




Als der Deutsche Aktienindex Dax in der vergangenen Woche erstmals seit gut vier Monaten die Marke von 7000 Punkten übersprang, mussten sich einige Experten die Augen reiben. Das hatten sie zuvor für wenig wahrscheinlich gehalten.
Ihre Skepsis ist an und für sich auch angebracht. So gibt es mindestens zwei Gründe, Aktien derzeit kritisch zu sehen. Da ist zum einen der lahmende Export der bisherigen Wirtschaftslokomotive China – im Juli fuhr das Reich der Mitte lediglich ein Prozent mehr aus als im Vorjahr. Zum anderen drücken langsam, aber sicher die Probleme der Euro-Zone auch auf die Stimmung der deutschen Wirtschaft. Die Deutsche Bundesbank etwa teilte in ihrem jüngsten Monatsbericht mit: „Die Konjunktur in Deutschland könnte nach der Jahresmitte stärker als bisher durch die Verunsicherung im Euro-Raum beeinträchtigt werden.“ Gerade die Stabilität der deutschen Konjunktur hatte den Bullen an der Börse bislang als eines der stärksten Argumente für steigende Kurse gedient.
Keine Wahl für Sparer
Die Bedenken der Deutschen Bundesbank verdrängen die Anleger allerdings offensichtlich. Vom Absturz im ersten Quartal, als er innerhalb weniger Wochen von über 7000 auf unter 6000 Punkte fiel, hat sich der Dax mittlerweile fast gänzlich erholt. Doch woher stammt der Optimismus der Aktienanleger in den vergangenen Wochen? Die Antwort dürfte einfach sein: Es mangelt einfach an Alternativen.
Wem das Risiko bei Aktien zu hoch ist, der wählte bislang vorzugsweise defensivere Anlageklassen. Er legte sein Geld beispielsweise auf ein Tages- oder ein Festgeldkonto. Oder er kaufte Anleihen solider Staaten. Bislang wohlgemerkt. Denn mittlerweile sind diese Alternativen keine mehr.
Ein Kind der Siebziger





Die Banken etwa haben in den vergangenen Monaten ihr Angebot bei Tagesgeld deutlich reduziert und gehen mit Lock-Aktionenwesentlich sparsamer um. Auch mit Festgeld lässt sich nur mit Mühe die Inflation von derzeit gut zwei Prozent (Jahresrate) ausgleichen. Bei Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sieht es noch gruseliger aus – ihre Rendite liegt, rechnet man die Inflation heraus, sogar unter null.
Die Politik der niedrigen Zinsen hat ihre Ursache in der Bankenkrise: Um die Finanzinstitute zu retten, mussten sich einige Staaten über Gebühr verschulden. Nun versuchen sie seit einigen Jahren ihre Finanzierungskosten nach unten zu schrauben. Sie senken den Zinssatz, was sie über massive Käufe von Staatsanleihen durch ihre Notenbanken erreichen. Einen ähnlichen Effekt könnten sie zwar auch damit erzielen, dass sie einfach die Ausgaben in bestimmten Bereichen senken oder die Steuern erhöhen. Gerade Letzteres birgt aber eine Gefahr: Es dürfte den Bürgern weniger gefallen – bei der nächsten Wahl könnten die Politiker die Quittung bekommen. Und so drehen die Staaten lieber klammheimlich an der Zinsschraube. Eine solches Vorgehen hat sogar einen Namen: finanzielle Repression – ein Terminus, der aus dem Anfang der Siebzigerjahre stammt und den Wirtschaftswissenschaftlern McKinnon und Shaw zugeschrieben wird.
Sparer werden enteignet
Für diejenigen, die gerne etwas Geld auf der hohen Kante haben und dieses auch vorzugsweise vermehren, schafft diese finanzielle Unterdrückung ein katastrophales Umfeld. Die „Welt“ hat jüngst errechnet, dass deutsche Sparer bereits jetzt pro Kopf 3125 Euro für die Bankenkrise haben bezahlen müssen. In der Rechnung wird die durchschnittliche inflationsbereinigte Rendite deutscher Sparer der Jahre seit 2007 (1,1 Prozent) derjenigen der vergangenen vier Jahrzehnte (3,4 Prozent) gegenübergestellt. Diese Differenz macht bei einem durchschnittlichen Betrag von 27.000 Euro, den statistisch jeder Deutsche auf Tagesgeldkonto oder Sparbuch packt, besagte 3125 Euro aus. Kein Wunder, dass vor diesem Hintergrund in den vergangenen Wochen im Zusammenhang mit finanzieller Repression die Begriffe „Enteignung“ und „Zinsraub“ die Runde machten.
Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, erkennt allerdings die Notwendigkeit dieser Maßnahmen der Notenbanken: „Finanzielle Repression wird zunehmend wichtiger, um den Staat finanziell handlungsfähig zu halten“, sagt Halver im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. Er glaubt in diesem Zusammenhang auch an eine Fortsetzung: „Ich bezeichne die finanzielle Repression als 3-Phasen-Reiniger. In der ersten Phase werden die Zinsen künstlich niedrig gehalten, in der zweiten Phase wird die Inflation geschürt und in der dritten Phase – wenn sich keine Entspannung der Staatsschuldenkrise eingestellt hat – werden die institutionellen Anleger durch regulatorische Auflagen angehalten, Staatspapiere zu kaufen. Schauen Sie sich doch heute schon Pensionskassen und Rentenversicherungen an – sie sind gefüllt mit Staatsanleihen, Staatsanleihen und Staatsanleihen“, so Halver.
Dividendenaktien als Sparbuch-Alternative





Für die dritte Phase in Halvers Szenario gibt es bereits einen Vorboten: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte Anfang Juli eine Diskussion über Zwangsanleihen angestoßen, wonach wohlhabendere Bürger zur Kasse gebeten werden sollen, um Refinanzierung und Abbau der Staatsschulden in Europa voranzutreiben.





Für den deutschen Sparer ist die Entwicklung in jedem Fall bedenklich. Setzt sie sich fort, eignen sich Sparbuch und Tagesgeldkonten allenfalls noch zum Vermögenserhalt, nicht aber zum Vermögensaufbau.
Damit wird deutlich, dass Aktien bei allem Risiko mehr als bisher in ein gutes Portfolio gehören sollten. Dabei sind vor allem schwankungsarme Titel von Unternehmen zu bevorzugen, die am besten auch noch eine ordentliche Dividende ausschütten.
Börse
Beispielsweise bei Firmen aus dem Dax: Deutschlands Börsenbarometer Nummer eins weist zurzeit im Durchschnitt eine Dividendenrendite von vier Prozent auf, bei einigen Einzelwerten liegt sie sogar deutlich höher. Zudem erscheint angesichts einer günstigen Bewertung – das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Dax bewegt sich auf Basis der Gewinnschätzungen für 2012 bei 11 – auch das Rückschlagspotenzial überschaubar.
Robert Halver von der Baader Bank fasst es so zusammen: „Es gibt eine Reihe von Substanzaktien, die mit ihrer Dividendenrendite mühelos die Renditen von Staatspapieren schlagen – Dividendentitel sind die besseren Staatsanleihen.“