Rentable Bausparverträge Bausparer dürfen weiter hohe Zinsen kassieren

Ältere Bausparverträge werfen hohe Zinsen ab. Deshalb wollen die Bausparkassen sie loswerden. Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied nun zugunsten einer Bausparkundin.

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Bausparen Quelle: dpa

Im Dauerstreit zwischen Anlegern und Bausparkassen liegen inzwischen erste schriftliche Beschlüsse höherer Instanzen vor. An diesem Mittwoch äußerte sich das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart und entschied als erstes Berufungsgericht zugunsten einer Bausparkundin. Es ist die erste mündliche Verhandlung auf OLG-Ebene, dem Urteil kommt damit besondere Bedeutung zu - zumal es in der Vergangenheit häufig zu Vergleichen kam, die eine Grundsatzentscheidung verhindert haben.

Im Kern geht es um die Frage, ob Bausparer auch Jahre, nachdem ihre Bausparverträge zuteilungsreif wurden, noch von der hohen Verzinsung profitieren dürfen – unabhängig davon, ob sie jemals den Baukredit in Anspruch nehmen oder nicht. Es muss geklärt werden, ob dann eine einseitige Kündigung des Vertrages durch die Bausparkasse rechtens ist oder nicht.

Juristen verweisen meist darauf, dass jeder Fall einzeln geprüft werden müsse – schließlich haben einige Bausparkassen die Verträge vor allem als rentable Sparprodukte beworben. Ohne Grundsatzentscheidung bleiben die Kündigungen der Bausparkassen deshalb hoch umstritten. Ein Überblick über den Stand der Dinge.

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Worum geht es?

In den Achtziger- und Neunzigerjahren lockten Bausparkassen Kunden mit Guthabenzinsen von bis zu fünf Prozent - die Institute brauchten Geld, um es als Darlehen weiter zu vergeben. Das Geschäft boomte. Als die Zinsen gegen null sanken, legten viele Sparer jedoch ihr Recht auf ein Bauspardarlehen auf Eis - solche Kredite gab es inzwischen häufig günstiger als Einzelkredite außerhalb des Bausparvertrags. Die Guthabenzinsen wurden für die Bausparkassen zu finanziellem Ballast. Also kündigten die Institute Verträge, die mindestens zehn Jahre zuteilungsreif waren - 200.000 solcher Kündigungen gab es 2015.

Wie ist die rechtliche Lage?

Nicht alle Kunden ließen sich das gefallen - viele zogen vor Gericht. Es gibt inzwischen etwa 200 Urteile. In 90 Prozent der Fälle bekamen die Bausparkassen Recht, nur in zehn Prozent setzten sich die Verbraucher durch - das zumindest behauptet der Verband der Privaten Bausparkassen. Doch die Lage ist unübersichtlich, zentral erfasste Daten einer objektiven Stelle gibt es nicht. Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass eine solche Statistik die Zahl der Vergleiche und somit De-Facto-Niederlagen für Bausparkassen nicht enthalte.

Was ist der juristische Knackpunkt?

Aus Sicht der Bausparkassen findet durch den Verzicht auf das Darlehen eine Zweckentfremdung des Bausparvertrags zur reinen Kapitalanlage statt. Sie berufen sich auf den Paragrafen 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), demzufolge Darlehensnehmer zehn Jahre nach vollständigem Empfang einer Leistung kündigen dürfen. In der Sparphase sehen sich die Finanzinstitute als Darlehensnehmer, da sie ja Geld der Sparer bekommen und hierfür Zinsen zahlen.

Aus Sicht von Verbraucherschützern und Bausparern greift der strittige Paragraf 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch hingegen nicht. „Der Paragraf wurde zum Schutz von Verbrauchern gegenüber Banken eingeführt und nicht umgekehrt“, sagt Anwalt Thomas Basten, der sich 2015 in einem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart gegen die Bausparkasse Wüstenrot durchsetzen konnte.

