Rubelschwäche Alle leiden, nur Putin freut sich

Die Rubelschwäche verunsichert Märkte und Bevölkerung in Russland. Für die meisten Unternehmer ist die Volatilität der Währung ebenfalls ein gewaltiges Problem. Kremlchef Wladimir Putin sieht jedoch auch Vorteile darin.

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Vladimir Putin sieht Vorteile im schwachen Rubel. Quelle: AP

Rekordtief für die russische Landeswährung: Der Dollar hat die Marke von 80 Rubel, kurzzeitig sogar von 81 Rubel durchbrochen. Das ist der höchste Stand des Dollars seit der Rubelkrise 1998 und ihrer anschließenden Neuwertung. Damals tauschten die Russen 1000 alte Rubel gegen einen neuen.

Der Euro stieg auf einen Wert von über 88 Rubel. Das liegt nur geringfügig unter dem Hoch von Dezember 2014, als Panikverkäufe an der Moskauer Börse den Rubel kurzzeitig auf einen Wechselkurs von 1:100 gegenüber der europäischen Einheitswährung drückten.

Damals machte Russlands Präsident Wladimir Putin Spekulanten für den Absturz verantwortlich. Doch diesmal hält selbst die russische Führung die Talfahrt für begründet. Zentralbankchefin Elvira Nabiullina jedenfalls erklärte, der Rubel sei nun nahe seiner fundamentalen Basis. Tatsächlich reagiert der Rubel auf die anhaltende Schwäche des Ölpreises.

Warum Putins Champagner so teuer ist
Die Russen sind für ihren Wodka bekannt. Doch sie stellen auch Weine und Champagner her. Im südrussischen Abrau-Durso, in der Krasnodar-Region nahe der Schwarzmeerküste, liegen die Weinberge des russischen Oligarchen Boris Titow. Quelle: Bloomberg
Abrau-Durso wurde vor 145 Jahren vom russischen Zaren Alexander II. gegründet, nachdem er in Frankreich einen Champagner gekostet hatte. Quelle: Bloomberg
Nach Angaben der Tageszeitung „Die Welt“ sind in Abrau-Durso im vergangenen Jahr 27 Millionen Flaschen abgefüllt worden. Der auf dem Weingut produzierte Schampus wurde zuletzt unter anderem bei den Olympischen Spielen in Sotschi ausgeschenkt. Die Weine werden in den feinsten Moskauer Hotels angeboten. Quelle: Bloomberg
Exekutivdirektor Petr Sleptschenko versichert, dass das Gut nicht unter den wirtschaftlichen Sanktionen des Westens gegen Russland leidet: „Wein und Sekt sind Nischenprodukte, die nicht auf der Liste der verbotenen Güter stehen.“ Quelle: Bloomberg
Mit einer Lampe inspiziert eine Mitarbeiterin die Inhalte der Sektflaschen. 16 Länder nehmen laut „Die Welt“ derzeit die Weine und Schaumweine ab. Quelle: Bloomberg
Die Ware soll perfekt sein. Deswegen inspizieren zwei Mitarbeiterinnen fertige Flaschen des russischen Champagners auf dem Produktionsband. Quelle: Bloomberg
Die fertigen Weine stehen auf den Speisekarten von mehr als 85 Restaurants in Moskau. Eine Flasche kostet bis zu 10.000 Rubel, umgerechnet 200 Dollar. Quelle: Bloomberg

Die Baisse an den Rohstoffmärkten ist für Russlands Wirtschaft verheerend: Schon 2015 sank das BIP um 3,8 Prozent. Nun hat der Internationale Währungsfonds seine ohnehin trübe russische Prognose für 2016 noch einmal nach unten korrigiert. Demnach wird es in diesem Jahr statt 0,6 um ein ganzes Prozent nach unten gehen.

Auch die Haushaltsvorgaben von Putin sind für die Regierung damit nur noch schwer umzusetzen. Ein Defizit von drei Prozent ist nur noch mit drastischen Kürzungen zu erreichen. Der Verfall des Rubels wird daher in der russischen Führung eher als Segen betrachtet: Die meisten Einnahmen werden in Dollar erzielt durch die Ausfuhr von Rohstoffen. Die Ausgaben hingegen sind rubelbasiert, sie sinken also bei fallendem Kurs.

Wohl auch deshalb macht die russische Führung gute Miene zum bösen Spiel: Premier Dmitri Medwedew erklärte, die Inflation werde trotzdem in Grenzen gehalten. In den nächsten 15 Jahren werde es keine zweistelligen Inflationszahlen mehr geben, versprach der Ministerpräsident.

