewirtschaftet wird, wie die Gewinne über mindestens fünf Jahre gewachsen sind und wie sich der Gewinn, gemessen am Umsatz, entwickelt.

Vor allem die Gewinnmarge erfordere eine „sehr genaue Prüfung“, sagt Welge. „Im Moment haben viele Firmen hohe Margen; oft sind es nur sinkende Rohstoff- und Zinskosten, die sie heben.“ Diese Margen sind ihm nicht nachhaltig genug: „Zinsen und Rohstoffkosten können wieder steigen.“ Den Check bestünden 90 Prozent der Aktien nicht. Bleiben rund 300 Firmen, bei denen sie dann in die Tiefe gehen, deren Manager treffen. Heute sind Vertreter des Pharmakonzerns Novo Nordisk da, um ihre Zahlen zu erläutern. In solchen Treffen geht es vor allem um die Zukunft der Firmen: Entwickeln sie neue Ideen? Haben sie genügend Preissetzungsmacht? „Vor allem Letzteres ist heute wichtig, wenn schon die Absatzzahlen in den meisten Branchen nicht mehr groß wachsen“, folgert Welge.

Die Favoriten-Aktien von Lutz Welge

Associated British Foods hat diese Macht. Den Briten gehören Marken wie Mazola, Twinings-Tee und Ovomaltine. Welge: „Die sorgen für den Cash-Flow, für das Wachstum ist die Billigklamottenkette Primark zuständig.“ Der Primark-Umsatz wächst pro Jahr um durchschnittlich 17 Prozent, laufend eröffnet die Kette neue Läden, weiß Welge: „Als sie hier in Frankfurt auf der Zeil aufmachten, ging die Schlange bis auf die andere Straßenseite.“

Visa trägt, anders als Konkurrent American Express, kein Kreditrisiko. Visa vergibt selbst keine Kredite, wickelt nur den Zahlungsverkehr ab. Dafür bekommt es von Vertragspartnern und den Banken eine Gebühr. Langweilig? Mag sein. Aber Welge sieht auch das Potenzial: „Weltweit werden erst rund zehn Prozent der Finanztransaktionen bargeldlos abgewickelt“, sagt er.

Handelsbanken gefällt den Schweizern, weil sie „die solideste Bankenbilanz haben, die wir kennen – außer der eigenen“. Eigenkapital sei für Banken wichtig, weil ihnen die Regulierer seit der Finanzkrise stetig strengere Vorschriften dazu machten. Die Schweden glänzen: Nach den neuesten Richtlinien weisen sie eine harte Kernkapitalquote von 19 Prozent auf, fast doppelt so hoch wie Deutsche oder Commerzbank.

Ranking: Die besten Geldmanager der Kategorie ausgewogen (für eine vergrößerte Ansicht bitte auf das Bild klicken).

Auch die Relation von Kosten zu Einnahmen, Cost/Income-Ratio, ist mit 46 Prozent Spitze. Das Eigenkapital stieg in den letzten fünf Jahren im Schnitt um 15 Prozent pro Jahr. Und: Die Schweden heben Jahr für Jahr die Dividende leicht an.

Rund die Hälfte des Kapitals in den ausgewogenen Bär-Depots stecken in Anleihen, in den konservativen bis zu 75 Prozent. Die Bonds müssten „eine Rendite deutlich über dem Marktzins“ abwerfen, sagt Welge. Aber, wie soll das gelingen, angesichts weltweit extrem niedriger Zinsen für sichere Anleihen?

Das, sagt Welge, solle am besten sein Chef erklären. Der sitzt gerade in der Rhätischen Eisenbahn; ab und zu, im Tunnel, reißt die Verbindung ab. Bis zu 25 Prozent der Depots stecke er in riskantere Hochzinsanleihen, sagt Daniel Kerbach, globaler Leiter Portfoliomanagement bei Bär. 15 Prozent steckt Kerbach in Wandelanleihen, und „einen kleinen Teil investieren wir auch in China. Der chinesische Renminbi ist an den US-Dollar gekoppelt und schwankt daher weit weniger als andere Schwellenländerwährungen.“ Staatsanleihen halten sie fast keine in den Portfolios.

