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Anleger haben die Wahl unter immer weniger Aktien. Quelle: imago images

Wenn Kapitalisten enteignen

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

An der Börse werden gute Aktien knapp. Aufkäufer nehmen viele vom Markt – und es kommt zu wenig Qualität nach. Auch nicht von Uber.

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Es klingt nach Marie Antoinette („Die Menschen haben kein Brot? Dann sollen sie doch Kuchen essen“), was der Chef einer Wohnungsgesellschaft der „FAZ“ sagt: „Warum enteignen? Jeder kann doch unsere Aktien kaufen.“ Stimmt, wenn man sie sich leisten kann. Wohnungsaktien laufen gut. Deutsche Wohnen, 2010 von uns empfohlen, hat sich seitdem fast verfünffacht. Aber: Auch Besitzer von Wohnungsaktien sind nicht vor Enteignung geschützt.

Gefahr droht nicht von regulierungswütigen Politikern und durchgeknallten Linken, sondern von strammen Kapitalisten: Finanzinvestoren und Konzerne drücken Anleger aus Aktien. Sanft, indem sie diese von der Börse nehmen. Oder auf die harte Tour, wenn sie die letzten freien Aktien aus den Depots buchen lassen. Aktionäre des damals ebenfalls empfohlenen Wohnungskonzerns Gagfah wurden ihre Aktien los, als Wohnungsgigant Vonovia Gagfah übernahm.

Anleger bekommen in solchen Fällen zwar eine Entschädigung, aber die ist meist zu niedrig, weshalb es dann jahrelange Rechtsstreitigkeiten gibt. Und von künftigen Gewinnen haben sie nichts mehr – während die neuen Herren sich dumm und dämlich verdienen. Heizungsableser Techem etwa warf seine Aktionäre raus. Das Geschäft mit den Heizkostenabrechnungen ist maximal lukrativ – aber davon profitieren nur Finanzinvestoren.

Anleger haben die Wahl unter immer weniger Aktien. Im regulierten Teil der Deutschen Börse gibt es noch 450 Unternehmen – vor der Finanzkrise waren es mal um die 700. Und es kommt kein Nachschub: 2019 wagte sich noch kein Unternehmen in Frankfurt an die Börse.

Sinn eines Börsengangs ist es, dass Unternehmen sich Kapital besorgen. Weil Kredite billig sind und Investorengelder reichlich vorhanden, müssen viele das aber nicht mehr. Das ist auch in den USA so. Die Megabörsengänge der Mobilitätsanbieter Uber und Lyft oder des Webbilderdienstes Pinterest ändern daran nichts. Ob die sich für Anleger auszahlen, ist zudem höchst unsicher. Uber etwa verbrennt nicht nur Milliarden Dollar, sondern wächst jetzt auch nur noch schwächer.

Der Verdacht: Erst wenn die Perspektiven sich verschlechtern und das Beste schon über private Finanzierungsrunden gelaufen ist, wird eine Firma für alle Anleger freigegeben. Sollte es dann aber richtig gut laufen, fliegen die wieder raus. Das ist kein Grund, die Finger von Aktien zu lassen. Wohl aber, um noch genauer hinzuschauen.

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