Reinhard Klein Schwäbisch-Hall-Chef: „Der Bausparvertrag ist das Optionsgeschäft der Normalverdiener“

Reinhard Klein, Vorstandsvorsitzender der Bausparkasse Schwäbisch-Hall Quelle: Schwäbisch Hall

Weil normale Immobilienkredite sehr günstig sind, haben Bausparkassen ein Problem. Im Interview erklärt Schwäbisch-Hall-Vorstand Klein, warum sich Bausparen trotzdem lohnen kann, gerade in der Niedrigzinsära.

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Als Vorstandsvorsitzender von Deutschlands größter Bausparkasse kennt Reinhard Klein die Probleme der Branche nur zu gut. Immer weniger Menschen schließen Bausparverträge ab, günstige Immobilienkredite machen Finanzierungen abseits der Bausparkassen attraktiv. Ein Auslaufmodell ist das Bausparen aber nicht, findet Klein. Noch immer böten die Institute gute Angebote – vor allem für Modernisierungen.

WirtschaftsWoche: Herr Klein, die Niedrigzinspolitik der EZB macht Immobilienkredite so billig wie noch nie. Macht das Bausparen zu einem Auslaufmodell?
Reinhard Klein: Nein, das können wir nicht beobachten. Das Marktvolumen im Bausparsegment liegt seit Jahren konstant zwischen 80 und 100 Milliarden Euro. Die Kunden sichern sich gerade das niedrige Zinsniveau ab und binden Bausparverträge in die Finanzierung ein. Und Bauspartarife können durchaus mit klassischen Hypothekenzinsen mithalten.

Beim Bausparen sollen die Sparer für ihre Einlagen mit Zinsen belohnt werden – so die Theorie. Aktuell liegt der Guthabenzins in der Regel bei 0,1 Prozent. Attraktiv ist das doch nicht, oder?
Das muss man ja im Kontext sehen: Es gibt kaum mehr Investments, bei denen Anleger Zinsen bekommen – wenn man von risikoreicheren Anlagen wie Aktien mal absieht. Fürs Bausparen spricht neben der Darlehensoption außerdem die staatliche Förderung zum Beispiel durch die Wohnungsbauprämie. Viele Menschen sind nicht kapitalmarktaffin und suchen eine sichere Anlage. Da ist Bausparen auch heute noch genau das Richtige.

Die Bausparkassen argumentieren, dass sich mit Bausparverträgen der Zinssatz zum Vertragsabschluss für die spätere Finanzierung sichern lässt. Zinssteigerungen treffen den Häuslebauer dann nicht. In den letzten 20 Jahren sind die Zinsen aber gesunken statt gestiegen. Ist das für den Verbraucher nicht ein schlechtes Geschäft gewesen?
Nein, denn damals gab es aber auch einen Guthabenzins von drei bis vier Prozent. Der Bausparvertrag ist quasi das Optionsgeschäft der Normalverdiener. Sie sichern sich damit gegen Risiken ab und haben jede Flexibilität. Und der Kunde muss die Darlehensoption nicht nutzen. Auch jetzt bietet ein Bausparvertrag noch Vorteile. Der Guthabenzins ist zwar sehr niedrig, aber man hat die Garantie auf einen attraktiven Darlehenszins in der Zukunft. Außerdem: Es ist keine schlechte Idee, sich bei einem Nullzinsniveau gegen steigende Zinsen abzusichern.

Das Argument zieht aber bei immer wenigen Menschen. 2020 verringerte sich die Zahl der Neuabschlüsse um 13 Prozent. Wie wollen Sie da entgegensteuern?
Das ist einerseits demographisch bedingt und speziell 2020 auch eine Auswirkung der Coronasituation. Wenn es immer wenige junge Leute gibt, kann man auch weniger Menschen in die eigenen vier Wände bringen. Früher konnten wir mit Bausparverträgen auch Kunden begeistern, die einfach ihr Geld mehren wollten. Heute fokussieren wir uns mehr auf die Finanzierung – und damit erreichen wir logischerweise eine kleinere Zielgruppe. Wichtiger als die Summe der Abschlüsse ist die Höhe der Bausparsumme. Und die wollen wir halten.

Mit Bausparsofortdarlehen – bei Schwäbisch Hall heißen die Tilgungsaussetzungsdarlehen – hat das Bausparen eine Renaissance erlebt. Dabei bespart der Verbraucher während der Ansparphase einen Bausparplan, zahlt die Zinsen – und tilgt erst mal nichts. Ist das aus Kreditnehmersicht nicht nachteilig?
Im Gegenteil: Verbraucher profitieren von der langen Darlehenslaufzeit mit Zinssicherheit. Und wichtig ist am Ende ja der Effektivzins für den Vergleich mit anderen Kreditangeboten: Wenn wir mit der Kombination aus Bausparvertrag und Vorausdarlehen schlechter sind als die Konkurrenz mit 30-jähriger Laufzeit haben wir Bausparkassen am Ende ein Problem. Außerdem sind Kreditnehmer nach Ablösung des Vorausdarlehens in der Bauspardarlehensphase sehr flexibel. Dort gibt es keine Vorfälligkeitsentschädigung, wenn Darlehensnehmer ihre Restschuld vor Vertragsende zum Beispiel durch ein Erbe begleichen.

Viele Verbraucher greifen auf Bausparverträge zurück, wenn sie für Modernisierungsmaßnahmen sparen. Warum?
Gerade im Kleindarlehensbereich bis 50.000 Euro ist Bausparen günstiger als ein normales Hypothekendarlehen. Bei kleinen Krediten sind die Zinsen nämlich oft hoch. Das macht das Thema Modernisierungen für uns sehr relevant. Und wenn wir in Deutschland den Wohnungsbestand bis 2045 klimaneutral machen wollen, gibt es hier noch viel Potenzial für uns.

Ohne Bausparkassen scheitern wir also an der Klimaneutralität?
Zumindest passen Bausparen und energetische Sanierung gut zusammen. Wir erwarten hier eine steigende Nachfrage.

Viele Bausparkassen - darunter auch die Schwäbisch Hall – haben gut verzinste Altverträge gekündigt. Sehr zum Ärger von Kunden und Verbraucherschützern natürlich. Wie gehen Sie mit dem Vertrauensverlust der Bausparkassen um?
Wir nehmen wahr, dass die Kunden grundsätzlich schon Verständnis für die Situation der Bausparkassen haben. Wir kündigen Bausparverträge, die zum Beispiel überzahlt oder seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind. Um es aus Sicht der Bausparkasse zu betrachten: Es ist sicher nachvollziehbar, dass Bausparverträge, die zum Beispiel in den 90er-Jahren abgeschlossen wurden, nicht unendlich laufen können. Eine unserer Kernaufgaben ist es auch, die Interessen von Sparern und Darlehensnehmer innerhalb der Bauspargemeinschaft zu steuern.

Manch Verbraucher mit altem Bausparvertrag streicht den üppigen Guthabenzins ein, will aber niemals das Darlehen abschließen. Empfinden Sie das als Missbrauch des Bausparens?
Nein, denn letztlich ist das ja grundsätzlich eine Option für den Kunden, das Darlehen nicht in Anspruch zu nehmen. Beide Parteien müssen sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen des Bausparens halten. Und wenn ein Bausparvertrag beispielsweise überzahlt ist, gibt es hier die rechtliche Möglichkeit der Kündigung.

Mehr: Der Klassiker der Immobilienfinanzierung ist ein Auslaufmodell geworden. Nur selten lohnen sich Bausparverträge noch. Doch es gibt Ausnahmen.

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