Nur Aktien und Cash

Die besten Geldmanager in der Kategorie "Ausgewogen"

Wegen des etwas höheren Ausfallrisikos ihrer Anleihen streuen die Schweizer auf viele Titel, halten gleichzeitig um die 100 Unternehmensanleihen in den Strategiefonds. Das Kalkül: Wer mit seinen Bonds 1,5 bis 2,0 Prozentpunkte mehr Rendite verdient als mit Qualitätsanleihen oder Cash, kann den einen oder anderen Ausfall verkraften, am Ende ist die Gesamtrendite immer noch höher. Nur rund zwei Prozent der Hochzinsanleihen fallen pro Jahr aus.

Nur 200 Meter weiter, in der Frankfurter BHF-Bank – man kennt sich, wirbt sich auch mal ein paar Leute ab –, meiden sie Anleihen. „Für die Rendite kaufen wir Aktien, der Rest ist Cash“, sagt Manfred Schlumberger, Geschäftsführer des BHF Trust, „solide Anleihen bringen kaum mehr Zins als Cash, und Cash dämpft die Schwankungen eines Portfolios besser, weil es selbst kein Kursrisiko hat.“ 20 Prozent des Kundengeldes parkt Schlumberger in Bargeld; 75 Prozent hat er in Aktien – 15 Prozentpunkte mehr als im Schnitt der letzten acht Jahre.

Bei Aktien steht die BHF-Bank also auf dem Gas, obwohl Schlumberger sich der Risiken bewusst ist: „Aktien sind nicht mehr billig“, sagt er, „die niedrigen Zinsen zwingen die Anleger in Aktien, das viele Geld treibt deren Kurse – nicht mehr so sehr die Gewinnsteigerungen der Firmen, wie es eigentlich gesünder wäre.“ Kurzfristig sei das schlecht, zumal die Anleger wieder „sehr hohe Erwartungen“ hätten. Besonders die Analysten: 18 Prozent Gewinnwachstum erwarteten sie 2014 im Euro-Raum im Schnitt, die Hälfte sei realistisch. Und selbst wenn der Aufschwung komme, so Schlumberger, „wird es ein bis zwei Quartale dauern, bis man ihn an den Quartalsergebnissen ablesen kann. Bis dahin sind wir vorsichtig mit neuen Käufen.“

Die Favoriten-Aktien von Manfred Schlumberger

Wichtigste Erfahrung aus 25 Jahren Börse: „Gewinne muss man laufen lassen, Verluste begrenzen.“ Das klingt banal, überfordere aber 80 Prozent der Anleger, so der 55-Jährige: „Privatanleger neigen dazu, es genau umgekehrt zu machen. Viele wollen nach 30 Prozent plus Gewinne mitnehmen, Motto: ,Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.‘“ Lägen sie aber 40 Prozent hinten, wollten sie die Papiere unbedingt behalten, um wieder auf null zu kommen. „Wichtig war aber gerade in den Krisenjahren seit 2008, in den heftigen Abschwüngen schnell die Reißleine zu ziehen, zwischendrin aber am Ball zu bleiben und die Erholungen voll mitzunehmen. Nur so konnte man eine gute Rendite erwirtschaften“, meint Schlumberger.

Um Wendepunkte früh zu erkennen, achten die BHF-Banker vor allem auf die Liquiditätsversorgung der Märkte, also auf Geldmengen, Leitzinsen und die Mittelflüsse zwischen den Anlageklassen. Die monetäre Situation bestimmt letztlich ihre Aktienquote. Trotz Bremsversuchen der US-Geldpolitik sei die Börse noch gut mit frischem Geld versorgt, vor allem in Europa. Derzeit fließe Geld aus Schwellenländern und den USA in europäische Titel. „Der wichtigste Taktgeber aber ist der Zins; die Höhe des Zinses bestimmt das Auf- und Ab der ganzen Wirtschaft.“ Solange die Zinsen niedrig waren, sei historisch noch immer Geld an die Börsen geflossen. Auf Aktien wirkt ein niedriger Zins doppelt: Er jagt die Anleger aus den Rentenmärkten an die Börse, erhöht also die Nachfrage; und er verringert die Finanzierungskosten der Unternehmen, treibt so deren Gewinne.