Und selbst wenn sich ein Institut darauf berufen dürfte, so wäre der Paragraf nicht anwendbar, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Denn nur weil ein Vertrag seit zehn Jahren zuteilungsreif sei, sei damit nicht die vollständige Leistung empfangen worden, also die gesamte Auszahlung des Darlehens - schließlich gingen die Einzahlungen der Sparer ja weiter, das Darlehen wachse an. „Der Zeitpunkt der Zuteilung ist irrelevant“, so Nauhauser. Anwalt Basten sagt zudem, die Bausparkassen begründeten ihre Kündigung auch mit der Annahme, die Sparer wollten das Darlehen gar nicht mehr in Anspruch nehmen. „Vielleicht wollen Sparer das in Zukunft ja doch machen, das ist also Spekulation.“

Wie ist die Situation an Oberlandesgerichten?

Nach der Klageflut an Amts- und Landgerichten sind nun auch Oberlandesgerichte am Zug, etwa in Hamm, Celle, München und Stuttgart. Nach Auskunft des Verbandes Privater Bausparkassen gab es bisher 24 schriftliche OLG-Entscheidungen, alle zugunsten der Kassen. Es zeichne sich „ein immer eindeutigeres Bild ab“, sagt Wüstenrot-Sprecher Immo Dehnert.

Am OLG Celle wurde kürzlich entschieden, dass das Kündigungsrecht der Bausparkassen legitim ist. Es lägen noch weitere Verfahren mit ähnlichem Sachverhalt vor, sagte eine Sprecherin. Zwar sei jedes Verfahren ein Einzelfall. „Wenn es aber um gleiche Rechtsfragen mit den gleichen Tatsachen geht, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Gericht an seiner Rechtsauffassung festhält.“

Ist schon eine Entscheidung gefallen?

Am Mittwoch hat das Oberlandesgericht Stuttgart als erstes Berufungsgericht zugunsten einer Bausparkundin entschieden. Die Bausparkasse Wüstenrot habe kein Recht, den Vertrag zu kündigen, erklärte Richter Thomas Wetzel in Stuttgart. "Der Vertrag ist fortzusetzen." Wüstenrot, Deutschlands zweitgrößte Bausparkasse, hatte gekündigt, weil die Kundin ihre das angesparte Geld seit 22 Jahren auf dem Konto liegen ließ und drei Prozent Zinsen einstrich, statt das Darlehen abzurufen.

Wüstenrot hatte argumentiert, der Vertrag sei mehr als zehn Jahre nach der Zuteilungsreife kündbar. "Wir teilen diese Auffassung nicht", sagte Richter Wetzel. Die Bausparerin müsse auch weiterhin die Möglichkeit haben, das Darlehen in Anspruch zu nehmen, auch wenn sich das derzeit bei einem Zins von fünf Prozent nicht rechne. Die Zehnjahresfrist greife erst, sobald das Darlehen vollständig zugeteilt sei. Auch das gesetzliche Kündigungsrecht, auf das sich Wüstenrot berief, gelte nicht. Das wäre nur der Fall gewesen, wenn die Bausparkasse die Sparerin aufgefordert hätte, weiter Beiträge zu zahlen, und diese der Forderung nicht nachgekommen wäre.

Wüstenrot werde nun eine Revision gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof prüfen, erklärte deren Anwalt Herve Edelmann. "Entschieden werden muss es vom BGH", sagte der Richter. Dass der BGH den Bausparern Recht gibt, wäre aus Sicht der Hohenheimer Juraprofessorin Christina Escher-Weingart möglich, schließlich habe es vor Gerichten und in Fachaufsätzen unterschiedliche Urteile und Meinungen gegeben.

Escher-Weingart hält die Kündigungen aber für legitim. Beim Bausparen gehe es auch um den Solidargedanken, dass es also Sparer und Darlehensnehmer unter den Bausparkassen-Kunden gebe. Gebe es nur Sparer, werde das Kollektivkonzept unterhöhlt. Der Abschluss einer langfristig verzinsten Geldanlage sei immer auch „eine Wette auf die Zinsentwicklung der Zukunft“. Diese Wette haben die Altvertrags-Kunden gewonnen und daraus seit vielen Jahren Gewinne eingefahren - dass dies ewig so weitergehe, sei keineswegs Bestandteil der Wette gewesen, so die Juristin.

Aber: Sollten Bausparkassen mit hochverzinsten Daueranlagen geworben haben, wäre das etwas anderes - dann hätten die Sparer aus Sicht der Professorin bessere Chancen, in Karlsruhe Recht zu bekommen.

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