Rohstoffe Ein XXL-Tresor für Seltene Erden

Einer der größten Tresore Deutschlands erleichtert Privatanlegern das Lagern von Seltenen Erden. Dennoch müssen Anleger aufpassen, dass ihre teuren Investments nicht zu wertlosem Staub zerfallen.

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Matthias Rüth Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Mehrere Minuten braucht Matthias Rüth, um das Schloss seines XXL-Tresors zu entsichern, dann lässt sich die 4,6 Tonnen schwere Tür mit aller Kraft aufwuchten.

Der 49-Jährige leitet den Frankfurter Metallhandel Tradium, einen der großen europäischen Händler für Seltene Erden und Technologiemetalle. Traditionell macht Rüth Geschäfte mit Industriekunden – bis vor zwei Jahren um die Metalle ein wahrer Hype ausbrach. Privatanleger wollten bei ihm die Seltenen Erden Yttriumoxid und Neodymoxid oder die Technologiemetalle Indium oder Gallium kaufen – als Geldanlage und als Alternative zu Gold. Bis unters Dach stapeln sich in seinem Lager mittlerweile die Holzkisten, Plastikcontainer und Metallfässer, in denen die Seltenen Erden als Pulver lagern. „Privatanleger kaufen auf Sicht von mindestens fünf Jahren“, sagt Rüth, „um ihre Kisten und Container so lange im Lager für die Industriekunden unterzubringen, fehlt einfach der Platz."

Also musste eine Alternative her. Als ein von einem Unternehmen gekaufter ehemaliger Schutzbunker zur Zwangsversteigerung stand, schlug Rüth zu und baute den Bunker kurzerhand zum gigantischen Tresor um. Jetzt wartet der graue Klotz mit der tonnenschweren Tür frisch gestrichen im Industriegebiet im Frankfurter Osten auf die ersten Anleger. Noch stehen auf den 1400 Quadratmeter Lagerfläche nur ein paar leere Regale. In Zukunft könnten darin Technologiemetalle und Seltene Erden für mehrere Hundert Millionen Euro lagern, sagt Rüth. Der Bunker dürfte einer der größten Wertschutzräume in Deutschland sein, er bietet etwa so viel Platz wie ein großer Supermarkt.

Schwere seltene Erden

Seltene Erden, in Oxidform als Pulver gehandelt, werden unter anderem für Smartphones, LED-Lampen, Elektroautos und Windräder benötigt. Insgesamt zählen 17 Metalle zu dieser Gruppe, neun davon, die schweren Seltenen Erden, eignen sich als Anlage. Die Preisschwankungen sind enorm: Wer im August 2010 kaufte und ein Jahr später wieder ausstieg, verbuchte astronomische Gewinne. Ein Kilo Terbiumoxid etwa gab es damals für 605 US-Dollar, der Kurs schnellte binnen eines Jahres um 687 Prozent nach oben.

Preisentwicklung von Seltenen Erden

Preistreiber war China, das weltweit über 95 Prozent des Bedarfs an Seltenen Erden deckt und damals Lieferbeschränkungen ankündigte. Banken heizten den Hype weiter an, die Schweizer UBS etwa legte einen börsengehandelten Fonds (ETF) auf Seltenerden-Aktien auf – und einige Händler begannen damit, wie Matthias Rüth schon vor Jahren, die Metalloxide auch physisch an Privatkunden zu verkaufen.

Mittlerweile hat sich der Markt beruhigt, die Preise fielen im letzten Jahr fast genauso stark, wie sie gestiegen waren. „Wir haben eine gruselige Preisentwicklung erlebt, im Grunde war das letzte Jahr der reinste Horror“, sagt Daniel Briesemann, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. Er bezweifelt, dass der Trend schon dreht.

Als Anlage hochriskant

Indium Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Als Geldanlage sind Seltene Erden und die weiteren rund zehn handelbaren Technologiemetalle hochriskant. Aufgrund des geringen Handelsvolumens werden sie meist nur zwischen Produzenten und Abnehmern aus der Industrie gehandelt. Nur ein geringer Teil läuft über Zwischenhändler wie Matthias Rüth. Transparente, offen zugängliche Preise, an denen sich Anleger orientieren können, gibt es nicht. Hinzu kommt: Erste Unternehmen versuchen, die Metalle zu recyceln. Ersatzmaterialien könnten zudem einige Erden ersetzen – in der teuer eingelagerten Kiste des Anlegers wäre dann nur noch wertloser Staub. Auch neue Abbaustätten außerhalb Chinas – in den USA, Malaysia und sogar in Ostdeutschland – könnten die Preise drücken.

Nicht besonders überzeugt

Dennoch glaubt Commerzbank-Analyst Daniel Briesemann, dass die Preise mittel- bis langfristig wieder anziehen. „Die Chinesen sollten ja auch an einem stabilen Preisumfeld interessiert sein.“ Grundsätzlich ist er vom derzeitigen Markt aber nicht besonders überzeugt. „Da im vergangenen Jahr viele Investoren mit Seltenen Erden Geld verloren haben, möchte gerade eigentlich keiner mehr etwas davon wissen.“

Wie groß die Risiken sind, zeigt nicht nur ein Blick auf den Preisverfall der Metalle selbst. Auch die Aktie des US-Unternehmens Molycorp, des weltgrößten nicht chinesischen Förderers von Seltenen Erden, hat allein 2013 rund 40 Prozent an Wert verloren. Beim australischen Konkurrenten Lynas sieht es ähnlich übel aus.