Ranking: Die besten Geldmanager in der Kategorie aggressiv (für eine vergrößerte Ansicht bitte auf das Bild klicken).

35 bis 40 Aktien hat Schlumberger meist zeitgleich im Depot. „Wir suchen stabiles Geschäft; Gewinn und Cash-Flow dürfen nicht bei jeder Konjunkturdelle gleich ins Minus rutschen“, sagt er. Ins Portfolio geschafft hat es Next, eine Handelskette. Die würden zwar langfristig von Amazon plattgemacht. Was aber viele übersehen: Next wächst selbst stark im Online-Handel; seit 2009 pro Jahr mit fast 15 Prozent im Schnitt. „Next ist einer der wenigen klassischen Einzelhändler, die das geschafft haben“, lobt Schlumberger, „Karstadt, Quelle und Neckermann zeigen ja, dass das offenbar nicht ganz so einfach ist.“ Ähnliches gilt für Publicis, eine Werbeagentur. „Auch sie hat den Wandel vom Print- ins digitale Business besser gemanagt als andere.“ Die Franzosen haben kaum Schulden, das bringe „Widerstandskraft gegen die nächste Rezession“, sagt Schlumberger, „Aktien schuldenfreier Firmen kommen viel besser durch Abschwünge, weil ihnen nicht gleich von den Banken der Saft abgedreht wird.“

Das halbe Rheinland zu Füßen

Die besten Geldmanager in der Kategorie "Aggressiv"

Wie das ist, wenn es mal nicht so gut läuft, daran dürfte Bert Flossbach sich kaum noch erinnern. Seiner Firma geht es blendend. Im aktuellen Ranking belegt er den ersten Platz in der Kategorie der aktienlastigen Mandate. Vielleicht liegt es am Überblick. In seinem Büro im 25. Stock liegt Flossbach das halbe Rheinland zu Füßen. Unter ihm die schwer beladenen Lastkähne, die sich den Rhein hinaufmühen; im Mittelgrund die Türme von St. Maria am Kapitol, Groß St. Martin und des Doms, hinten die Braunkohlemeiler. „An einem klaren Tag sieht man bis in die Eifel“, sagt Flossbach, „theoretisch.“ Denn dazu müsste er jetzt aufstehen und den Schreibtisch umkurven, auf dem eine Batterie von acht Monitoren ihm den Blick verbaut.

1998 machte sich der Banker von Goldman Sachs mit seinem Kollegen Kurt von Storch selbstständig, drei Mitarbeiter und „ein paar Millionen Mark“ Kundengelder folgten ihnen. Heute sind es 16 Milliarden Euro und 100 Mitarbeiter. Viele bildet er selbst aus. So wie die chinesische Analystin, die den Report zu Luxusaktien geschrieben hat, der vor ihm liegt. „Noch nicht so ganz perfektes Deutsch, aber inhaltlich top“, lobt der Chef.

Shenwei Li soll helfen, Investments zu finden, mit denen sich vom Aufstieg der Schwellenländer profitieren lässt. Denn trotz der heftigen Korrektur an deren Börsen ist Flossbach überzeugt, dass es richtig ist, dort investiert zu sein. „Das Wachstum der Weltwirtschaft kann ja nur von dort kommen, woher sonst?“ Flossbach kauft auch Anleihen und Gold, doch im Kern ist er ein Aktienmann. Sein Lieblingsbuch im Regal hinter ihm ist der Band mit Warren Buffetts Briefen an dessen Aktionäre. „Einer der intelligentesten Menschen, die auf dem Globus wandeln“, meint Flossbach.

