Noch mal zu den Prognosen zurück: Sie haben ihre Doktorarbeit über Währungen geschrieben. Dann haben Sie doch bestimmt eine Prognose für Euro/Dollar?
(lacht) Ich habe zwar meine Dissertation 600 Seiten über Währungsprognosen geschrieben und dabei alle möglichen komplizierten Verfahren eingesetzt, wie die Spektralanalyse… aber ich gehe noch arbeiten. Aber im Ernst: Wir glauben, dass es in Richtung Parität geht, auch wenn wir in den vergangenen Tagen eine etwas andere Richtung genommen haben. Der Einstieg in den Ausstieg aus der Nullzinspolitik seitens der Fed und die dazu divergierende Geldpolitik der EZB wird dafür Sorge tragen, dass der Dollar in Richtung Parität geht und Stärke gegenüber dem Euro zeigt.
Da könnte man jetzt noch ein paar US-Unternehmensanleihen einsammeln…
Ja, aber Währungsspekulationen sind die schwierigsten und gefährlichsten. Währungen sind schwer zu prognostizieren, weil sie sich auch über längere Zeit von den Fundamentaldaten weg bewegen können. Das ist vielleicht der irrationalste Markt überhaupt, noch irrationaler als Aktienmärkte. Daher ist mit solchen Anlagen kurzfristig auch immer ein hohes Risiko verbunden.
Nach der Fed-Entscheidung entspannt sich die Lage an den Märkten aber doch.
Das ist wie im Fußballspiel: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Die Zinserhöhung war erwartet worden, der Markt hat etwas Volatilität gezeigt. Jetzt wird bald wieder die Diskussion losgehen, wie es konkret weitergeht. Wann kommt der nächste Schritt? Werden es wieder 25 Basispunkte? Oder werden es vielleicht sogar 50 Basispunkte sein? Diese Diskussion wird anhalten. Und sie wird sehr intensiv und auch kontrovers geführt werden, weil sie durch eine hohe Unsicherheit geprägt ist.
Trotz aller Ankündigungen von Janet Yellen?
Wir haben keine historische Erfahrung mit einem solchen geldpolitischen Experiment, das wir im Moment durchführen. Wir haben noch nie so eine expansive Geldpolitik erlebt und wissen nicht, welche Langfristwirkungen sie haben wird und ob es der Notenbank gelingt, ohne Verwerfungen am Markt wieder aus dieser Extremposition herauszukommen. Hinzu kommt noch, dass wir in den USA und Europa noch nie eine solch divergierende Geldpolitik hatten wie derzeit. Auch da wissen wir letztendlich nicht, was das am Ende für die Renditeentwicklung oder für den Wechselkurs bedeutet. Das erhöht die Unsicherheit und die Volatilität und wird uns mit Sicherheit auch 2016 begleiten und auch darüber hinaus.
Die Geschichte von Sal. Oppenheim
Salomon Oppenheim gründet in Bonn eine Bank
Umzug nach Köln
Mit der Finanzierung von Eisenbahnen und dem Einstieg ins Versicherungsgeschäft steigt die Bank auf
Auf Druck der Nazis Umbenennung in Pferdmenges & Co. (bis 1947)
Alfred von Oppenheim (gest. 2005) wird Chef und baut die Betreuung reicher Privatkunden auf
Verkauf der Anteile an der Colonia Versicherung, Beginn der Zusammenarbeit mit Josef Esch
Ex-Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl führt Sal. Oppenheim.
Matthias Graf von Krockow folgt ihm.
Mit dem Kauf der BHF Bank wird Sal. Oppenheim zur größten Privatbank Europas. Esch-Projekte wie der Neubau der Kölner Messe geraten in die Kritik.
Die Bank macht erstmals Verlust
Durch die Pleite des Handelskonzerns Arcandor, mit dem die Bank über Kredite und Aktienbeteiligung eng verbunden ist, gerät Sal. Oppenheim in eine existenzbedrohende Krise
Die Deutsche Bank übernimmt Sal. Oppenheim komplett.
Zahlreiche Prozesse von Anlegern wegen Verlusten bei Oppenheim-Esch-Fonds. Die Staatsanwaltschaft Köln erhebt Anklage gegen die Ex-Bankführung und Josef Esch, Prozessbeginn wohl Anfang 2013
Für Anleger ist das eine ziemliche Herausforderung.