„Für Kleinanleger, die ein Vermögen von 10.000 Euro flexibel anlegen wollen, eignen sich die Rohstoffe nicht“, sagt Gunther Maassen, Geschäftsführer des Bonner Metallhändlers Haines & Maassen. „Wenn jemand darauf angewiesen ist, seine Investition schnell wieder zu Bargeld zu machen, ist er bei Technologiemetallen und Seltenen Erden falsch, man muss auch eine Tiefpreisphase über mehrere Jahre aussitzen können.“ So eignen sich die Seltenen Erden wohl nur für erfahrene und wohlhabendere Anleger.

Friederike Beck hat es trotzdem versucht. Die Journalistin bezeichnet sich selbst als Greenhorn, hat 2010 aber in das Technologiemetall Gallium investiert. Dass es keinen wirklich transparenten Marktpreis gibt, hinderte sie nicht daran, zu investieren. „Im Internet hab ich verschiedene Übersichten gefunden, aus denen ich meine Schlüsse ziehen konnte“, sagt Friederike Beck. Aus den Daten las sie einen Aufwärtstrend, der sich bestätigen sollte.

Zehn Kilo Gallium

Seltene Erden
Bayan Obo Mine in der Mongolei Quelle: Google
Lanthanum Quelle: dpa
Cerium Quelle: dpa
Terbium Quelle: rtr
Neodym Quelle: dpa
Promethium Quelle: dpa
Samarium Quelle: AP

Beck kaufte im April 2010 zehn Kilogramm Gallium für 3900 Euro. Weil sie ihr Metall zu Hause lagerte, waren im Kaufpreis bereits 19 Prozent Mehrwertsteuer enthalten. Lassen Anleger ihre Metalle in einem Zolllager, wie dem Tresor von Tradium in Frankfurt, können sie sich die Mehrwertsteuer sparen. Tradium erhebt dann aber eine Lagergebühr von zwei Prozent pro Jahr, die vierteljährlich vom Warenwert abgerechnet wird. Kursgewinne sind nach einem Jahr steuerfrei. Friederike Beck allerdings verkaufte ihr Gallium nach elf Monaten wieder – mit 1680 Euro Gewinn. Sie hatte den richtigen Zeitpunkt erwischt und profitierte von der Preisexplosion 2011, die bei Technologiemetallen etwas moderater ausfiel als für Seltene Erden.

Preisentwicklung von Technologiemetallen im Vergleich zu Gold

Bei Tradium-Geschäftsführer Matthias Rüth investieren Anleger im Schnitt 30.000 bis 40.000 Euro, überschlägt er. Fast jeder sechste der rund 350 Privatanleger stamme aus dem Ausland. Bis nach Panama verkauft Rüth seine Seltenen Erden.

Anders als bei Gold müssen sich Investoren über Besonderheiten ihrer Anlage im Klaren sein, vor allem dann, wenn sie diese privat lagern möchten – einige sind leicht entzündlich oder giftig. Und: „In Metallform sind Seltene Erden sehr reaktionsfreudig und oxidieren schnell an der Luft“, sagt Diplom-Geologin Maren Liedtke von der Deutschen Rohstoffagentur. Für Anleger kommen daher hauptsächlich die Oxide infrage. Technologiemetalle können zwar als Barren gelagert werden. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Gallium etwa schmilzt bei gut 29 Grad Celsius.

Was Anleger über seltene Erden wissen sollten

Das größte Risiko aber ist, das Metallpulver überhaupt wieder loszuwerden. Technologiemetalle lassen sich bei Haines & Maassen zwar problemlos wieder verkaufen. Vor Seltenerd-Oxiden aber warnt Gunther Maassen. „Ob jemand in einem Fass nun etwas Mehl untergemischt hat, können wir nicht kontrollieren – viel zu teuer“, sagt er. „Daher kaufen wir von Privatkunden grundsätzlich keine Oxide an.“ Wer einige Tonnen Seltenerd-Oxide besitze, könne versuchen, diese einem Hersteller direkt anzubieten. Mit wenigen Kilogramm hingegen finde man kaum einen Käufer, sagt Maassen.

Geschäft in den Kinderschuhen

Lassen Anleger ihre Seltenen Erden im Zolllager liegen, ist eine Qualitätskontrolle der Ware nicht nötig, sagt Bunker-Vermieter Rüth. Denn Zutritt bekommen Investoren zum Tresor nicht. Daher kauft Rüth von seinen Anlegern auch Seltenerd-Oxide wieder an. Allerdings liegt der Ankaufspreis etwa 5 bis 15 Prozent unter dem Verkaufspreis, je nach Rohstoff und Marktlage. Und eine Garantie auf den Rückkauf kann auch Rüth seinen Anlegern nicht geben.

„Das Privatkundengeschäft mit Seltenen Erden steckt immer noch in den Kinderschuhen“, sagt Bunker-Besitzer Rüth, „aber wir glauben, dass es eine spannende Zukunft hat.“ Ein Schuss Zweckoptimismus schwingt da wohl mit. Denn falls er sich irrt, müsste sich Rüth für seinen gut 900.000 Euro teuren Riesentresor einen neuen Verwendungszweck ausdenken.

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