Die Favoriten-Aktien von Bert Flossbach

Wie Buffett ist er überzeugt, dass die Aktie anderen Anlageformen überlegen ist, zumal in einer Phase weltweiter Niedrigzinsen. „Die wird noch Jahre anhalten“, sagt Flossbach, denn: Ließen die Notenbanken höhere Zinsen zu, würden sie verschuldete Staaten umgehend in die Pleite treiben. Das bedeutet: weiter niedrige Zinsen auf Anleihen und Tagesgeld, die nach Steuern nicht einmal die schwache Inflation ausgleichen, also die Kaufkraft der Sparer erodieren. Weil die Alternativen zur Aktie also unattraktiv seien, werde deren Bewertung noch zulegen, meint Flossbach.

Aktien seien, entgegen einer weit verbreiteten Meinung, nicht zu teuer. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der 100 größten US-Unternehmen etwa liegt bei 15, etwa auf dem langjährigen Mittel. „Das muss aber zu den Preisen von Renten und Immobilien ins Verhältnis gesetzt werden“, sagt Flossbach. Berechne man das KGV-Äquivalent eines Mietshauses in München (Anzahl der Jahresnettokaltmieten, die man dafür bezahlen muss) oder das einer Staatsanleihe (Rückgabekurs, also 100 Prozent, geteilt durch jährliche Rendite), käme man auf Werte von 30 bis 50; selbst Aktien allerbester Qualität kosteten nur die Hälfte.

Mehrstufiger Auswahlprozess

Aktien durchlaufen auch bei Flossbach einen mehrstufigen Auswahlprozess. „Wir suchen vor allem nach guten Cash-Flows im Verhältnis zum Börsenwert“, erklärt er. „Man kann aber gute Aktien nicht nur an den Bilanzkennzahlen erkennen, wenn es so wäre, hätte jeder die gleichen Aktien“, sagt Flossbach. Deshalb versuchen die Kölner im zweiten Schritt herauszuarbeiten, wie fit die Unternehmen für die Zukunft sind. Ölkonzerne etwa sähen „bewertungstechnisch günstig aus; sind es aber nicht“, so Flossbach. Sie haben niedrige KGVs. Aber: Die Ölfirmen müssen viel Kapital aufwenden, um ihr laufendes Geschäft zu erhalten, weil Ölfördern immer teurer wird. Diese Kosten gehen zulasten des Cash-Flows, der für Zukunftsinvestitionen und Dividenden zur Verfügung steht, aber nicht zulasten des Jahresüberschusses, von dem das KGV abhängt. „Das Gleiche gilt übrigens auch für Goldminen, was erklärt, warum deren Aktien seit Jahren schlechter laufen als der Goldpreis“, sagt Flossbach.

Um die Qualität abschätzen zu können, schreiben die Flossbach-Analysten zu jeder Aktie, die ihnen gefällt, ein Exposé. Das müssen sie vor den Portfoliomanagern im Kreuzverhör verteidigen: Wo wächst das Unternehmen? Ist das Umsatzwachstum von echter Nachfrage getrieben oder von Rabattaktionen und Firmenkäufen? Wo lauert neuer Wettbewerbsdruck?

Heute ist Prada dran, Shenwei Li hat recherchiert: Italien hat immer noch einen wichtigen Umsatzanteil, auch Japan, „aber die Musik spielt klar in China“, sagt Flossbach. Jetzt legt Frau Li Folien mit den einzelnen Produkten auf den Projektor: Was taugen die Handtaschen, was die Schuhe? Was kosten sie im Vergleich zur Konkurrenz? Wie gut sind die Kundenbewertungen in Internet-Foren? Wie kommen sie in China an, dem Markt, der in den kommenden Jahren zum wichtigsten für die Italiener werden wird, und welchen Ruf haben die Sachen bei den chinesischen Freunden der Analystin? Am Ende besteht Prada den Test. „Eine interessante Aktie, die uns aber bisher zu teuer war“, sagt Flossbach. „Ein bisschen günstiger wäre noch schön, dann ist sie für uns vielleicht ein Kandidat.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%