Klar, es ist schwieriger geworden. Es wird nicht mehr die schönen Trends geben, wie wir sie in den vergangenen 30 Jahren hatten, in denen wir nur fallende Renditen, nur steigende Rentenmärkte gesehen haben. Das kurzfristige Agieren wird notwendiger werden. Aktive Steuerung der Laufzeiten wird wichtiger sein. Ein schönes Beispiel ist Japan: Das Land hat schon ganz lange eine Niedrigzinspolitik. Aber hat das bedeutet, dass man am Rentenmarkt in Japan über die vergangenen 20 Jahre kein Geld verdienen konnte? Nein, es gab exzellente Rentenmarktjahre, in denen Sie sechs oder sieben Prozent Rendite erzielen konnten. Eben weil die Zinsen von niedrigem Stand noch einmal zwischen einem halben und einem Prozentpunkt zurückgegangen sind.
Klingt verlockend.
Das Problem wird nur sein, dass diese Bewegungen sehr schnell gehen. Ähnliches haben wir bereits in diesem Jahr erlebt. Ich habe noch nie eine Zinsbewegung gesehen, in der eine innerhalb von vier Wochen zehnjährige Bundesanleihe von null auf ein Prozent steigt. Allerdings habe ich den Zins auch noch nicht bei Null gesehen. Das war ein Renten-Crash, den es so in der Form noch nicht gegeben hat.
Das wird jetzt eher die Regel als die Ausnahme?
Die Zeiten haben sich geändert. Als ich vor 30 Jahren anfing, war die Rendite der Bundesanleihe nach einem dreiwöchigen Urlaub unverändert. Wenn überhaupt, hat sie sich um einen Tick in der zweiten Nachkommastelle verschoben. Heute gibt es große Bewegungen: Acht Prozent Kursbewegung innerhalb von vier Wochen am Rentenmarkt, das ist ein Wort. Die Herausforderung wird es sein, diese Bewegungen zu nutzen. Denn sie werden nicht graduell geschehen, sondern relativ zügig. Da kann man schnell viel Geld verlieren, aber auch gewinnen.
Welche Renditen sind denn überhaupt noch zu erwarten?
Über die nächsten drei Jahre schwankt die Wertentwicklung von Bundesanleihen wahrscheinlich um die Nulllinie. Nächstes Jahr wird der sogenannte Total Return, also die Summe aus Kupon und Kursentwicklung, negativ sein. Es gibt sicherlich Kurspotenzial, wenn Sie sich die europäische Peripherie anschauen. Aber das sind auch keine Wertsteigerungen, über die man sich wirklich freut. Real gesehen bleibt da sicherlich nicht viel übrig.
Anleihen bringen also nichts außer Stabilität im Depot?
Gerade dieses Jahr hat gezeigt, dass die Diversifikationsfunktion von Renten deutlich nachgelassen hat. In den ersten 15 Jahren meiner Berufslaufbahn war der Zusammenhang ganz klar: Wenn die Aktienmärkte gestiegen sind, gingen die Renditen von Anleihen runter und umgekehrt. Die nächsten 15 Jahre war es anders: Da hat die Rente wunderbar funktioniert als Absicherung gegen die Volatilität von Aktien. Immer dann, wenn die Aktienmärkte schlecht liefen, ist man in den vermeintlich sicheren Hafen Renten gegangen. Diese Flucht aus der risikoreichen in die sichere Anlage hat bewirkt, dass die Kurse auf der Rentenseite gestiegen und die Renditen zurückgegangen sind.
Diesen sicheren Hafen gibt es nicht mehr?
Ich glaube, das wird künftig schwieriger werden. Renten bieten beim aktuellen Renditeniveau keinen Schutz mehr. Es ist kein Zinskupon mehr da, der puffert. Deshalb verliert die Anleihe auch ihre Funktion des sicheren Hafens. Wenn es an den Aktienmärkten richtig kracht – und zwar wegen eines systemischen Risikos – dann dürften die Renten genauso darunter leiden. Das haben wir auch in der Finanzmarktkrise erlebt. Diversifikation funktioniert nur, wenn es keine systemischen Risiken gibt. Die unsystematischen Risiken kann man diversifizieren. Gibt es systemische Risiken, dann gibt es abgesehen vom Geldmarkt nichts, wo man sich verstecken kann. Und ich befürchte, dass wir systemische Risiken sehen werden, wenn es am Aktienmarkt wieder richtig kracht.
Was könnte das sein?
Einmal durchgespielt: Das Experiment mit dem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik funktioniert nicht und die Fed muss zurückdrehen. Dann haben wir ein systemisches Risiko. Die Märkte werden dann erkennen, dass all die Anstrengungen über die vergangenen sechs Jahre den Patienten nicht haben gesunden lassen und er immer noch strukturell krank ist. Ob der Rentenmarkt dann der Platz ist, wo man überwintern kann, bezweifele ich. Der wird genauso mit in den Strudel gerissen.