Wie Muskelprotz Putin sich fit hält
In Sotschi ließ sich Sportfan Wladimir Putin nicht nur auf den Tribünen blicken. Hier posiert er mit Teilnehmern der Paralympischen Spiele. Quelle: dpa
Mit schicker Sonnenbrille... Quelle: rtr
...verfolgte er die Wettkämpfe auf den Pisten von Krasnaya Polyana. An seiner Seite: der russische Sportminister Vitaly Mutko. Quelle: dpa
Hier geht es im Sessellift mit Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew (Mitte) auf den Berg – zur nächsten Abfahrt. Quelle: rtr
Um ein wenig Muskeln aufzubauen, hat Wladimir Putin als schmächtiger Junge den Nutzen von Judo erlebt. 2005 stieg er zu Showzwecken noch einmal auf die Matte. Quelle: AP
Mit seinen Kampfsportkenntnissen – die er hier bei einer Trainingsstunde in St. Peterburg noch einmal vorführte – konnte sich der als schwächlich beschriebene „Wolodja“ in seiner Heimatstadt gegen stärkere Nachbarjungs verteidigen. Quelle: REUTERS
Legendär sind die Aufnahmen, die Putin in freier Wildbahn zeigen. Hier als Indiana-Jones-Double in Sibirien... Quelle: AP

Und selbst Putin versuchte bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft für Kleinunternehmer „Opora Rossii“ Optimismus auszustrahlen. Die letzten zwei Jahre seien für die Wirtschaft gewiss nicht leicht gewesen, doch sie seien durchgestanden worden – auch von Kleinunternehmern. Durch den Rubelverfall „eröffnen sich neue Möglichkeiten für das Business“, fügte er anschließend hinzu.

Mit Währungsspekulationen machen allerdings nur die wenigsten Unternehmer in Russland ihr Geschäft. Für die meisten Unternehmer ist die Volatilität des Rubels ein gewaltiges Problem. Sie können weder Preise kalkulieren, noch Kredite aufnehmen – und die Verkäufe sind wegen der Inflation ebenfalls rückläufig.

Unternehmer und Bevölkerung sind die größten Verlierer

Am härtesten trifft es Importeure. Eine Meldung der Auslandshandelskammer in Moskau verdeutlicht dies. Demnach hat sich die Zahl der deutschen Unternehmen in Russland im vergangenen Jahr von rund 6.000 auf 5.583 verringert. Die wichtigsten Ursachen für den Rückgang sind nichtsdestoweniger der Wirtschaftsabschwung in Russland 2014 und 2015 und die starke Rubelabwertung, die sich deutlich negativ auf das Konsumverhalten der russischen Bevölkerung ausgewirkt hat“, schreibt die AHK in ihrer Bewertung.

Tatsächlich ist die Bevölkerung neben den Unternehmern ein weiterer großer Verlierer der Rubelabwertung. Offiziellen Angaben nach sind die Realeinkommen der Russen im vergangenen Jahr um zehn Prozent geschrumpft, der fallende Rubel hat die Inflation drastisch angekurbelt, denn trotz der vom Kreml ausgerufenen „Importverdrängung“ ist Russland weit entfernt von einer autarken Wirtschaft.

Eingeschränkt haben sich die Russen nicht nur bei Luxusgütern – der Markt für Immobilien und Automobile ist drastisch eingebrochen, Reisen ins Ausland wurden unerschwinglich – sondern sogar bei Waren des täglichen Bedarfs. So sind der Statistikbehörde nach viele Menschen von Rind und Schwein auf das billigere Putenfleisch (dort ein Plus von 34,9 Prozent) umgestiegen.

Ihren Humor haben die Russen trotzdem nicht verloren. Freilich ist der größtenteils schwarz: „Ich erinnere mich noch an den Dollar, als er ganz klein war, gerade mal sechs Rubel. Dann ist er gewachsen und gewachsen und wurde richtig groß. Jetzt ist er über 80. Hoffentlich stirbt er bald“, heißt es in einem aktuellen Witz.

In einem anderen nehmen die Autoren Bezug auf die Aktion „No Pants Subway Ride“, an der am 12. Januar auch eine Reihe junger Menschen in der Moskauer U-Bahn teilnahmen: „Wenn der Rubel weiter so schnell fällt, dann wird das Fahren ohne Hosen wohl bald zum Alltag.“ Immerhin Hoffnung gibt es: „Wenn es wärmer wird, dann wird Wladimir Putin persönlich auf den Grund tauchen, um den gesunkenen Rubel von dort wieder hochzuholen.“

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